Z W A N Z I G

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20 || überarbeitet

Genervt werfe ich einen flüchtigen Blick auf den Himmel und muss zu meinem Entsetzen feststellen, dass dieser mit grauen Wolken übersät ist. „Das darf doch nicht wahr sein!", brülle ich, reiße jedoch sofort meine Hand nach oben und befördere sie an meinen Mund.

„Pyper?", ruft meine Mutter und ich kann mir sehr gut vorstellen weshalb sie mich mit einem genervten „Komm runter, du faule Nudel" zu sich kommandiert.

Ich rolle mich in meinem übergroßen Bett so lange nach links, bis ich mit dem Boden Bekanntschaft mache. Ziel erreicht! Schließlich versuche ich mich etwas anzuspannen und meine Muskeln aufzufordern, meinen Körper wieder in eine senkrechte Position zu bringen. Das klappt auch ganz gut, sodass ich in weniger als zehn Sekunden wieder wie ein normaler Mensch in meinem Zimmer stehe.

Vielleicht sollte ich einen YouTube Channel starten. How to stand up with Pyper. Das ist doch mal eine gute Idee! Dann muss ich mir wenigstens keinen richtigen Beruf zulegen.

Extra langsam - um meine Mutter zu provozieren - bewege ich mich zur Treppe und gehe dann im Tempo einer 90-jährigen Oma mit Rolator die Stufen nach unten.

„Ich dachte Pyper wäre nicht da", vernehme ich eine bekannte Stimme. Seufzend öffne ich die Küchentür und betrete den Raum, in dem meine Mutter am Herd steht und irgendetwas kocht, während River am Tisch sitzt und Gemüse schneidet.

„Was wird das?" Rivers Verrenkungen beim schneiden sehen ungesund aus... was passiert hier?

„River hilft mir beim Kochen!" Meine Mutter geht begeistert zu meinem Nachbarn und drückt ihm einen fetten Schmatzer auf die Wange. Dann wendet sie sich zu mit und wackelt mir den Augenbrauen. Hilfe, wo bin ich hier gelandet?

„Eigentlich wollte ich zu dir", mischt sich das gutaussehende Wesen am Tisch ein, wirft mir einen perversen Blick über seine Schulter zu und hört schließlich auf sich so komisch zu verdrehen.

„Wie wäre es, wenn ihr in dein Zimmer geht bis das Essen fertig ist?", schlägt meine Mutter vor und weiß anscheinend nicht, dass mir das Alleine-Sein mit River nur zu einem gewissen Grad gefällt. Meine Augenbrauen schießen nach oben, während ich meine Mutter anstarre und hoffe, dass sie das nicht ernst meint. Doch noch bevor ich den Mund aufmachen und widersprechen kann, wird meine Hand geschnappt und ich werde nach oben gezogen.

„Ich komme aber nur mit, weil du stärker bist", erkläre ich meinem Nachbarn, der anscheinend noch mehr Muskeln hat, als man durch sein eng anliegendes weißes Shirt sehen kann.

Meine Lieblingsmutter kann aber natürlich wieder nicht nachvollziehen, dass ich jeglichen Kontakt mit allen möglichen Menschen vermeiden will. Man hört sie unten lautstark singen und jubeln. Wir sind intellektuell einfach nicht kompatibel.

In meinem Zimmer schmeißt River sich aufs Bett und legt die Hände hinter seinen Kopf. Holy macarony, wieso muss er nur so gut aussehen. Mit den Worten „Schätzchen, dir fallen gleich die Augen aus dem Hirn!" werde ich aus meiner Traumwelt geschubst und lande wieder unsanft in der Realität.

„Gibt es einen Grund, weshalb du mich gerade so angestarrt hast?", fragt River belustigt. Okay Pyper, denk dir was aus und lass dir nichts anmerken. „Hässliche Menschen faszinieren mich eben." Danke Gehirn, dass du einmal in meinem Leben etwas sinnvolles produzierst.

Er steht elegant vom Bett auf - das will ich auch können... ach papperlapapp, der hat wahrscheinlich einfach nur mein How to stand up with Pyper Video geschaut und kann das deswegen so gut - und kommt frech grinsend auf mich zu. „Du findest mich also hässlich." Seine Augen haben dieses gewisse Funkeln, das meistens nichts Gutes bedeutet. Sein Gesicht kommt meinem gefährlich nahe und plötzlich kann ich nicht mehr denken.

Diagnose: Gehirnausfluss.

Mein Körper bleibt genauso stehen, obwohl ich normalerweise jeglichen Körperkontakt mit anderen Individuen meiner Art vermeiden möchte.

„Dass ich das noch erleben darf. Du bist zum ersten Mal seit ich dich kennengelernt habe sprachlos."

Ein leichtes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, auch wenn ich gerade wie in Trance bin und nichts von dem verstanden habe, was er gesagt hat.

Langsam verschwindet der fröhliche Ausdruck aus Rivers Gesicht und sein Blick wandert zu meinen Lippen.

Okay stopp. Ich will nicht das er mich küsst.

Glaube ich.

Oder?

Auf einmal spüre ich Rivers Lippen auf meinen und gebe einen überraschten Laut von mir.

Doch River scheint das nicht zu kümmern, da er mich weiter zu sich zieht. Mit einem Schmunzeln im Gesicht schiebe ich ihn nach wenigen Sekunden von mir weg. „Du... viel zu viel Nähe, wir kennen uns doch noch gar nicht richtig!" Als ich seinen Gesichtsausdruck sehe, muss ich mir wirklich das Grinsen verkneifen. Seine Lippen sind leicht geöffnet und seine Blick wandert hektisch zwischen meinen Augen hin und her. „Willst du mich verarschen?", fragt er leise. Jegliche Freude ist aus seinem Gesicht verschwunden. 

••• •••

„Also ich muss schon sagen, River wird von Tag zu Tag hübscher. Das kann ich von dir nicht behaupten." Vielen Dank, Rabenmutter. „Immerhin besitze ich Wissen!", erwidere ich wütend und funkle meine Mutter böse an. River kann hässlich werden, aber ich werde immerhin für immer schlau bleiben. Naja, das hoffe ich zumindest.

„Ich kann verstehen wieso er manchmal total überfordert mit dir ist." Sag mal geht's eigetnlich noch? „Ja, weil ich ihm geistig überlegen bin!" Kann sie vielleicht ein Mal in meinem Leben nicht an mir rum meckern.

Und jetzt ist der Moment gekommen, in dem ich mich frage, ob ich vielleicht lieber eine andere Mutter will. Natürlich bin ich dankbar, dass sie sich um mich kümmert, aber ich weiß wirklich nicht, wann sie das letzte Mal etwas Nettes zu mir gesagt hat. Ich glaube ehrlich gesagt, dass sie das noch nie gemacht hat. 

Gerade will ich ihr noch ein Argument gegen den Kopf werfen, da hält sie mir die Hand vor den Mund und deutet mit dem Kopf Richtung Fenster. „Was?", nuschle ich in ihre Hand. „Sei leise, da draußen ist River. Nicht, dass er uns hört." Langsam verlässt ihre Hand wieder mein Gesicht. „Mutter, das Fenster ist zu! Er würde uns nicht einmal hören, wenn wir schreien." Anstatt mir zu antworten, geht sie jedoch auf das Fenster zu und starrt ohne zu blinzeln nach draußen. Wenige Sekunden vergehen, da dreht sich unser Nachbar um und sieht direkt in das spannernde Gesicht meiner Mutter. Sie schielt zu mir rüber und fragt: „Glaubst du er sieht mich?". Am liebsten würde ich die Rolle Küchenpapier auf sie werfen, die neben mir liegt. „Das ist eine sogenannte Glasscheibe, ich glaube ja."

Mit diesen Worten verlasse ich die Küche und gehe wieder nach oben in mein Zimmer. Wieso muss ich nur so eine schräge Familie haben? Womit habe ich das verdient?

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