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„Das ist 'n schlechter Scherz." „Allerdings." „Was machen wir jetzt?" „Es sind noch fünf Minuten bis zum genauen Ablauf der zwei Wochen. Ich sage wir warten."

Also warteten wir. Fünf Minuten fühlten sich an wie fünf Stunden, die Zeit zog sich unerträglich in die Länge. Die Anspannung wurde immer mehr und mehr und ich hatte das Gefühl, die Luft war zum Schneiden dick. Sturmwolken zogen sich über den Himmel, was nichts Gutes bedeuten konnte. Ich würde lieber mit zehn Griewern kämpfen, als durch noch so ein Gewitter zu müssen.

Um Punkt sechs Uhr fing der Boden plötzlich an zu beben. Ein Kreis aus Löchern tat sich rund um die große Gruppe von Lichtern herum auf und aus ihnen fuhren riesige, weiße, sarkophagähnliche Kapseln nach oben. Sie öffneten sich, aber vorerst kam nichts heraus, wie es vielleicht zu erwarten gewesen war.

Ich überlegte einen Moment, doch dann fiel mir ein, wieso sie mir bekannt vorkamen. Damals im Labyrinth hatte ich mich ein Mal daran erinnert, wie aus einer dieser Kapseln ein Griewer raus kroch und Minho attackierte, der hilflos an einen Stuhl gefesselt war. Das Ganze hatte ich auf Bildschirmen beobachtet, und zwar bei ANGST. Die Erinnerung hatte ihre Spuren bei mir hinterlassen und wenn ich daran dachte, lief mir immer noch ein Schauer über den Rücken. Das Bild schoss mir nun erneut durch den Kopf und ich bekam Panik.

„Minho!", schrie ich. „Pass auf!" Genau in dem Moment sprang ein fürchterlich aussehendes Monster mit menschlicher Gestalt aus einer der Kapseln und attackierte Minho. Ich hatte jedoch keine Zeit, mich um ihn zu Sorgen, da aus jeder einzelnen Kapsel eins dieser Monster kletterte. Und eins kam direkt auf mich zu.

„Claire!", rief ein Mädchen aus Gruppe B und warf mir einen Speer zu. Ohne zu Zögern schwenkte ich ihn in Richtung des Monsters und machte mich kampfbereit. Das erste, was mir an dem menschenähnlichen Wesen auffiel, waren die schwach leuchtenden Glühbirnen, die überall aus seiner verfaulten Haut raus ragten. Sofort kam mir der Gedanke, dass sie die Energiequellen des Monsters waren. Es war das einzige, was wirklich Sinn machte.

Das Wesen gab einen seltsamen, verstörenden Laut von sich. Es klang röchelnd, als wäre seine Kehle voller Schleim. Seine Klauen holten aus und ich konnte mich gerade noch so ducken. Ich huschte um das Monster herum, holte mit dem Speer aus und traf es an der Schulter. Ganz knapp hatte ich eine der Glühbirnen verfehlt. Das Monster drehte sich um und bevor ich überhaupt reagieren konnte, sprang es auf mich drauf. Augenblicklich nahm ich meinen Speer quer und hielt es mir somit vom Leib. Es fletschte die Zähne. Speichel tropfte aus seinem Maul, als es mich anbrüllte.

Dann, gerade als es ausholte, wurde es mit einem Ruck von mir runter gerissen. Es war Thomas. Hinter ihm lag eines der Monster regungslos am Boden. Er hatte es getötet. „Du musst die Glühbirnen zerschlagen!", schrie er und eilte sofort dem nächsten zur Hilfe. Also lag ich mit meiner Vermutung richtig.

Ich sprang auf und schwenkte meinen Speer. Das Monster war kurz zu Boden gegangen, hatte sich aber schnell wieder gefangen. Erneut holte ich aus und traf dieses Mal tatsächlich eine der Glühbirnen. Sie zerbarst in tausend Stücke und gleichzeitig schrie das eigenartige Wesen schmerzerfüllt auf. Es hielt sich die Schulter, brüllte erneut wutentbrannt und setzte dann zu einer weiteren Attacke an. Doch ich konnte sie abwehren und traf nebenbei auch noch eine Glühbirne.

Ausweichen. Ausholen. Birne zerschlagen. So ging das eine Weile. Bis ich dann endlich alle getroffen hatte und das Monster leblos in sich zusammensackte. Die meisten anderen hatten es mittlerweile auch geschafft, nur noch ein paar wenige kämpften. Die Lichter halfen sich gegenseitig und so waren schnell alle Kreaturen besiegt.

Niemand sagte etwas, alle schnappten bloß erschöpft nach Luft. Doch wie es aussah, war dies noch lange nicht das Ende. Denn die Sturmwolken über uns brauten sich immer mehr zusammen und der Wind wurde heftiger mit jeder Sekunde. Ein Gewitter würde jeden Moment losbrechen und hier draußen gab es keinerlei Schutzmöglichkeit. Oder vielleicht doch? Mein Blick schnellte zu den Kapseln. Natürlich! Wenn wir sie irgendwie schließen konnten, sollten wir im Innern perfekt geschützt sein.

„Thomas!", rief ich. „Wir müssen uns in den Kapseln verstecken!" Er nickte. Wahrscheinlich hatte er denselben Gedanken gehabt. Ich sprintete zu ihm und zog ihn zur nächstbesten Kapsel. Ohne zu zögern kletterte ich hinein und kauerte mich in die hinterste Ecke. Thomas tat es mir gleich und kurz danach kamen Newt und Caitlyn angelaufen und kletterten ebenfalls hinein. Der Deckel war zum Glück relativ leicht zu schließen. So hockten wir dann schließlich mit vier Mann in einer dunklen, engen Kapsel.

Keine fünf Minuten hörte man schon das erste Donnergrollen. Blitze schlugen ein, Menschen schrien. Ich konnte nur hoffen, die anderen waren genauso schlau gewesen, in die Kapseln zu steigen. Es dauerte aber nicht lange, da war das Gewitter auch schon wieder vorbei. Vorsichtig klappte Newt den Deckel einen Spalt breit auf und lugte nach draußen. „Ich glaub die Luft ist rein", sagte er und öffnete die Kapsel komplett. Wir kletterten wieder heraus und sahen uns um.

Niemand schien verletzt zu sein, alle waren mehr oder weniger wohl auf. Wir versammelten uns in der Mitte, doch bevor irgendjemand etwas sagen konnte, war ein lautes Dröhnen zu hören. Mein Blick schnellte in die Höhe und ich erblickte ein Luftschiff, das zur Landung ansetzte. Jedoch hielt es ungefähr einen Meter über dem Boden an. Die Luke öffnete sich und ein paar Soldaten kamen zum Vorschein, die uns herein winkten.

Die meisten zögerten kaum und hievten sich augenblicklich hoch. Ich sah jedoch kurz zögerlich zu Thomas und Minho, der gerade erst wieder zu uns gestoßen war. Sollte das jetzt wirklich das Ende sein?

Schließlich konnte ich mich doch überwinden und kletterte in das Luftschiff, das Jorge „Berk" nannte. Thomas und Minho folgten mir und Newt und Caitlyn kamen ebenfalls nach. Ein paar Minuten später standen wir dann alle keuchend im Berk. Erschöpft, aber lebend.

Es gab wohl ein wenig Stress, weil Jorge und Brenda nicht zu den Versuchspersonen gehörten und wir sie nicht hätten mitbringen sollen. Doch irgendwie konnte Thomas die Leute von ANGST überzeugen sie mitzunehmen, auch wenn ich davon nicht viel mitbekam. Ich war schlichtweg zu müde und ließ mich einfach nur stumm auf einen der freien Sitze fallen.

Sie brachten uns in ein gesichertes Gebäude, wollten uns allerdings nicht sagen, wo genau wir uns dort befanden. Nachdem sie uns etwas zu Essen und Trinken gegeben hatten, wurden wir untersucht und verarztet. Wir konnten uns waschen und anschließend sagten sie uns, dass die Experimente nun endgültig vorbei wären. Ob das stimmte, sei mal dahin gestellt. Doch obwohl ich eigentlich erleichtert sein müsste, dass wir es geschafft hatten, konnte ich mich einfach nicht darüber freuen. Es kam mir nur vor wie eine weitere Last, die ich mit mir rumschleppen musste. Außerdem hatte ich keine Kraft mehr, über irgendwas nachzudenken. Als wäre meinem Körper die Lust vergangen, zu existieren.

Nach kurzer Zeit kamen dann zwei Betreuer zu mir und Caitlyn. Sie wollten uns mitnehmen für weitere Untersuchungen, die angeblich ein paar Tage dauern würden. Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache, wusste aber auch, dass es keinen Zweck hatte sich zu wehren. Also verabschiedete ich mich schweren Herzens von Newt und Thomas und umarmte zum Schluss noch einmal Minho. „Ich komme zu dir, versprochen", flüsterte er in mein Ohr, bevor wir auseinander gezerrt wurden.

An was danach kam, konnte ich mich nicht mehr erinnern. Da war nichts als absolute Schwärze.

Just Human ⎡ The Maze Runner ⎦Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt