Kapitel 52

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Zecke kauerte unter der Brücke. Neben ihm lag ein Obdachloser und schlief seinen Rausch aus. Leider war die Bierflasche, die neben dem Mann lag, bis auf den letzten Rest leer getrunken. Dies hatte Zecke bereits überprüft.

„Mist, nichts zu trinken und dieses Dämonending wird mich am Ende noch erwischen! Was meinte Ratte eigentlich damit dass es mich zu sich rufen kann? Woher weiß der das überhaupt? Der hat doch ein Spießerluxusleben geführt! Von wirklichen Dingen hat der arme Kleine doch gar keine Ahnung!“, dachte Zecke und erinnerte sich daran, wie er seinen Begleiter im Sommer des vergangenen Jahres das erste Mal unter eben dieser Brücke hier getroffen hatte.

Zecke hatte einen Platz zum Schlafen gesucht und es war ihm zu weit gewesen, bis zu den Abrisshäusern zu gehen. Aus dem Park hatten die Herren in Grün ihn mal wieder vertreiben. Also blieb nur diese Brücke. Dort war es einigermaßen bequem, der Boden war eben und bei warmen Wetter und mit einer guten Dose Bier würde es schon gehen.

Doch Zecke wollte es sich gerade bequem machen und Steine nach Enten, die auf einem nahen kleinen Bach vorbei schwammen, werfen, als er ein Schniefen hörte. 

Er drehte sich um und sah im Halbdunkeln einen Jungen mit roten Augen sitzen. Er putzte sich gerade die Nase. Hatte der etwa geheult? Sein Gesicht war leichenblass und er trug eine Markenjeans, die ein wenig zerrissen war, aber sicherlich einmal jede Menge Kohle gekostet hatte. Das gleiche galt für sein T-Shirt.

Verächtlich hatte Zecke den Bengel angesehen. „Was hast du hier zu suchen, du Wohlstandsblag? Geh gefälligst nach Hause zu deiner Mama! Oder hör mit der Flennerei auf, sonst werde ich ungemütlich!“

Der Junge hatte sich zu Tode erschrocken und tatsächlich Anstalten gemacht, fort zu gehen. Doch da war Zecke zu dem Schluss gekommen, dass er ein wenig Gesellschaft gebrauchen konnte. Einfach nur Enten ärgern war auf die Dauer zu langweilig.

„Kannst hier bleiben! Ich geb dir sogar was von meinem Bier ab! Aber nur eine halbe Dose, mehr gibt es nicht. Und ich hab noch zwei Bananan! Eine halbe kannst du haben!“

Er hatte dem Jungen die Hälfte der geschälten Frucht vor die Füße geworfen und dieser hatte tatsächlich die dreckige Banane kurz an seinem Shirt abgewaschen und dann gegessen. 

„Hast wohl schon länger nichts mehr zwischen die Zähne bekommen, was? Von wo kommst du denn?“

Doch da hatte der Junge geschwiegen und Zecke hatte schließlich die Achseln gezuckt. „Dann sag es halt nicht! Interessiert mich sowieso nicht wirklich. Du bist ein Spießer, das sehe ich dir sofort an! Wer auf der Straße lebt, hat eine gute Menschenkenntnis! Du weißt nicht, wie gefährlich das Leben sein kann....“

„Doch, das weiß ich,“ hatte der Junge geantwortet und Zecke hatte gelacht. „Du weißt das? Woher denn? Von deinem Leben im Luxus? Bestimmt hast du zu Hause tolle Eltern, ein Zimmer mit allem drum und dran und bist nur weg gelaufen, weil du eine Sechs in Mathe hattest! Hast du es gut! Deine Probleme will ich mal haben!“

„Glaube ich nicht,“ hatte der Junge gesagt und ausgesehen, als würde er jeden Augenblick zu heulen anfangen.

„Jetzt flenn bloß nicht schon wieder! Wie heißt du eigentlich? Ich bin Zecke!“, hatte er gesagt. Erst viel später hatte er dem anderen seinen wirklichen Namen, Toni, anvertraut.

Dann schien dieser kleine Bengel tatsächlich einen Augenblick zu überlegen, wie er hieß. 

„Weißt du deinen eigenen Namen nicht? Ich glaube, du bist ein wenig blöd! Mit dir gebe ich mich besser gar nicht ab! Jetzt sag schon wie du heißt! Und wenn Zecke was fragt, dann will Zecke eine Antwort!“

„Ich heiße....Felix!“, hatte der Junge leise geantwortet und zufrieden hatte Zecke genickt. „Na also, geht doch!“

Ob es sich bei Felix um den wirklichen Namen des Bengels, der höchstens fünfzehn Jahre alt war, handelte, bezweifelte Zecke. Doch immerhin hatte er nun einen Namen, mit dem er den anderen rufen konnte.

Irgendwie war der Kleine bei ihm hängen geblieben und nach und nach hatte Zecke sich an ihn gewöhnt. 

Er hatte ihn dazu gebracht, sein Äußeres zu verändern, sein Haar wachsen zu lassen, es zu färben und sich wenigstens ein Ohrloch stechen zu lassen. 

Zu einem Lippenpiercing hatte Felix sich auch bewegen lassen, doch dieser Wehleidling hatte es entfernt, als seine Lippe sich entzündete und zu eitern begann. Dann hatte ein Mädchen, das sie gelegentlich im Park trafen, ihm eine alte Ratte geschenkt. An der hatte Felix gehangen und den Namen „Ratte“ eingebracht. Eine Zeitlang war Felix nachts unruhig aus dem Schlaf aufgeschreckt und hatte sich suchend nach einer Emily umgesehen. Wer war Emily? Darauf erhielt Zecke nie eine Antwort. Doch mit der Zeit waren die unruhigen Nächte, sofern Zecke sie überhaupt mitbekam, weniger geworden und er konnte in Ruhe schlafen.

„Eigentlich schlägt Ratte sich ja recht tapfer. Nur diese blöde Spießertussi, mit der er neuerdings schon mal Kontakt hat, stört. Was will er von der? Die wird aus ihm nur wieder einen Trottel machen, der bei den Spießern lebt,“ dachte Zecke.

Felix würde wieder in die Welt der Langweiler zurück kehren und er würde allein zurück bleiben.....

Zecke fühlte sich mit einem Mal sehr unruhig.

„Ich muss zu diesem Abrisshaus gehen! Die Statue wartet auf mich,“ dachte er erschrocken. „Ich muss da hin! Sie ruft mich!“

Hilfesuchend sah Zecke zu dem Obdachlosen neben sich, doch dieser schlief tief und fest und von ihm war sicherlich keinerlei Hilfe zu erwarten....

Dämonische Statuen  Jessicas GeschichteWhere stories live. Discover now