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Am nächsten Morgen wurde ich von derselben Stimme geweckt, die ich gestern als letztes gehört hatte. „Nacht", hatte sie gestern geflüstert. Heute sagte sie belustigt: „Guten Morgen Sonnenschein, raus aus den Federn." Als ich meine Augen öffnete, konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Vor meinem Bett stand Minho, der mich wie immer angrinste. Manchmal wunderte es mich schon, wie er auf der einen Seite so sarkastisch und auf der anderen Seite so sanft und manchmal doch auch so kalt sein konnte. Es war als hätte er tausend verschiedene Fassetten und ich war gerade dabei, sie zu entdecken.

Ich stand auf und streckte mich, wobei mein T-Shirt ein Stück nach oben rutschte und so ein wenig von meinem Bauch hervorschaute. Minhos Blick wanderte dorthin und sein Grinsen verschwand. Ich ging einen Schritt auf ihn zu und fragte lachend: „Was?" Daraufhin schaute er mir wieder direkt in die Augen und bevor ich überhaupt reagieren konnte, küsste er mich. Allerdings lagen seine Lippen nur für ungefähr eine Millisekunde auf meinen, doch mein Herz machte trotzdem einen kleinen Satz. Irgendwas schwirrte durch meinen Kopf, doch ich konnte mich in diesem Moment nicht darauf konzentrieren. Es war mir auch egal.

Dann nahm er meine Hand und sagte: „Lass uns nach unten gehen." Ich nickte, woraufhin er mich angrinste und dann in den Wald führte. Nach kurzer Zeit standen wir vor einem kleinen, aus Metall gebauten Häuschen. Minho drehte sich zu mir um und fragte: „Bereit?" „Bereit." Er ließ meine Hand los und öffnete die Tür. Wir gingen hinein und wie erwartet bestand es nur aus einem Raum. In der Mitte befand sich ein großer Holztisch samt Stühlen. An jeder Wand stand eine große Holztruhe, ansonsten war der Raum leer.

„Das ist unser Kartenraum", erklärte Minho. „Hier gibt es nicht viel zu sehen, abgesehen von den unzähligen Karten vom Labyrinth. Wir-„ „Karten? Ihr habt Karten vom Labyrinth?", unterbrach ich ihn. „Ja klar, wie sollen wir das denn sonst machen? Wie gesagt, es verändert sich jede Nacht", erwiderte er. „Und ihr habt immer noch nichts gefunden? Nach zwei Jahren?" Er schüttelte den Kopf und blickte zu Boden. Ich ging auf ihn zu, nahm seine Hand und drückte sie leicht. „Wir finden einen Ausgang. Es muss einfach einen geben. Ich werde nicht aufgeben." Den letzten Satz flüsterte ich beinahe, doch Minho hatte es trotzdem gehört. Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen und er schaute wieder zu mir auf. „So langsam kapiere ich warum dich die Schöpfer hierher geschickt haben."

Danach führte Minho mich zu einem kleinen Schuppen hinter dem Gehöft, dort befand sich die Ausrüstung. Diesmal brauchte er einen Schlüssel um die Tür zu öffnen, den Grund dafür fand ich kurze Zeit später heraus. Während Minho Rucksack und andere Sachen aus einer Truhe holte, bestaunte ich all die Waffen an den Wänden. Neben verschiedenen Messern und sogar Macheten gab es auch Speere und Pfeil und Bogen. Ich wollte nicht wissen, welcher Vorfall sie dazu veranlasst hatte, diesen Schuppen abzuschließen.

Wie als hätte Minho meine Gedanken gelesen sagte er: „Nur ich, Newt und Alby haben einen Schlüssel. Du musst wissen, hier laufen auch dumme Strünke rum, die das Zeug für Spielzeug halten." Dann drückte er mir einen kleinen ledernen Rucksack in die Hand. „Du kannst ihn dir umschnallen, damit er dir beim Rennen nicht von den Schultern rutscht. Drin sind ne Wasserflasche, ein Bleistift und ein kleiner Notizblock. Falls uns unterwegs irgendwas Ungewöhnliches auffällt", erklärte er. Während ich mir den Rucksack umschnallte, nahm er ein Messer von der Wand und steckte es in die kleinere Halterung am ebenfalls ledernen Gurt meines Rucksacks. Er schnappte sich auch einen Rucksack, schnallte ihn sich um und sagte: „Gut, dann können wir ja jetzt los."

Mir war zwar ein wenig mulmig zumute, doch meine Neugier siegte. Vielleicht war ich aber auch bloß nervös und aufgeregt, weil dies nun mein erster offizieller Tag als Läufer war. Es war mir nicht länger verboten ins Labyrinth zu gehen.

Just Human ⎡ The Maze Runner ⎦Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt