Kapitel 7.5

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Yahiko


Als wir wieder in dem Gang unter unserem Wolkenkratzer ankommen, dämmert es draußen bereits. Fahles Licht dringt wie Nebel durch die Holzlatten über unseren Köpfen und erinnert uns daran, wie lang wir dafür gebraucht haben, einen Eingang in das Labyrinth zu finden.

„Worauf wartest du?", fragt Sarah mich von weiter hinten im Gang und ich werde aus meinen Gedanken gerissen. Ich kann ihre Umrisse von hieraus kaum erkennen, doch ich bin sicher, dass Taios Arm noch immer über ihrer Schulter liegt. Vermutlich tut ihr von seinem Gewicht die Schulter weh, doch sie hat sich den Weg über kein einziges Mal beklagt. Und vermutlich hätte sie mir die Augen ausgestochen, hätte ich versucht ihr zu helfen.

Ich kann mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen, ehe ich mich strecke und die Klappe über unseren Köpfen zur Seite wuchte.


„Wo seid ihr denn so lang gewesen?", kommt Misa schon die Treppe heruntergerannt, noch ehe ich ganz hinaufgeklettert bin. Ohne auf ihre nervige Frage einzugehen, drehe ich mich um und strecke die Arme nach Amelie aus, um ihr ebenfalls herauf zu helfen.

„Das ist eine längere Geschichte", meint diese als sie oben ist und sieht sich um. „Ist Eren wieder da?", fragt sie und ich meine eine Spur von Misstrauen in ihrer Stimme zu erkennen.

„Nein", antwortet Misa etwas unsicher und ich vermute, dass ihre großen Puppen-Augen sich weiten, als sie sieht, wie Sarah und ich den verletzten Taio heraufziehen.
„Oh Gott, was ist passiert?", höre ich sie im selben Augenblick aufkreischen und verdrehe die Augen. Taio hält sich den Kopf.

„Wir sind in einen Kampf geraten", erklärt Sarah schlicht, während sie die Klappe verschließt. „Er wird es überleben – aber am besten sollte er sich ausruhen", ordnet sie an und Misa nickt eifrig. „Du kannst meine Jacke als Kissen haben", plappert sie erneut drauf los und beginnt die Treppe hochzulaufen.


Kurz darauf sind wir alle oben angekommen und in einem Raum versammelt. Misa hat tatsächlich bereits alle Stoffstücke, die sie finden konnte, zu einem Kissen aufgetürmt und Taio murmelt ein „Danke", das an niemanden Bestimmtes gerichtet zu sein scheint.

Dann kommt Finn herein und läuft ohne Innezuhalten auf Amelie zu, sein Gesichtsausdruck besorgt.
„Alles in Ordnung?", fragt er sie und nimmt vorsichtig ihre Hand in seine. „Klar", meint Amelie schulterzuckend, doch Finn lässt sie nicht los und öffnet ihre Handfläche. Zwei tiefe, blutverkrustete Schnitte ziehen sich quer darüber, die mir bis eben gar nicht aufgefallen sind.

„Ich habe mich mit dem Deckel einer Blechdose verteidigen wollen", gesteht sie leicht verlegen und Finns Augenbrauen rutschen nach oben. „Warum das?", er dreht sich zu Sarah um. „Und warum seid ihr alle zusammen zurückgekommen?", sein Tonfall ist anklagend, misstrauisch und für meinen Geschmack eine Spur zu arrogant.

„Sei froh, dass wir da waren, Romeo", kann ich mir einen Kommentar nicht verkneifen. „Wer weiß, was ihr sonst passiert wäre."
„Warum ihr in unserem Gebiet ward ist aber eine berechtigte Frage", antwortet Amelie ruhig, „auch wenn ich wirklich dankbar dafür bin." Da hat sie allerdings Recht. Und seltsamerweise richten sich bei ihrer Frage nicht gleich alle Abwehrmechanismen auf – was bei Finn sicher der Fall gewesen wäre.


„Dann sollten wir auch dringend klären, wie zur Hölle du einen Pfeil zu Kleinholz verarbeiten konntest, ohne ihn zu berühren", schießt Sarah zurück und läuft weiter in den Raum hinein, um sich dort auf den Boden zu setzen. „Wie sie - was?", wirbelt Finn zu Amelie herum und taxiert sie. „Du bist von einem Pfeil getroffen worden?"

„Eben nicht", erklärt Sarah, als würde sie mit einem Dreijährigen sprechen. Ich verschränke die Arme vor der Brust und beobachte sie dabei. Wie ihre Augen wütend funkeln und ihre Haare über ihre Schultern fliegen, als sie sich ruckartig zu Misa umdreht, um auf deren Aussage zu antworten.


„Du magst sie, oder?", fragt eine leise, dunkle Stimme plötzlich und ich zucke zusammen, als Eren auf einmal dicht hinter mir steht. Ich drehe mich zu ihm um und versuche seinen Gesichtsausdruck zu deuten, jedoch ohne Erfolg. Ist er eifersüchtig? Oder herablassend?
Ich folge seinem Blick noch einen Moment zu Sarah, dann stoße ich mich von der Wand neben der Tür ab, an der ich bis jetzt gelehnt habe, und antworte ebenso ruhig: „Du etwa nicht?". Darauf weiß er anscheinend keine Antwort, denn anstatt groß zu reagieren, lächelt er nur für einen Sekundenbruchteil und läuft dann auf die andren zu, sodass diese ihn ebenfalls bemerken. Ich mustere ihn von hinten.

Eren ist groß, seine Schultern gerade und trainiert, die dunklen Haare kurz geschnitten. Er strahlt Ruhe aus und ich sehe Sarah schon von hieraus an, wie verunsichert sie in seiner Gegenwart auf einmal ist. Sie hat sich noch nicht so ganz entschieden, wie sie sich ihm gegenüber verhalten soll, doch das Misstrauen wird sie bestimmt nicht ablegen.
„Na wunderbar", sagt sie ironisch und springt von ihrem Platz auf. „Dann kann die Fragerunde jetzt ja beginnen."

Innerlich grinse ich bereits bei dem Gedanken daran, was sie ihm alle an den Kopf werfen könnte, während ich mich zu ihnen geselle.

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Huch - zwischen dem letzten Kapitel und diesem sind ja nur Wochen anstatt Monate vergangen? :o ;P
Und es kommt sogar noch besser: wenn ihr wollt, kann ich morgen gleich das nächste Kapitel hochladen ^^ diesmal aus Sarahs Sicht und länger als dieses hier ;D

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