Kapitel 5.4

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Sarah


„Wenn du dir sicher bist, dann müssen wir umkehren. Wir müssen herausfinden, was das gewesen ist."
Ich sehe ihn erstaunt an und ein leichtes Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Er glaubt mir vielleicht nicht, aber er versucht es. Und wir werden herausfinden, was das gewesen ist. Denn wenn Search eins hat, dann sind es Rätsel, die gelöst werden wollen. Ich glaube, dass wir sonst niemals das Ziel erreichen werden.
Augenblicklich leuchtet eine grelle 1 in meinem Kopf auf.


Ich schüttle leicht verwirrt den Kopf, bis die Zahl wieder verblasst ist und ich die Pflastersteine vor mir wieder klar erkennen kann. Was zur Hölle war das denn?!
„Alles klar?", fragt Yahiko auch prompt und ich sehe zu ihm hoch. „Ja. Ja, du hast Recht, wir sollten ihnen folgen, bevor es zu spät ist."


„Okay...", Yahiko schaut immer noch etwas besorgt, was mir nicht wirklich in den Kram passt, sondern mir im Gegenteil sogar ziemlich widerstrebt. Anscheinend sehe ich so mitleidserregend aus, dass sogar er, der „möchtegern-draufgänger-Macho" sich um mich kümmern will. Ich richte mich auf, straffe die Schultern und setze einen möglichst emotionslosen Gesichtsausdruck auf, ehe ich in die Richtung der Straßenecke nicke, aus der wir gekommen sind. „Komm, sonst sind sie weg", sage ich bestimmt und laufe los, ohne auf seine Reaktion zu warten. Der Moment der Schwäche ist vorbei, und dass er mich schon wieder so gesehen hat, darf auf keinen Fall einen falschen Eindruck erwecken.


Noch ehe ich das Ende der Gasse erreicht habe, spüre ich Yahikos Hand auf meinem Arm. „Weißt du überhaupt noch, wo wir hergekommen sind?", fragt er mich in einem provokativen Tonfall, der mich dazu veranlasst, die Augenbraue hochzuziehen. Ist das sein Ernst? Aber anscheinend hat er verstanden, dass die sentimentalen Ausbrüche für heute vorbei sind und ist ebenfalls zu seiner eher aufgesetzten Persönlichkeit zurückgekehrt. Vielleicht sind wir uns in manchen Punkten doch gar nicht so unähnlich...


Ich bedenke ihn mit einem spöttischen Blick und er lacht, ehe er vorausgeht. Und wenn ich ehrlich bin, war ich mir wirklich nicht mehr zu 100% sicher, ob wir vorhin nicht doch von rechts gekommen sind... Aber das muss er ja nicht unbedingt wissen.


Yahiko führt uns mit erstaunlicher Entschlossenheit und ohne auch nur eine Sekunde zu zögern zurück zu dem Haus mit den Lebensmittelvorräten, wobei er nicht den Weg über die Hauptstraße wählt, sondern uns zum Hintereingang dirigiert. Er scheint in seinem Kopf eine Straßenkarte generiert zu haben, der er jetzt nur zu folgen braucht. Eine Häuserecke bevor wir das Lebensmittellager erreichen, bleibt er stehen und gibt mir ein Zeichen, es ihm gleich zu tun.
Nachdem er sich vergewissert hat, dass die Luft rein ist, dreht er sich zu mir um. „Ich werde nachsehen, ob sie noch drin sind. Du wartest hier, damit sie uns im Ernstfall nicht beide erwischen."


Und noch bevor ich ihm meine Antwort – wie dumm das Ganze ist, dass er allein viel leichter zu überrumpeln ist und dass ich hier maximal unnütz bin – entgegenschleudern kann, ist er bereits um die Ecke verschwunden. Ich stoße die Luft zwischen den Zähnen hervor und lasse die Schultern sacken. Yahiko raubt mir noch den letzten Nerv.


Ich sehe kurz hinter mich – der Verfolgungswahn ist in Search einfach nicht mehr abzulegen – ehe ich um die Straßenecke linse und beobachte, was passiert. Sollte Yahiko Hilfe brauchen, werde ich ihm hier nichts nützen und ich werde bestimmt nicht hier sitzen und mein Chance vertun, meine Schuld bei ihm zu begleichen. Er hat mir das Leben gerettet, als dieser Kerl mich beinahe mit dem Messer aufgespießt und an die Wand genagelt hätte wie ein wahnsinnig gewordener Wissenschaftler, der ein Insekt zu seiner Sammlung hinzufügen will.

SEARCH - Das Spiel der SeelenWhere stories live. Discover now