Kapitel 5.2

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Sarah


Vermutlich ist das hier das einzige Lebensmittellager im ganzen Spiel.Wer nicht verhungern will, der muss jedes Mal an diesen Ort zurückkehren. Undsomit geschwächt das hohe Risiko eingehen, auf einen Haufen Gegner zu stoßen.



Yahiko dreht sich zu mir um und sieht mich fragend an, als ich immer noch in meiner Schockstarre gefangen auf den Lebensmittelberg starre. Brot und Wasser, Wurst, Käse, Obst, Fleisch, sogar Kekse gibt es hier. Und alles ist fein säuberlich zu einer Art Pyramide angeordnet, die mich an die Anordnungen der Obsthändler auf dem Markt in unserem Dorf erinnert. Eine Anordnung, die in sich zusammenfällt, wenn man an der falschen Stelle etwas herauszieht.


„Alles in Ordnung?", fragt Yahiko, während er das Papier einer bunt bedruckte Packung Kräcker aufreißt. Dann hebt er mir einen davon hin. „Du hast doch selbst gesagt, dass du Hunger hast."


Ich schlucke, dann nehme ich Yahiko den Kräcker aus der Hand und starre ihn an, als hätte ich noch nie in meinem Leben etwas Essbares gesehen. Mein Magen grummelt. „Yahiko?", meine Stimme hat einen besorgten Unterton, was ihn innehalten lässt. Jetzt habe ich seine ganze Aufmerksamkeit.


„Was, wenn alle Spieler hierherkommen müssen, wenn sie Hunger haben?" Ich sehe ihm das Ausmaß meiner Gedanken im Gesicht an, als er es begreift. Er wird blass, die Augen ein kleinwenig größer und einen Sekundenbruchteil später kneift er die Lippen zu einer harten Linie zusammen. „Vielleicht gibt es sogar noch ein Lager. Mit Waffen."


Die Vorstellung lässt mich die Augenbrauen zusammenkneifen. Das wäre ein Ort des Kampfes. Jeder, der neu dazu käme, wäre im Nachteil, da die Leute im Lager bereits bewaffnet wären. Dass die Spielleiter so etwas entstehen lassen, glaube ich nicht, und will ich nicht glauben. Ich schüttle entschlossen den Kopf.


„Wir sollten sehen, dass wir hier wegkommen. Es wird nicht lange dauern, bis die nächsten Spieler auftauchen."


„Aber wir können nicht viel mitnehmen", gibt Yahiko zu bedenken und deutet damit an, dass wir hier essen sollten. Ich bin nicht sicher, ob ich seine Meinung teile. „Hier vorne bleibe ich nicht."


Yahiko nickt; er versteht, was ich meine und folgt mir aus dem Raum in den hinteren Teil des Hauses. Bevor ich durch den Türrahmen in den nächsten Raum gehe, lasse ich jedoch noch einen Apfel und ein Stück Käse mitgehen. Im selben Moment höre ich Schritte auf der Gasse.


„Scheiße", zische ich, während ich mit Yahiko an meiner Seite um die nächste Ecke hetze. Dabei stoße ich mit meinem Ellenbogen im letzten Moment an einen weiteren Apfel, der sich löst und in den Raum hinein rollt. Fluchend lasse ich den Apfel Apfel sein und renne hinter Yahiko her den Flur hinunter.


An der anderen Seite angekommen schlüpfen wir in einen Raum, dessen einziges Fenster auf die Hauptstraße hinaus zeigt. Wir haben diesen Ort bis jetzt gemieden, uns immer nur an den Rückseiten der Häuser entlang durch kleinere Gassen fortbewegt.


Einen Moment später geht die Hintertür auf der anderen Hausseite auf, durch die auch wir gekommen sind. Yahiko und ich verhalten uns mucksmäuschenstill. Ich traue mich kaum zu atmen, obwohl wir viel zu weit weg sind, als dass sie uns hören könnten. Gleichzeitig plappern sie die ganze Zeit. Ich verdrehe innerlich die Augen. Wie naiv und unachtsam kann man denn eigentlich sein? Hier drin hätte sonst wer auf sie warten können – oder eben wir.

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