9. Alter Kater, Duftekatze

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Ich wartete bis Frau Scheck ihre Sachen gepackt, Mantel und Schuhe angezogen hatte und abmarschbereit war. Von einem Haken neben dem Flurspiegel nahm sie den Ersatzschlüssel für ihre Wohnung und legte ihn mir in die Hand. Mir fiel auf, dass an dem Haken noch ein weiterer Schlüssel hing, einer mit einem roten Bändchen. Ich erkannte ihn wieder. Es war meiner! Als die Scheck einen kurzen Moment nicht hinschaute, griff ich danach und steckte ihn in die Hosentasche.

Im Hausflur verabschiedeten wir uns voneinander. Frau Scheck hob ihren krummen Zeigefinger vor mein Gesicht.

„Tun sie was, Herr Scholz! Bitte, tun sie was! Und nicht vergessen anzurufen ...!"

Ich hatte verstanden, ich war bereit. Und ich hoffte inständig, dass man mir das auch ansah. Aufmunternd tätschelte ich ihre Schulter. Frau Scheck griff die Reisetasche fester und begann die Treppenstufen hinunterzusteigen. Auf halber Treppe blieb sie plötzlich stehen und sah noch einmal zu mir hoch.

„Nicht vergessen, sie haben diese Woche Flurdienst!"

Ich biss die Zähne aufeinander, bis sie knirschten, verzieh der alten Scheck jedoch ihren Rückfall in alte Gewohnheiten. Es wäre einem Wunder gleichgekommen, hätte sie ihre Marotten von einem auf den anderen Tag vergessen.

Und trotzdem, wie schnell die Dinge sich ändern konnten! Ausgerechnet mich, ihren Hassmieter, bat Frau Scheck um einen lebenswichtigen Gefallen. Ich bekam ihren Wohnungsschlüssel und kriegte endlich auch meinen Zweitschlüssel zurück. Mehr ging eigentlich nicht!

Was ich dabei aber vergaß: der Gefallen bestand nicht darin, das Grab ihres Mannes zu pflegen, sondern darin, einen leibhaftigen Geist aus ihrer Wohnung zu vertreiben. Einen Geist, von dem ich noch nicht abschließend sagen konnte, ob er harmlos oder extrem gefährlich war. Also, was tun?

Während ich meine Wohnungstür verriegelte, fiel mir ein, dass ich gern drei oder vier Schlösser mehr gehabt hätte, und die Tür gern drei Mal so dick sein durfte. Das Zittern meiner Hände war jedoch so gut wie verschwunden, und meine Beine fühlten sich nicht mehr an wie Wackelpudding.

Ich sah auf die Uhr. Es war kurz nach elf. Höchste Eisenbahn, dass ich mit den Kopiervorlagen weiterkam. Morgen Früh um sieben musste ich bei Hieronymus auf der Matte stehen und die Kopiergeräte auf Vordermann bringen. Schlaf. Ich brauchte dringend Schlaf. In einer Stunde war bereits Mitternacht.

Nicht, dass ich an die Geisterstunde glaubte! Der Nebel-Scheck hatte sich weit vor Mitternacht gezeigt. Ein klarer Beweis dafür, dass Spuk sich nicht an etwas Beliebiges, von Menschen Festgelegtes wie die Geisterstunde hielt, was mich keineswegs beruhigte. Er konnte immer, überall und in jeder Form erscheinen. Offenbar immer dann, wenn man es am allerwenigsten erwartete.

Was das für meinen Auftrag bedeutete? Ich hatte keine Ahnung. Vielleicht bedeutete es, dass ich stets auf der Hut sein sollte.

Noch einmal sah ich auf den Hof hinunter, der bis auf den Eingangsbereich, wo eine schiefe, schmiedeeiserne Lampe spärliches Licht spendete, bereits im Dunkeln lag. Nirgends sah ich einen schlanken Katzenkörper, ein weißes Köpfchen mit schwarz umrandete Augen.

Wohin war Amanda entschwunden?

Es war ja klar wie Kloßbrühe. Sie ganz allein hatte mit einem beherzten Sprung die Spukerscheinung in Schecks Wohnung zur Auflösung getrieben. Amanda war die geborene Geisterjägerin, und die zweite Ausgabe von Silva Mystica schon so gut wie gefüllt. Die Gesichter der Crypto-Nerds mochte ich sehen, wenn sie von meiner Superkatze erfuhren! Ich phantasierte von einer Präsentation beim nächsten Crypto-Treffen im kommenden Herbst. Einmal anfassen: 20 Mark. Geistervertreibung: 200 Mark. Pro Stunde.

Sollte ich Frau Scheck darüber informieren, dass der Spuk schneller als erwartet vertrieben war und sie zurückkommen konnte? Eine innere Stimme riet mir davon ab. Nur nicht zu voreilig handeln! Ich entschloss mich, die Nacht abzuwarten.

Lupo Scholz dreht auf (Fantasy/Humor)Where stories live. Discover now