V I E R U N D Z W A N Z I G

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24 || überarbeitet

„Alter, bin ich hässlich!", stelle ich ziemlich unzufrieden fest, als ich mich nach meinem halbstündigen Spaziergang zur Schule im Spiegel vor den Sportumkleiden betrachte. Hinter mir laufen ein paar kleine Hosenscheißer vorbei und fangen an zu tuscheln, als sie mitbekommen, wie hübsch ich mich selbst finde. Einer dieser Rotzlöffel wagt es tatsächlich zu sagen: „Die ist bestimmt so eine Schlampe, die sagt, dass sie hässlich ist, damit es alle anderen abstreiten." Oh kleiner Mann, das hättest du nicht sagen sollen, meine imaginären Krallen fahren sich bereits aus.

Genervt puste ich eine Strähne aus meinem Gesicht und drehe mich langsam um, nur um mich den drei Halbstarken in den Weg zu stellen. „Dir ist wahrscheinlich weder bewusst, dass eine Schlampe nur eine Frau mit den Angewohnheiten eines Mannes ist, noch wie man dieses Wort überhaupt buchstabiert, du Frikadelle." Schockiert schaut mich der Kleine an und versucht einen guten Konter zu finden, wobei ihm seine Anhängsel auch nicht wirklich behilflich sind, da sich diese langsam verpieseln und mich nicht mehr mit ihrer Anwesenheit nerven.

„Willst du noch etwas von mir, oder kann ich mich jetzt weiter bemitleiden?" Ohne auf eine Antwort zu warten wende ich mich wieder meinem Spiegelbild zu, dass inzwischen leider auch nicht schöner geworden ist. Eher das Gegenteil. Dadurch, dass ich mich jetzt auch noch aufregen musste, hat mein Gesicht an einigen Stellen eine unnatürlich rote Farbe angenommen.

Verzweifelt fahre ich mir durch die Haare und hoffe inständig, dadurch etwas verbessern zu können. Doch auch das bringt nichts. Nun hängt meine Hand zwischen ein paar verknoteten Strähnen fest und auch das Gesamtbild ähnelt eher einem Vogelnest.

Ein ohrenbetäubender Schrei durchdringt den Schulflur und bringt mich dazu, grimmig die Hände gegen meine Ohren zu pressen. Dadurch reiße ich zwar ein paar Haare aus meinem Kopf, die sich vor ein paar Sekunden noch lieblich mit meinen Ringen verhakt haben, doch das ist deutlich angenehmer, als dieses widerlich hohe Geräusch, welches die Schule durchdringt. Was ist denn jetzt schon wieder passiert? Als der Schrei endlich nachgelassen hat, gehe ich einen Schritt nach links und versuche zu erkennen, was in ungefähr zehn Meter Entfernung auf dem Boden liegt.

Das ist doch... Reyna. Na super. Die hat mir gerade noch gefehlt.

Auch wenn ich sie nicht ausstehen kann, schultere ich meine Tasche und gehe auf sie zu. Aber extra beeilen muss ich mich deshalb jetzt nicht. Als ich nach ein paar Minuten – da bin ich wohl etwas sehr langsam gelaufen, ups – bei ihr ankomme, liegt sie immernoch tränenüberströmt auf dem Boden und murmelt komische Wörter vor sich hin.

„Hey Reyna..-" Meine Stimme klingt unbeabsichtigt ziemlich gelangweilt. „...was ist passiert?" Sie sieht zu mir hoch und tupft sich mit ihrem Finger die Tränen von der Wange. Holy... nimm doch einfach deinen Ärmel, du Stute. „Mein Fingernagel ist abgebrochen!" Innerlich schlage ich mir gegen den Kopf, weil ich deshalb mit ihr gesprochen habe.

Seufzend begutachte ich die Hand, die sie mir demonstrativ vor die Nase hält. „Ist doch noch alles dran." Da sie sowieso Gelnägel hat, weiß ich nicht, wieso sie so ein Drama daraus macht. „Siehst du nicht, dass hier ein Stück fehlt?", fragt sie aufgebracht und sticht mir mit ihren Krallen fast die Augen aus. „Reyna, das ist höchstens ein Millimeter, der da abgebrochen ist. Meine Güte, deshalb brauchst du doch nicht so rumheulen." Ihre Wimperntusche ist bereits verlaufen und gibt ihr deutliche Ähnlichkeit mit einem Panda.

„Ich lass dich mal alleine. Vielleicht kommt ja jemand vorbei, der noch weniger Gehirn hat, als du, dann könnt ihr zusammen weinen." Ihre Augen weiten sich ein Stück, während sie mich verwirrt mustert. „Wie meinst du das?"

„Machst du das eigentlich mit Absicht?", fragt sie, nachdem ich sie mit hochgezogener Augenbraue ein paar Sekunden begutachtet habe. „Was?" Nun bin ich sichtlich verwirrt. „Na hässlich sein." Ein widerliches Grunzen verlässt ihren Mund, was wahrscheinlich ein Lachen darstellen soll. Das findet sie jetzt nicht im Ernst lustig. „Weißt du, es ist ziemlich niveaulos jemanden aufgrund seines Aussehens zu verurteilen. Vielleicht bin ich ja nicht der hübscheste Mensch der Welt, aber immerhin habe ich Charakter. Und im Gegensatz zu dir weiß ich auch, wie man das Wort buchstabiert." Grinsend stemme ich einen Arm gegen meine Hüfte.

Schnippisch schaut mich meine Mitschülerin von oben - naja eigentlich eher von unten - herab an und öffnet ihre große Klappe. „K-A-R-R-A-C-K-R-T-E!" Ahh ja. Ich muss mir das Lachen wirklich verkneifen. So blöd kann doch kein Mensch sein!

Eigentlich wollte ich nach diesen Eskapaden schon gehen, doch da fällt mir noch eine mehr oder weniger wichtige Sache ein.

„Ach und Reyna, du darfst dich freuen, die Cheerleader müssen jetzt leider ohne mich auskommen, da ich ihnen gekündigt habe. Aber somit besteht für dich ja eine größere Chance, ein Flyer zu werden und meinen Platz einzunehmen." Erstaunt sieht sie mich an, während ihr Mund aufklappt. Aber ich weiß ganz genau, dass sie niemals Flyer werden kann, dafür ist sie viel zu groß und zu schwer. Die Gute hat zwar an allen passenden Stellen Kurven und damit eine ziemlich attraktive Figur, allerdings kommt ihr das beim Sport nicht so oft zu Gute.

„Also dann, man sieht sich." Gespielt eingebildet werfe ich meine Haare über die Schultern und lasse sie auf dem Boden liegen. Hoffentlich kommt jemand, der sie aufkehrt und wegwirft.

Als mein Blick auf die große Uhr in der Aula fällt, bildet sich ein Grinsen auf meinen Lippen. Ich bin nur zwanzig Minuten zu spät. Das heißt kein Nachsitzen.

Voller Elan gehe ich zu meinem Klassenzimmer, reiße ohne Vorwarnung die Tür auf und rufe: „Überraschung!" Die Reaktionen der Schüler aka meines Publikums sind nicht ganz so begeistert, wie ich mir das vorgestellt habe. Trotzdem stelle ich mich vor die Klasse und mache aus Höflichkeit einen Knicks.

Dieser stellt sich jedoch als Fehler heraus, da mein Knie ekelhaft knackt und ich stirnrunzelnd zu meinem Platz humpel. Nicht schon wieder das Knie... Ich werde alt.

„Pyper, darf ich fragen, wieso du zu spät bist?", fragt Mr. Glove von vorne und fuchtelt abwartend mit seiner Hand in der Lust herum. „Ob Sie das dürfen, weiß ich nicht, aber Sie können es ja mal versuchen." Nickend kommt er auf mich zu und hält mir einen Finger vor die Nase. „Also, wieso bist du zu spät gekommen?" „Ich hatte... Sprechdurchfall, tut mir Leid."

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Crazy ThingsWhere stories live. Discover now