Kapitel 57

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Früh am nächsten Morgen brach Jessica zur Arbeit auf. „Ich kann mir heute leider nicht frei nehmen! Aber es ist lieb, dass du dich ein wenig um Felix kümmern willst, Anita. Ich glaube, allzu viel Arbeit wird er nicht machen! Lass ihn am besten einfach ausschlafen!“

„Ja, aber er blockiert das Wohnzimmer und ich werde ganz leise fern schauen müssen,“ seufzte Anita. „Gut, dass ich heute nur eine langweilige Vorlesung an der Uni hab. Da muss man nicht hin.....“

„Wenn du meinst,“ sagte Jessica nur. 

Im Grunde war sie doch froh und dankbar, dass ihre Freundin sich ein wenig um den Kranken kümmern würde.

Felix hatte eine unruhige Nacht hinter sich gebracht und war erst vor kurzem eingeschlafen.

Jessica sah noch einmal kurz ins Wohnzimmer, ehe sie aufbrach, um sich um die Zähne ihrer Patienten zu kümmern.

„Er hat im Halbschlaf immer wieder nach einer Emily gefragt! Wer ist das nur? Seine Freundin? Eine Schwester? Ich werde ihn danach fragen, wenn es ihm besser geht. Danach und nach ein paar anderen Dingen,“ dachte Jessica. Es gab da so viele Dinge, die sie nicht verstand.

Felix schlief unterdessen tief und fest. Seine Kopfschmerzen waren, dank der Tabletten, ein wenig erträglicher geworden. Doch als er am Morgen, kurz vor neun Uhr, erwachte, wusste er zuerst nicht so recht, wo er sich befand.

Er lag auf einem bequemen Sofa. Ein weiches Kopfkissen lag unter seinem Kopf und er war mit zwei dicken Wolldecken zugedeckt worden. Es war sehr lange her, seitdem er ein so bequemes Schlaflager gehabt hatte.

Und was trug er da für ein seltsames T-Shirt? Es war gelb und wurde dort tatsächlich ein tanzender Stier abgebildet? Einen Moment blieb Felix liegen, dann setzte er sich auf.

Fast sofort kehrten seine Kopfschmerzen zurück und ihm wurde es fast schwarz vor Augen.

Felix befand sich in einem Wohnzimmer und nun erinnerte er sich wieder, dass Zecke ihn am Vorabend zu Jessica und deren Freundinnen gebracht hatte.

„Er ist einfach abgehauen und hat mich hier gelassen, aber das passt zu ihm,“ dachte Felix und wusste nicht, wie es nun weiter gehen sollte. Hatte Zecke ihm damit einen Gefallen getan? Oder ihn nur los werden wollen?

Er konnte doch nicht hier bleiben. Was war, wenn Jessica und die anderen die Polizei riefen? Diese würden ihn sicherlich nach Hause schaffen und dann würde es ihm so ergehen wie Emily und all den anderen.

Und war Jessica nicht sein seltsames Muttermal aufgefallen? Sein Großvater hatte dies bereits so erschrocken angestarrt. Jedes Mal, wenn er es gesehen hatte, nach dem Baden oder im Sommer, wenn die Kinder in Badehosen durch den Garten liefen, hatte er ihn böse aufgefordert dieses erschreckende Mal zu verdecken.....

Felix hatte seine Eltern nach dem Grund gefragt, aber diese hatten gemeint, dass es einfach nur schlimm aussehen würde und dass sein Großvater so etwas eben nicht mögen würde.

„Aber war das der einzige Grund?“, dachte Felix verunsichert. Diese Frage hatte  er sich bereits häufiger gestellt, aber war dem nie weiter nach gegangen. Immerhin war er bei sämtlichen Fragen, die er stellte, gegen eine Mauer des Schweigens gelaufen. 

Die Tür zum Wohnzimmer öffnete sich und Anita sah hinein. „Ach, schön, du bist wach. Ich wollte ein wenig Fernsehen. Da kommt gleich so eine ulkige Gerichtssendung. Immer wenn ich die gucke überlege ich, ob ich nicht auf Jura umsatteln soll. Die Staatsanwälte und Anwälte sind da immer so niedlich!“, lachte die junge Frau und setzte sich neben Felix auf das Sofa.

Dann schaltete sie mit der Fernbedienung den Fernseher ein und verfolgte die Gerichtsshow in der ein Mann angeklagt war, den Pudel der Nachbarin getreten zu haben, da dieser sein verstecktes Marihuana im Garten, das er für seine Geliebte, die ihren Mann ermordet hatte, dort versteckte, ausgebuddelt hatte.

„Also dieser Hund ist einfach niedlich. Aber sein Frauchen ist schlimm. Die steckt bestimmt hinter dem Mord am Mann der Geliebten. Bestimmt wollte sie den Nachbarn in Wahrheit für sich haben und eigentlich die Frau töten. Hat dann aber aus Versehen den Mann erwischt.....“, fachsimpelte Anita und fügte hinzu: „Aber dieser Nachbar ist ja auch niedlich. Gut, er ist ein Drogendealer und kriminell. Aber niedlich. Erinnert mich irgendwie an so einen gut aussehenden Kerl, der uns vor ein paar Wochen vor einem Dämon gerettet hat. Neulich haben die im Fernsehen übrigens nach jemandem gesucht, der ihm ein wenig ähnlich sah.....“

Felix nickte, obwohl er nur die Hälfte von dem mit bekam, was Anita erzählte. Die Gerichtsshow interessierte ihn nicht sonderlich.

„Ihr ruft doch nicht die Polizei, oder? Wenn ja, dann gehe ich jetzt. Dann habt ihr nichts mehr mit mir zu tun!“, platzte es mit einem Mal aus ihm heraus.

Anita schüttelte den Kopf. „Nein, keine Angst. Wir rufen nicht die Polizei. Obwohl, von so einem Beamten wie dem aus der Gerichtssendung würde ich mich gerne mal verhaften lassen....aber Spaß beiseite, du kannst in Ruhe hier bleiben und dich erholen. Christine bringt dir nach der Uni übrigens ein paar neue Klamotten mit. Deine alte Hose hatte einige Löcher und beim Waschen, ich hab die vorhin aus der Maschine geholt, sind die weiter aufgerissen. Dein T-Shirt kannst du auch vergessen.“

„Das kann ich nicht annehmen! Ich kann die alten Sachen ruhig noch anziehen,“ wehrte Felix ab, aber Anita schüttelte den Kopf. 

„Junge, wenn du in solchen Sachen herum läufst, dann wirst du keine Freundin finden. Ich weiß wovon ich spreche, ich achte bei Männern immer auf ein gepflegtes Äußeres! Und weißt du was, ich lass dir jetzt ein Bad ein. In der Apotheke haben die mir neulich so ein Erkältungsbad mitgegeben, das Zeug mach ich dir ins Wasser. Dann badest du und wäschst dir vor allem mal die Haare!“

Felix protestierte, aber kurz darauf ergriff Anita einfach seine Hand und zog ihn hinter sich her ins Badezimmer.

Eigentlich fühlte er sich nicht gut genug für ein Bad, aber als er dann im warmen Wasser der Wanne saß entspannte er sich allmählich ein wenig.

Eigentlich war die Idee, sich einmal die Haare zu waschen und gründlich zu baden nicht die schlechteste.

Im Anschluss an das Bad trocknete Felix sich ab, schlüpfte wieder in Dieters Stier-T-Shrit und eine graue Jogginghose von Christine. 

Felix dankte dem Himmel, dass diese Stoffhose nicht zu sehr nach Mädchenkleidung aussah, obwohl er momentan nicht in der Situation war, um wählerisch zu sein.

Felix griff nach einem Fön, um sich die Haare zu fönen, doch mit einem Mal wurde es ihm schwindelig und er musste sich an der Wand fest halten. 

Als er sich von dem Schwindelanfall ein wenig erholt hatte, schleppte Felix sich ins Wohnzimmer auf das Sofa zurück und Anita sah ihn missbilligend an. „Mit dem nassen Haar wirst du direkt wieder krank. Ich fön dir die mal.

Felix protestierte, aber Anita ließ keine Widerrede durchgehen. Kurz darauf schrie Felix gequält auf, als Anita versuchte, mit der Bürste durch sein Haar zu kommen. „Aua!“

„Also deine Haare sind eine einzige verfilzte und verknotete Katastrophe!Ekelhaft! Da hilft es eigentlich nur noch, wenn wir die radikal alle abschneiden! Weg damit! Wenigstens ist diese Farbe zum Teil raus gekommen und du siehst ein wenig aus wie ein menschliches Wesen und nicht mehr, als würdest du regelmäßig im Müll übernachten!“, klagte Anita und zog noch mal kräftig mit der Bürste an Felix Haaren. Ein kleines Büschel blieb dabei hängen.

„Bist du immer so direkt?“, fragte Felix und hustete mit schmerzverzerrtem Gesicht.

„Natürlich bin ich immer so direkt. Was soll man den Leuten Dinge vor heucheln? Ich finde dein Haar abscheulich, aber nicht hoffnungslos. Lass mich das ganze Mal eine Stunde mit meiner Bürste bearbeiten, dann kommen wir ums Abschneiden vielleicht doch noch herum!“,“ antwortete Anita und reichte Felix, dessen Nase wieder lief, ein Taschentuch.

„Wenigstens sind sie jetzt trocken. Und du siehst noch immer hundeelend aus. Schlaf besser noch was, ich nehme mir die Haare ein andermal vor,“ sagte Anita mit einem Mal mitleidig und fügte hinzu: „Du wirst einmal richtig niedlich aussehen, wenn ich mit dir fertig bin!“

„Niedlich? Ich will nicht niedlich sein,“ beschwerte sich Felix aber Anita grinste und reichte ihm die Wolldecke.

Felix kroch unter die Decke und schloss die Augen. Kurz darauf war er eingeschlafen, während Anita sich eine Talkshow zum Thema: „Hilfe, mein Freund liebt meine große Schwester und geht dauernd mit meiner besten Freundin fremd,“ ansah.

Dämonische Statuen  Jessicas GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt