46. Kapitel

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Eine Woche später werde ich wieder zu Voldemort gerufen. Mittlerweile habe ich ihm das Souvenir gegeben und gesundheitlich geht es mir auch wieder gut. Eigentlich wollte ich mich noch bei Snape bedanken, aber wir sind uns nicht über den Weg gelaufen. 
Immer auf der Hut zu sein, ist anstrengend. Man muss aufpassen, was man sagt, wie man handelt. Eine Kleinigkeit falsch getan und es wird aus sein. Das macht mich fertig. Die Ruhe fehlt mir, die ich einst mal hatte.

Als ich mit Draco im Bett geschlafen habe, handelten es nur um Stunden, wo ich die Augen zu gehabt hatte. Aber es war erholsam. Ich fühlte mich nicht mehr einsam und schutzlos. Neben mir lag jemand, etwas Warmes, das mich im Notfall schützen könnte. Obwohl das Schwachsinn ist. Wenn der Dunkle Lord will, dass du stirbst, dann stirbst du auch.

Aber ich konnte unbesorgt schlafen und das ist zurzeit nicht mehr der Fall. Deswegen bin ich ausgelaugt und erschöpft und heute muss ich wieder jemanden umbringen.

Es ist wie ein Dejà-vu, als ich das Zimmer betrete und Voldemort es mir mitteilt. Nur muss ich heute Nacht keinen Muggel umbringen, sondern ein Hexe.

Bathilda Bagshot, die in Godric's Hollow wohnt.

Schon immer wollte ich einmal an den Ort, wo einst der Gründer des Hauses Gryffindor aufgewachsen war, und wo alles begann. Wo Voldemort auf Harry Potter traf. Aber nie hätte ich es wegen meinen jetzigen Umständen besuchen wollen. Etwas ändern kann ich jetzt auch nicht mehr.

Diesmal muss ich jedenfalls kein Souvenir mitnehmen, da der Dunkle Lord andere Ideen in seinem Kopf hat. Wenn ich die Autorin umgebracht habe, soll Nagini Besitz von dem überbliebenen Körper nehmen. Allein die Vorstellung ist... ekelhaft, widerlich und unvorstellbar.

Tiefste, dunkle Magie.

Wie ein Tourist gehe ich die Straße entlang. Vor 15 Jahren, am 31.10., hat Voldemort genau die gleiche Strecke wie ich beschritten, sogar die gleiche Absichten haben wir. Dieser Gedanke lässt mich frösteln, obwohl es trotz der späten Stunde schwül ist.

Wenn der Dunkle Lord nie den unschuldigen Harry angegriffen hätte, dann wäre ich nicht hier. Vermutlich wäre ich dann nie nach Hogwarts gegangen, weil meine Mutter nicht Lehrern geworden wäre. Vermutlich wäre ich gar nicht geboren worden, weil sich meine Eltern wegen dem Krieg gar nicht kennen gelernt hätten.

Es wäre doch gar nicht mal schlecht, nicht am leben zu sein, fällt mir gerade ein. Einige Menschen hätten ihr Leben nicht wegen mir verloren. Leid und Schmerzen wären erspart geworden. Alles, wenn ich nicht existieren würden.

Meine weiteren Gedanken sind krank, dennoch lasse ich sie in meinen Kopf herumspuken, bis ich an einem zerstören Haus ankomme.

Das Haus der Potter.

Eine Gedenktafel wurde aufgebaut mit einer Inschrift. Dazu haben viele Zauberer Botschaften auf das Holz gekritzelt. Meine Nachricht wird wohl kaum auffallen zwischen den vielen anderen, aber dennoch lasse ich etwas für Harry hier.

Es tut mir leid, Harry. Vertrau mir, J.

Wenn man Voldemort glauben kann, und das mache ich in dieser Situation, wird Harry zu seiner Geburtsstätte zurückkehren und einmal vorbeischauen.

Einen Augenblick bleibe ich noch an dem Punkt, wo alles begann und dann laufe ich fort. Meine Mission muss erledigt werden und das am besten so schnell wie möglich.

Also gehe ich weiter die Straße hinab zum Haus der Autorin. Ein Licht scheint aus dem Wohnzimmer, das kann ich schon von weitem sehen.
Und als ich vor dem Haus stehe, sehe ich auch sie.

Bathilda, wie sie in ihrem Sessel einen Prospekt liest. Mein Herz wird schwerer, als ich an der Tür klopfe. Mein Plan ist es, sie zu überraschen, aber deswegen die Tür aufzubrechen, gehört nicht dazu. Vielleicht wäre es besser gewesen, fällt mir in den Sinn, als die Frau mir die Tür öffnet und ich ihr in die Augen sehe. Aber nur kurz. Ich kann es nicht ertragen, ihr lange ins Gesicht zu sehen.

"Wer bist du?", fragt sie und versteckt sich mehr und mehr hinter der Tür.

Verständlich. Mich selbst würde ich auch nicht ins Haus lassen. Nicht jemanden, der eine Kapuze über den Kopf trägt und erst recht nicht um diese Uhrzeit. Ich sollte schlafen und nicht hier zwischen Tür und Angel stehen.

"Ich bin eine Freundin von Harry Potter und muss deswegen mit Ihnen reden. Sie kannten Albus Dumbledore?", rede ich und hoffe, dass ich mit diesen Worten das Haus betreten darf.

"Natürlich kannte ich ihn. Wir waren Nachbarn, aber das war keine Antwort auf meine Frage", beantwortet Bathilda meine Fragen.

"Mrs Bagshot, lassen Sie mich doch bitte herein. Man sollte nicht in diesen schweren Zeiten draußen bleiben, vor allem nicht um diese Uhrzeit. Bitte, es dauert wirklich nur fünf Minuten", bettel ich sie regelrecht an und das tu ich wirklich.

Nur das ich etwas anderes meine, mit meinen Worten. Sie soll alles machen, nur mich nicht herein lassen. Aber das tut sie.

"Komm herein, aber wirklich nur kurz. Es ist eigentlich schon Zeit zum zu Bett gehen", meint sie und wirkt wahrhaftig müde und erschöpft.

"Natürlich Mrs. Nicht lange. Nur ein paar Fragen über Albus Dumbledore."

Bathilda setzt sich zurück auf ihren Sessel. Ich stattdessen bleibe stocksteif ein paar Meter vor ihr stehen. Meine Umgebung betrachte ich nicht viel. So wenig wie möglich soll in meinen Gedächtnis bleiben von dem hier. Von allem, was passiert.

"Ach ja. Albus. Schrecklicher Tod für einen so guten Mann. Eine Schülerin brachte ihn angeblich um und er fiel so vom Turm, aber das ist bestimmt nur Geschwätz. Dass ein Kind jemanden umbringt ist doch ein wenig weit hergeholt. Aber Schätzchen, was möchtest du von ihm wissen?"

Ich schließe die Augen. Meine rechte Hand fasst unter meine Jacke und schnappt sich meinen Zauberstab. Die andere, die schlägt die Kapuze herunter.

"Leider ist es die Wahrheit, dass eine Schülerin ihn umgebracht hat. Diejenige wäre ich. Ja, ein Kind, aber ich tat es um andere zu schützen, um einen Freund zu schützen, der sonst gelitten hätte. Und das tu ich jetzt auch. Freunde schützen und das Notwendige tun. Ich versuche mein Bestes, auch wenn es nicht immer nach Plan läuft", schreie ich schon fast hysterisch heraus und füge noch hinzu, bis ich es beende, bis ich ein weiteres Leben beende:" Es tut mir leid, Bathilda. Glaub Sie mir bitte."

Dann benutze ich den unverzeihlichen Fluch. Voller Reue berühre ich kurz danach mein Mal, als Zeichen, dass ich es getan habe, und dann taucht auch schon Nagini neben mir auf. Ich habe keine Ahnung, wie das funktioniert, aber mit Magie ist nichts unmöglich.

Voldemort hat mir erklärt, wie das Szenario vonstatten geht. Haargenau und ins kleinste Detail beschrieben.
Auch wenn mir speiübel ist, meine Händen zittern und ich vor Müdigkeit an Ort und Stelle einschlafen könnte, ziehe ich es durch.

Und am Ende der Szenerien bin ich schon fast stolz auf mich, dass ich es geschafft habe, wenn man nicht genauer darüber nachdenkt.

Aber ja, der Mann der mir einst sagte, dass ich eine starke und schlaue Hexe wäre, hat recht. Das bin ich wohl.

Und deswegen tu ich etwas dummes, aber auch etwas schlaues. Auf einen Zettel schreibe ich eine weitere Botschaft für Harry.

So schnell wie möglich haue ich ab, doch eins muss ich noch machen, bevor ich Godrics Hollow verlasse. Nämlich auf dem Friedhof Harrys Eltern besuchen, so wie Dumbledores Familie. Irgendwie fühle ich mich dazu verpflichtet, einmal bei ihnen vorbeizuschauen.

Schon fast renne ich zum Ort der letzten Ruhestätte. Und auch dort beeile ich mich mit dem Suchen der Grabmale.

Schnell finde ich James und Lily Potter. Mein Herz wird wieder ganz schwer. Einige Minuten bleibe ich wie angewurzelt stehen, aber es muss weiter gehen. Einen Blumenstrauß zauber ich auf das Grab und verschwinde, um noch zu Dumbledores Familie zu gelangen.

Erst nach seinem Tod habe ich erfahren, dass er in Godric's Hollow aufgewachsen ist und seine Familie auch hier begraben liegt. Ich weiß eigentlich gar nichts von dem weisen Mann, der mir einst half und mich vorbereitet hat.
Am Grab seiner Eltern und seiner Schwester, lasse ich einen Blumenstrauß nieder.

Ich fühle mich herzlos und kalt. Innerlich und äußerlich. Die Gefühle sind da, aber irgendwie auch nicht. Weshalb spüre ich den Schmerz nicht richtig, der mich zu Tode foltern sollte? Warum ist meine Reue nur so schwach? Warum zerbreche ich an mir selbst?

Ich weiß es nicht.

 Life of Jane Umbridge Where stories live. Discover now