Kapitel 1.4

221 21 20
                                    


Yahiko


Die Straßen von Kayar sind viel zu eng für all die Menschen hier. Ich renne durch die schlendernde Menge, stoße Leute zur Seite und nehme keine Rücksicht auf den Verkehr. Dennoch komme ich nur im Schneckentempo voran, und das macht mich wahnsinnig.
Ich habe keine Zeit mehr, denn es wird jede Sekunde soweit sein.


Als schließlich wirklich das Dröhnen der städtischen Uhr durch die Straßen dringt und eine 21 weiß und leuchtend vor meinem inneren Auge erscheint, beiße ich die Zähne fest zusammen, um nicht wütend aufzuschreien. Ich müsste in diesem verfluchten Hotelzimmer sein!


Stattdessen hetze ich durch die Straßen einer Stadt, die mich nicht haben will, und in der ich nicht sein will. Die Leute schauen mir aufgebracht hinterher, während ich weiter durch die Gassen renne, als sei der Teufel hinter mir her. Ein Glück, dass es heutzutage kein Kopfsteinpflaster mehr gibt.


Als ich endlich den Eingang meines Hotels erreiche, bin ich dank des Trainings nur leicht außer Atem. Trotzdem sieht mich das Hotelpersonal am Eingang nur abschätzig an, während ich an ihnen vorbei und die Treppe hinauf jage. Immerhin werde ich nicht als willenloses Hotelpersonal enden, denke ich mir, während ich immer zwei Stufen auf einmal nehmend das 5. Stockwerk erreiche. Auf den Fahrstuhl zu warten hätte vermutlich länger gedauert.


An meiner Zimmertür angekommen, krame ich hektisch nach meinem Schlüssel, doch alle meine Hosentaschen sind leer. Fluchend sehe ich den Weg zurück, den ich gekommen bin. Er muss mir aus der Tasche gefallen sein, aber das spielt jetzt keine Rolle mehr.
Nach einem weiteren Blick den Flur hinauf und hinunter knirsche ich mit den Zähnen, ehe ich mit der Schulter die Tür aufbreche. Verfluchte Hotelangestellte. Immerhin werden sie mit ihrer Abwesenheit nicht merken, was ich getan habe, ehe ich von hier weg bin.
In Search.


Ohne noch einen weiteren Gedanken an die kaputte Tür zu verschwenden, suche ich die Fernbedienung und drücke auf On. Einen Sekundenbruchteil später erwacht der Projektor zum Leben und das Bild eines dunkelhaarigen Jungen baut sich vor mir auf. Sein Blick ist ernst und die Augen schwarz wie die Nacht. Finn Jäger steht darunter, und ich frage mich unwillkürlich, ob es bedeutet, dass er teilnimmt, oder ausgeschieden ist.


Ich kralle vor Anspannung die Finger in die Lehne des Sofas, unfähig mich hinzusetzen. Wäre ich hier gewesen... aber Stunden in diesem Hotelzimmer zu verbringen hätte ich einfach nicht ausgehalten. Ich musste hier raus, mich bewegen, ablenken. Was leider auch gut funktioniert hat. Zu gut.


Währenddessen erscheint ein neues Bild von einem Gesicht vor mir, und noch eins, doch sie verschwimmen alle zu einer einzigen Masse. Ich weiß nicht, was die Bilder bedeuten, und solange ich mein eigenes nicht sehe, ist es sowieso egal.


Nur einige wenige von ihnen stechen aus der Menge heraus. Namen fallen mir ins Auge: Kai, Cheyenne, Sarah, Nubia, Tai, Brian. Sie kommen aus allen Ecken der Welt, tragen alle Hautfarben und die unterschiedlichsten Gesichtszüge. Und dennoch sind sie für mich alle gleich: Gegner, die es zu besiegen gilt.


Am unteren Bildschirmrand erscheint mit jedem Gesicht aufsteigend eine neue Zahl. Aktuell befinden wir uns bei 76, viele sind also nicht mehr übrig, bis sie die 100 erreicht haben. Wie viele ich wohl schon verpasst hatte, ehe ich den Fernseher einschalten konnte? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass mein eigenes Bild dabei war?

SEARCH - Das Spiel der SeelenWhere stories live. Discover now