Dezember, 1996

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Natürlich hatte Nadja Hogwarts nicht verlassen, ohne ihrem Lieblings-Professor noch einen Besuch abzustatten. Dieser war zum einen überglücklich sie zu sehen, zum anderen lud er sie direkt zu seiner Weihnachtsfete ein. Die Hexe hatte lange hin und her überlegt, ob sie der Einladung nachgehen sollte, aber da sie weiterhin keine Fortschritte bei ihrem Experiment machte, entschied sie sich hinzugehen.
Weit vor acht Uhr an Heiligabend schritt die ehemalige Slytherin mit einer dunklen Robe in den Kerker hinab. Die gute Hogwartsluft strömte durch ihre Nase und es fühlte sich direkt alles vertraut an. Noch dazu weckte die Situation so viele Erinnerungen.
Nadja blickte kurz nach links zum Eingang ihres ehemaligen Gemeinschaftsraumes. Wenn sie doch nur das aktuelle Passwort wüsste, dann könnte sie auch dort etwas in Erinnerungen schwelgen.

"Pritchard.", hörte sie plötzlich eine ungläubige Stimme und drehte sich ruckartig um.
"Draco!", flüsterte sie und blieb wie angewurzelt stehen.
"Ich wusste doch, dass nicht einmal ein Albtraum sich so jemanden wie dich ausdenken könnte.", ärgerte er sie gleich wieder, obwohl sie ganze zwei Jahre nicht miteinander geredet hatten.
"Mich kann man einfach nicht vergessen.", Nadja grinste verschmilzt.
"Du schuldest mir Antworten. Niemand wusste, wo du nach dem vierten Schuljahr hin bist. Es gab viele Gerüchte.", gestand er.
"Es tut mir Leid, aber das ist alles kompliziert.", entschuldigte sie sich, obwohl es ihr kein Stück leidtat.
Der Slytherin zog eine Augenbraue in die Höhe. Natürlich hatte er sie durchschaut. Doch er schien zu müde zu sein, um weiter neugierige Fragen zu stellen. Was war wohl los bei ihm?
"Du hast einige Fehler gemacht. Genau wie ich.", flüsterte er leise.
"Draco, was meinst du?", Nadja bekam langsam Angst. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. 
Der Weißkopf strich sich einige Male über den Unterarm und die Hexe folgte seiner Bewegung. 
"Draco.", sie schluckte schwer, als sie verstand. Und dann sah sie in seine grauen Augen und wusste, wie dringend er Hilfe brauchte.
Nadja befand sich im kompletten Zwiespalt. Draco oder Tom? Oder ging es hier eher um richtig oder falsch?
"Du hilfst mir und ich bringe dich zu Riddle.", als er das aussprach, bekam die Hexe eine Gänsehaut. Wieso fühlte sie dabei nichts? Es war so einfach. Die Lösung stand direkt vor ihr. Aber Draco hatte Informationen. Vielleicht zu viele?
"Abgemacht."


"Willkommem, Miss Pritchard. Sie sind früh dran.", begrüßte Slughorn seinen Lehrling aus den Vierzigern. Draco war nicht auf die Slug-Party eingeladen worden, weshalb sie sich zuvor am Flur des Kerkers verabschiedet hatten.
"Ich wollte so viel Zeit wie möglich in meinem alten Zuhause verbringen. Es ist toll, wieder hier zu sein.", Nadja lächelte und sah sich etwas um. Slughorn hatte sich mal wieder selbst übertroffen und man erkannte sein Büro kein Stück mehr. Die Decke des Raumes ähnelte der in der Großen Halle und zeigte einen klaren Himmel, obwohl die Feier einige Meter unter der Erde stattfand. Auch die Kerzen schwebten, wie auch in der Großen Halle, am Himmel. Bloß das diese in passenden Farben zur Weihnachtszeit leuchteten, also rot, grün und Gold. Statt grauenhaft riechende Gebräue waren die Kesseln des Zaubertrankunterrichts mit verschiedenen Weihnachtssüßigkeiten gefüllt worden.
Tatsächlich waren auch schon einige Gäste da. Nadja wurde schnell in eine Umarmung von Blaise gezogen. Diesem hatte sie natürlich Bescheid gegeben, dass sie heute hier sein würde.
"Freut mich wirklich, dass du da bist. Aber ich wusste gar nicht, dass du Tally auch dabei hast.", grinste Blaise und Nadja stockte der Atem.
"Wie bitte?", da hatte der Slytherin seine Gryffindor-Freundin bereits in eine Umarmung gezogen. Die beiden unterhielten sich kurz, während Nadja daneben stand und blöd glotzte. Das konnte doch nicht wahr sein!

"Hallo!", lächelte Tally schließlich und die ehemalige Slytherin grummelte etwas Ähnliches vor sich hin. Sofort hatte die ehemalige Gryffindor den Ring an Nadjas Finger im Visier. Hastig versteckte die Schwarzhaarige ihre Hand hinter ihrem Rücken.
"Oh, da hat wohl jemand nicht gerechnet, sich heute zu treffen. Ich dreh' mal besser eine Runde.", grinste Zabini und zischte ab. 
"Ich muss mich bei dir entschuldigen. Das, was am Grimmauldplatz passierte, war nicht fair dir gegenüber.", meinte Tally aufrichtig. 
"Nicht fair? Ich hatte kein Dach mehr über dem Kopf!", Nadja hatte an jenem Abend aber keine Lust, wütend zu sein. "Lass uns einfach nicht darüber reden. Was machst du hier?"
"Slughorn und Dumbledore haben mich eingeladen. Ich werde wohl demnächst öfter in Hogwarts sein und -"
Doch das Gespräch der Zeitreisenden änderte sich just als Slughorn sich dazwischen drängte. 
"Ihr beiden, ich muss euch jemanden vorstellen. Das ist Carl von Woodcroft. Er arbeitet im Drachenreservat von Rumänien, gemeinsam mit Charlie Weasley, Rons Bruder, wie ihr sicher wisst."
Carl nickte den beiden Hexen lächelnd zu, während sie sich nacheinander vorstellten.
"Von Woodcroft? Der Name kommt mir bekannt vor.", überlegte Tally laut. 
Carl lachte. "Sehr gut aufgepasst in Geschichte der Zauberei, liebe Tally. Mein Vorfahre hat damals Hogsmead gegründet. Du könntest ihn allerdings auch von einer Schokofroschkarte kennen."
"Oh, wie spannend.", Tally freute sich, dass sie aus dem Unterricht anscheinend doch einiges mitgenommen hat. Nadja gähnte währenddessen ausgiebig, was Carl natürlich nicht entging.
"Langweilt dich das etwa?"
"Zum einen hab ich es Ihnen nicht erlaubt, mich zu duzen und zum anderen: ja. Und ohne groß zu raten weiß ich, dass die von Woodcrofts wohl schon immer Hufflepuffs waren.", Nadja mochte diesen Typ nicht. Auch wenn er nur ein paar Jahre älter schien als die beiden Zeitreisenden wirkte er zu überheblich und zu aufdringlich. 
"Da haben Sie vollkommen recht, Miss Pritchard. Das Motto unserer Familie lautet Folge stets dem Weg des Dachses.", stolz blickte er zur Slytherin, die versuchte nicht zu lachen. 
"Mein Zeit wird hier vergeudet.", meinte sie und machte am Absatz kehrt. 
"Entschuldige, sie kann manchmal etwas... speziell sein.", schämte sich Tally, die Carl sogar recht sympathisch fand. "Erzählst du mir trotzdem wie dein Vorfahre darauf kam, das einzige Zaubererdorf von Großbritannien zu gründen?"
"Selbstverständlich.", lächelte Carl und erinnerte sich zurück. 

Tally hing an seinen Lippen und horchte gespannt der Historie. Nachdem sich die beiden einige Zeit gut miteinander verstanden haben, sah die ehemalige Gryffindor, wie Nadja gerade den Kerker verließ.
"Ich muss dich leider kurz verlassen. Es war aber sehr nett, dich kennengelernt zu haben.", verabschiedete sich die Hexe. 
Carl lächelte ihr entgegen: "Absolut! Schick mir gerne eine Eule, wenn du noch weitere Hufflepuff- oder Drachen-Geschichten hören möchtest."
Tally nickte: "Das mach ich!"

Sie musste laufen, um mit Nadja Schritt zu halten. Diese war bereits auf halber Höhe draußen auf den Ländereien. 
"Nadja Pritchard, bleib endlich stehen!", schrie Tally ihr entgegen und geschockt drehte sich die Schwarzhaarige um.
"Ruhig. Haben wir uns überhaupt noch etwas zu sagen?"
"Aber sowas von! Carl -"
Nadja verdrehte die Augen. "Was ist mit diesem gegelten Typ?"
"Er ist Hufflepuff!", die Gryffindor strahlte.
Das gefiel der Slytherin aber ganz und gar nicht. "Und mein absolutes Lieblingshaus - nicht. Tally, was ist denn los?"
"Okay, okay. Ich gebe dir noch einen Tipp: Die Legende der Erben von Hogwarts. Macht es jetzt klick?", die Hexe grinste noch breiter.
Doch ihre beste Freundin schüttelte nur den Kopf. "Ich habe viel recherchiert in den letzten Monaten. Diese Legende gibt es nicht. Hör auf an Märchen zu glauben und werde erwachsen." Die Slytherin drehte sich um und disapparierte. Zum Glück hatte Slughorn die Apparieregrenze verschoben für seine Feier. 

Tally seufzte. Sie hatte es wirklich so verdammt satt, dass Nadja immer weglief. Doch irgendwann hatte man keine Kraft mehr, ihr ständig hinterher zu laufen. 
Da Tally nicht aufgeben wollte, ging sie zurück auf die Weihnachtsfeier. Leider traf sie nicht mehr auf Carl, aber sie würde ihm in den nächsten Tagen definitiv eine Eule schicken. 

Deshalb trafen sich die beiden auch auf einen Brunch am Silvestermorgen in Hogsmead. Nach einer kurzen Umarmung zur Begrüßung nahmen die beiden im Lokal Platz. 
"Es freut mich sehr, dass es so kurzfristig noch geklappt hat.", lächelte Tally zufrieden.
Carl stimmte ihr zu. "Du hattest Glück, dass ich über die Feiertage in der Heimat bin. Ansonsten müsste ich mich längst wieder um die Nachzucht des Norwegischen Stachelbuckels kümmern."
Die Hexe grinste. "Das klingt süß, ist es aber wahrscheinlich nicht."
Carl schüttelte den Kopf. "Die Kleinen sind am schlimmsten, da sie auch sehr schnell wachsen. Daher kann ich es kaum erwarten, sie bald wiederzusehen."
"Gib es zu: Du vermisst sie, du kleiner Drachen-Nerd.", Tally kannte ihr giggelndes Selbst kaum wieder, doch irgendwie machte sie dieses Gespräch glücklich. Sie musste nicht an ihre Arbeit, die Zeitreise oder Nadja denken. Alles schien in Ordnung zu sein.
"Sehr. Ich wäre auch gerne bei ihnen, aber ich musste nach acht Jahren mal wieder meiner Familie an Weihnachten beiwohnen.", meinte Carl ehrlich und Tally horchte auf. 
"Verstehst du dich nicht mit ihnen?"
"Es ist alles recht kompliziert, seitdem mein kleiner Bruder nicht nach Hufflepuff kam, als Erster seit Jahrhunderten.", er seufzte. 
"Lass mich raten: Sie geben dir die Schuld?", schlussfolgerte Tally.
"10 Punkte für Gryffindor. Angeblich habe ich ihn verzogen, nur weil ich meinte, er soll auf sein Herz hören. Fast hätten meine Eltern einen Hauswechsel bei Dumbledore angefordert, als Oli nach Gryffindor kam.", Tally musste sich ein Grinsen verkneifen. Das Privileg eines Häuserwechsels hatten anscheinend nur helfende Zeitreisende gehabt. 
"Aber lass uns jetzt lieber über schönere Dinge sprechen. Hast du Lust nachher noch auf Slughorns Silvesterparty zu schauen? Sie scheint viel größer zu sein als die letzten Jahre."
"Kurz mal reingucken kann ja nicht schaden."

Trapped in Time || Hogwarts FanfictionWhere stories live. Discover now