Kapitel 5.6

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Binnen Sekunden liegt Yahiko ebenfalls auf dem Boden, doch ich habe keine Zeit, mich zu fragen, ob er noch lebt, denn mein Gegenüber scheint nicht die geringste Verletzung abbekommen zu haben. Er macht zwar keine Anstalten mich anzugreifen, doch davon lasse ich mich nicht täuschen.


Als ich am Rande meines Blickfeldes eine Bewegung ausmache, die eindeutig von Yahiko kommen muss, schalten meine Gedanken ab und ich gehe selbst zum Angriff über. Er lebt noch, und ich kann ihn retten. Ihn vor ihm beschützen.


All die angestauten Gefühle, die Enttäuschung und die Wut durchströmen meine Adern; die Trauer, ihn nach Jahren verloren zu haben, verletzt und zurückgelassen geworden zu sein. Die Emotionen machen mich blind, geradezu rasend; sie lassen mich aggressiver kämpfen, als je zuvor.


Der Kampf ist lang und keiner von uns ist stärker als der andere, so wie es immer war.
Doch auf einmal macht er einen Ausfallschritt, sodass ich für einen Moment überrascht bin, was er nutzt, um mich an die Wand zu pressen. Seine Kapuze ist in der ganzen Zeit keinen Millimeter verrutscht, sodass ich weiterhin nur in Schwärze und Schatten starre. Doch was ich höre, macht mir mehr zu schaffen.


Seine Stimme ist nur ein Flüstern, ein Hauch, der an meine Ohren dringt, ehe er von mir ablässt und genauso schnell verschwindet, wie er gekommen ist.

„Du solltest das Unerwartete nicht vergessen, Sarah."


Einen Sekundenbruchteil stehe ich da wie erstarrt, folge seinen Bewegungen in die Dunkelheit, dann werden meine Gedanken klarer. Völlig erschöpft rutsche ich mit dem Rücken an der Wand hinunter und kauere einen Moment auf dem Boden, um all die Eindrücke zu sortieren, die soeben auf mich eingestürzt sind.
Ich habe mich von einer verdammten Falle, einer Projektion der Spielmacher verarschen lassen. Anders kann es gar nicht sein.
Ich habe sein Gesicht nicht gesehen, seine Stimme nicht gehört, nur Bewegungen, ein Hauch von nichts und eine Kampftechnik haben mich überzeugt, mir glauben gemacht etwas gesehen zu haben, was gar nicht da war. Das ist absolut lächerlich.


Dennoch schlägt mir das Herz bis zum Hals und ich brauche eine weitere Minute, um mich zu beruhigen und meine aufgewühlten Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen.


Dann erklingt einige Meter weiter ein stöhnender Laut und ich springe erschrocken auf. Scheiße noch Mal, ich war so sehr in meinen Gedanken versunken, dass ich Yahiko und die anderen komplett vergessen habe. Wut keimt in mir auf. Die Projektion, das Trugbild oder wie auch immer sie es nennen mögen, hat mich viel stärker beeinträchtigt, als es sollte. Einen Angriff auf meine Psyche habe ich nicht erwartet und sie haben mich vollkommen ungeschützt getroffen.
Falls es überhaupt eine Falle war... vielleicht war es auch wirklich er?, flüstert eine kleine, hoffnungsvolle Stimme in meinem Kopf, die ich sogleich erfolgreich verdränge, sie noch im Keim ersticke, während ich mit wenigen Schritten bei Yahiko angekommen bin.


Neben ihm knie ich mich auf den kalten Boden und taste mit den Fingern nach seinem Puls. Er liegt still da, mit geschlossenen Augen, sodass es den Anschein hat, als würde er schlafen.


Doch meine Fingerkuppen ertasten nichts. Ich rutsche auf seiner Haut ein wenig weiter nach links, nach oben, nach rechts. Immer noch nichts.
Atmet er überhaupt noch? Panik bahnt sich langsam einen Weg nach oben, arbeitet sich immer weiter vor, während ich immer hektischer versuche, einen Puls an seinem Handgelenk auszumachen, dann an seinem Hals, und als ich auch dort nichts finde, beuge ich mich einfach nur noch hinab, um seine Atmung zu spüren.

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