Kapitel 119

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Felix stand ein wenig unsicher mit seinem Blumenstrauß vor der Küchentür, hinter der Jessica das Mittagessen vorbereitete. An diesem Tag lag die Aufgabe der Essenszubereitung bei ihr. Sollte er wirklich hinein gehen und ihr den Strauß schenken?

Mit einem Mal verließ ihn der Mut.

Was geschah, wenn sie ihn einfach auslachte oder schlimmer noch, mitleidig ansah? Würde er damit zurecht kommen?

„Ich will mich nicht lächerlich machen....,“ dachte er, als sich die Tür öffnete und Jessica hinaus kam. „Felix? Willst du rein?“

Er nickte und ihr Blick fiel auf den Blumenstrauß. „Der ist aber schön! Ich mag Krokusse. Eine nette Idee, das Haus ein wenig zu schmücken. Unter der Spüle sind kleine und große Vasen. Stell die Blümchen doch ins Wasser....“

„Sie denkt, ich hätte sie für uns alle gepflückt, um den Tisch zu verschönern,“ dachte Felix.

Aber brachte ihn diese Möglichkeit nicht um eine peinliche Situation herum? Wäre es nicht das Beste, die Blumen ins Wasser zu stellen und einfach den Mund zu halten, statt sich eine Abfuhr zu holen und ihre freundschaftliche Beziehung zu belasten?

Trotzdem beschloss Felix, seinen Mut zusammen zu nehmen. „Die Blumen sind...für dich!“

Jessica zuckte zusammen und sie wusste nicht, ob sie sich über diese Überraschung wirklich freuen sollte. Felix schenkte ihr Blumen...

Für einen Augenblick versuchte sie sich einzureden, dass er dies nur tat, um sich bei ihr zu bedanken. Dafür, dass sie diejenige war, der er es gewissermaßen zu verdanken hatte, Aufnahme in die WG gefunden zu haben.

Dass er dankbar für ihre Hilfe bei den Zwillingen und ihren Dämonen, denen er und Andy um ein Haar zum Opfer gefallen wären, war.

Aber sie wusste, dass dies nicht der wahre Grund war.

Sie nahm die Blumen entgegen. „Danke, Felix....das ist wirklich sehr nett von dir. Aber....ich hoffe, du machst dir keine falschen Hoffnungen. Du weißt schon, was ich meine...“

„Sind es falsche Hoffnungen?“, fragte er leise und sie nickte schnell. „Ja, es wäre verkehrt....ich mag dich ja, aber...“

Felix zwang sich zu einem Lächeln, das ein wenig zittrig geriet. „Nun, einen Versuch war es immerhin wert....aber es bleibt unter uns, ja?“

Jessica nickte zustimmend. Natürlich würde sie diese, für Felix peinliche Situation, für sich behalten.

„Ich erzähle es niemandem. Und es ist ja auch nichts Schlimmes geschehen. Du hast nichts verkehrt gemacht. Aber ich empfinde einfach nicht das für dich, was du dir wahrscheinlich wünschst.“

Ein wenig unsicher wandte sich Jessica, nachdem sie Felix noch einmal ein bedauerndes Lächeln geschenkt hatte, von diesem ab.

Felix hingegen begab sich in sein Zimmer, zu seinem Glück war Andy nicht anwesend, dieser saß, gemeinsam mit Mark und Christian vor dem Fernseher.

Gesellschaft hätte Felix im Augenblick nicht um sich haben wollen, er wollte allein sein und über seine Niederlage nachdenken. Im Grunde hatte er doch bereits damit gerechnet. Trotzdem, war es den Versuch nicht wirklich wert gewesen? Und wusste er nun nicht wenigstens endgültig, woran er war?

„Ich bin ihr wahrscheinlich zu jung. Ich wüsste gerne, wie es wäre, wenn ich vier Jahre älter wäre.....liegt es wirklich nur daran?“, grübelte Felix, entschloss sich aber, auch wenn es ihm schwer fiel, Jessicas ablehnende Entscheidung zu akzeptieren.

Was blieb ihm auch anderes übrig? Sollte er sich wie ein schmollendes Kleinkind in sein Zimmer verziehen und ihr aus dem Weg gehen?

„Wenigstens hat es niemand mitgekriegt,“ dachte Felix und schlug mit der Faust auf sein Kopfkissen. Trotz aller Vernunft, mit der er über Jessicas Ablehnung nachdachte, wollte er zumindest für eine Weile allein sein und sich unglücklich fühlen dürfen.

„Ist doch alles Mist, irgendwie,“ dachte er frustriert. Lief im Augenblick denn wirklich alles schief?

Jessica hatte, ebenso wie Felix, nicht am gemeinsamen Mittagessen teilgenommen und sich in Anitas und Dieters Zimmer zurück gezogen. Auch sie wollte einen Augenblick allein sein und sie stöhnte innerlich auf, als Anita den Raum betrat.

Auf die meist flapsigen Bemerkungen der Freundin konnte sie im Augenblick sehr gut verzichten, aber Anita kannte kein Erbarmen und setzte sich neben sie aufs Bett. „Also deine Nudeln waren sehr lecker. Dieter hat jetzt Magenschmerzen....“

„Dann können sie ja nicht wirklich gut gewesen sein!“, antwortete Jessica stirnrunzelnd. „Wenn er doch Magenschmerzen davon bekommen hat....“

Anita lachte. „Er hat darum Magenschmerzen, weil er vier Portionen verdrückt hat. So gut haben sie halt geschmeckt!“

Jessica ging nicht auf Anitas Bemerkung ein. Dieters Magen interessierte sie mit einem  Mal nicht mehr so sonderlich.

Die andere junge Frau schüttelte missbilligend den Kopf. „Du hockst in meinem Zimmer, Felix in seinem. Habt ihr beiden euch gestritten?“

Jessica antwortete nicht, sondern nahm statt dessen Anitas Kopfkissen und drückte es an sich. Schließlich rang sie sich doch noch zu einem fast schon trotzig klingenden „Nein“ durch.

Sie kam sich mit einem Mal sehr kindisch vor, was auch Anita nicht entging. „Sag mal, erlebst du gerade einen Rückfall in die schlimmste Phase deiner Pubertät? Nun, ich bin nicht deine Mutter und mich musst du nicht anpampen! Also heraus mit der Sprache, was ist los. Sag es, oder ich frage Felix!“

Jessica gab sich schließlich einen Ruck. „Felix...hat mir vorhin ein paar Blumen geschenkt.“

Anita lachte erleichtert auf. „Und ich hatte schon Angst, es wäre was Schlimmes. Ein neuer Dämon oder so. Statt dessen hat dir ein junger Mann Blumen geschenkt. Dass ist doch lieb von ihm! Aber ich hab dir ja schon früher gesagt, dass der Kleine bis über beide Ohren verliebt in dich ist. Sei es, weil er in dir einen Schwesterersatz sieht...“

„Sieht er nicht!“, antwortete Jessica. „Er sieht ganz sicher keinen Schwester in mir, sondern....“

„Sondern eine hübsche junge Frau, in die sich ein junger Mann verlieben kann. Nun, warum auch nicht? So ungewöhnlich ist das doch nicht!“, stellte Anita mit einem Grinsen fest, seufzte dann aber übertrieben.

„Aber ich fürchte, er muss sich mit einem Fall von unerwiderter Liebe herum schlagen. Armer Felix. Dass er in seinem Zimmer hockt verstehe ich da irgendwie auch. Aber eins verstehe ich nicht!“

„Was denn?“, fragte Jessica und wunderte sich wieder einmal, wie sehr die meist so oberflächlich wirkende Anita über einige Dinge Bescheid wusste.

Die andere junge Frau lächelte und drückte Jessicas Hand. „Ich sagte gerade, dass es verständlich ist, dass Felix in seinem Zimmer hockt und Trübsal bläst. Aber die Frage ist, warum bist du so schlecht drauf? Du bist doch nicht die, die abgewiesen worden ist, sondern du bist die, die ihn hat abblitzen lassen. Da müsstest du doch eigentlich besser drauf sein. Du hast einen lästigen Verehrer abgewimmelt und ihm was klar gemacht. Und er scheint es sogar zu kapieren.“

Jessica nickte schweigend. Ja, so gesehen hatte sie doch nichts verloren. Warum vergrub sie sich also im Schlafzimmer ihrer Mitbewohnerin und drückte ein Kissen an sich? Sie hatte doch keinen Grund dazu....

„Bist du dir sicher, dass Felix so gar keine Chance bei dir hat? Dass du, wenn du alle Hindernisgründe wie sein Alter und diese Auserwähltensache mal beiseite lässt, nicht doch was für ihn empfinden könntest?“, erkundigte sich Anita und konnte sich einen kleinen Scherz nicht verkneifen.

„Gut, da ist noch sein buntes Haar, auch wenn das mittlerweile fast alles raus gewachsen ist. Das ist natürlich ein Hindernisgrund....“

„Seine Haarfarbe ist mir egal. Sein Alter wäre es vielleicht auch. Wenn ich es nicht wüsste, würde ich ihn beispielsweise für weitaus weniger.....kindisch als Andy halten. Aber...diese Dämonenjägersache...ich hatte das schon mal....nein, es gibt keine Chance!“, stellte Jessica entschieden fest. „Ich mag ihn. Aber eine Beziehung...wird es nicht geben....“

Anita zuckte die Achseln. „Also Felix hast du vielleicht überzeugt, dich selbst auch. Mich aber nicht....“

Anita stand auf, tätschelte vorher noch einmal Jessicas Bein und verließ dann gut gelaunt das Zimmer.

Dämonische Statuen  Jessicas GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt