Flammen

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Anna nahm noch einen kräftigen Zug aus der Flasche und klopfte sich mit der Faust vor die Brust. „Das ist definitiv das Stärkste, was ich je getrunken habe", lachte sie und reichte die Flasche weiter. Es war definitiv auch der billigste Fusel, den sie je getrunken hatte. Wehmütig dachte sie an das gute deutsche Bier oder den fruchtigen französischen Wein. Was würde sie für nur einen Becher alles geben! Kimama riss sie aus ihren Gedanken und zog sie mit nach vorn, wo andere junge Frauen und Mädchen ausgelassen um das große Feuer tanzten, dass die Apachen draußen vor den Zelten entzündet hatten. Die beiden schlossen sich an, bis ihnen die Füße schmerzten.

Canovist beobachtete die beiden verstohlen aus der Ferne. Fasziniert sah er zu, wie Annas Locken bei jedem Schritt im Takt auf und abwippten. Er hatte sie noch nie so herzhaft lachen sehen, wie ihm auffiel, und er fand, dass es ihr sehr gut stand. Wenn sie so lachte, legte sie ihren Kopf in den Nacken und zwei bezaubernde Grübchen bildeten sich auf ihrer Wange, doch er wusste nicht einmal, warum ihm dieses Lachen so gefiel. „Hast du es ihr gesagt, kleiner Bruder?" Canovist riss den Blick von ihr los und sah sich seinem Bruder Sakima gegenüber. „Hast du es ihr gesagt?" „Was habe ich ihr gesagt?" „Na, dass du sie liebst?" Canovist klappte vor Staunen das Kinn herunter, was Sakima nur mit Spott quittierte. „Sieh einer an, mein Bruder ist doch tatsächlich sprachlos!" Endlich fasste der Jüngere sich wieder. „Ich liebe sie nicht. Ihr fehlt es an allem was eine Frau braucht. Mit ihrer spitzen Zunge kann man sie wohl kaum der Öffentlichkeit präsentieren." Doch gefiel ihm doch gerade das so sehr an ihr. „Ach nein?", machte Sakima alle seine Hoffnungen zunichte, dass dieses Thema nun endlich erledigt sei, „Und wieso beharrst du so drauf, dass Maska bestraft wird?" „Weil er sich an meinem Eigentum vergriffen hat. Als er sie verletzte war sie noch immer meine Gefangene, mein Besitz." „Und wieso machtest du ihr dann all diese Geschenke?" „Ihre Kleidung war zerschlissen. Wenn sie im Winter erfroren wäre, hätte sie mir auch nichts mehr genützt." „Nun gut, aber wieso hast du ihr dann die Freiheit geschenkt und sie ziehen lassen." „Weil... Weil..", darauf wusste Canovist keine Antwort. Wieso eigentlich? „Weil... du sie liebst?", ergänzte sein Bruder für ihn. Canovist seufzte. War es denn so offensichtlich? Attraktiv war sie, ja. Aber fühlte er sich nur zu ihrem Körper hingezogen, oder konnte es wirklich Liebe sein? „Hörzu Bruder", erhob Sakima wieder das Wort, aber so leise, dass nur er ihn hören konnte, „Besser du gestehst es dir ein, bevor es zu spät ist. Wenigstens hat einer von uns das Glück seine Braut frei wählen zu können. Immerhin musst du nicht in einigen Wochen eine der Kiowa zur Frau nehmen." Darum beneidete Canovist ihn wirklich nicht. Er wollte ihm noch antworten, doch Kimama zupfte ihn am Ärmel.

Die beiden Mädchen waren vom Tanzen völlig außer Atem, doch strahlten sie über beide Ohren. „Wir gehen nun schlafen", eröffnete Kimama ihren Cousins, „Wir wollten euch nur eine gute Nacht wünschen." Sie drehte sich auf dem Absatz um, musste sich aber an Anna festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sakima hob eine Augenbraue. „Habt ihr etwa etwas von dem Feuerwasser in die Hände bekommen, liebste Cousine?" „Nur ein wenig", kicherte sie und Anna gluckste vergnügt. „Wenigstens weiß ich jetzt, warum es Feuerwasser heißt." Sakima lachte und legte einen Arm um seine Cousine und tadelte sie. Canovist nahm sich Anna vor. „Eine Frau sollte so etwas nicht trinken." Anna winkte ab. „Bei uns trinken Frauen nichts anderes", behauptete sie und reckte stolz das Kinn. „Du bist aber nun hier und solltest dich benehmen, wie es sich nach unseren Sitten gehört", zischte Canovist. Erschrocken sah Anna zu ihm auf und ihr Lächeln verschwand. Sie schluckte. Wieso war er so verärgert?

„Ich sollte gehen", sagte sie hastig und senkte den Blick. „Kimama soll dich begleiten." Canovist drehte sich um, doch von Kimama fehlte jede Spur. „Ich finde den Weg schon alleine", versicherte Anna leise und mit hängendem Kopf. Diese Traurigkeit schmerzte Canovist. Irgendwie wollte er nicht, dass der Abend so für sie endete, immerhin war es ja seine Schuld. „Ich will nicht, dass du in der Dunkelheit alleine durchs Lager läufst", er seufzte ergeben, „Ich werde dich begleiten."

Als er sah, wie Anna schwankte, reichte er ihr seinen Unterarm, damit sie sich halten konnte. Ihre Finger lagen zart auf seinem Arm und obwohl bereits eine solche Berührungen einer unverheirateten Frau bei den Apachen als Verrucht galt, genoss er das Gefühl von Anna an seinem Arm. Er ertappte sich bei dem Gedanken, wie es wohl wäre mit Anna als Mann und Frau durch das Lager zu spazieren, doch zwang er seine Konzentration wieder auf den Weg, den sie sich zwischen den Feiernden hindurchbahnten. Solch romantische Gedanken sollte ein Krieger nicht haben.

Canovist führte Anna zu seinem Zelt, da er nicht wusste, ob Kimama ein Schlaflager für Anna vorbereitet hatte. Sie könnte auf seinem Lager schlafen und er würde bei seinem Bruder unterkommen. Vorsichtig manövrierte er das Mädchen an seinem Arm durch den Eingang und wollte ihr helfen sich auf dem Lager niederzulassen. Anna jedoch verlor das Gleichgewicht und klammerte sich vor Schreck an dem Saum seiner Kleidung fest und zog ihn so mit nach unten. Er konnte sich grade noch so mit den Unterarmen abstützen, bevor er Anna zerdrückt hätte. Als er sich wieder aufrichten wollte, glitt sein Gesicht knapp an ihrem vorbei und plötzlich hielt er inne. Diese Augen, diese Lippen.. Sie führten ihn in Versuchung und er konnte nicht mehr an sich halten.

Er küsste sie und ihr gefiel es. Seine Hände griffen nach ihren Haaren und hielten sie so fest. Anna genoss seine Lippen auf den ihren. Sie waren sanfter als sie geglaubt hatte, wie oft hatte sie sich vorgestellt, wie sie seine Lippen kosten konnte. Canovist veränderte seine Position so, dass er nun direkt über ihr war. Leidenschaftlich verließ er ihre Lippen und erforschte ihren Hals bis zum Schlüsselbein. Ihre Kleidung versperrte ihm den Weg. Dieser verdammte Stoff, er wollte, dass sie ihn los wird. Da erschrak er selbst über sein Verlangen. So brennend hatte er es noch nie gespürt. Er riss sich entschlossen von ihr los und stolperte einige Schritte zurück. Beinahe enttäuscht sah Anna zu ihm auf. „Anna, ich.. ich.." Er sprach sie zum ersten Mal mit ihrem richtigen Namen an und obwohl sie dachte ihr Herz könnte nicht noch schneller schlagen, machte es einen Hüpfer. „Wieso hörst du auf?", fragte sie ihn unschuldig. Sein Blick fiel wieder auf ihre Lippen, die von dem Kuss geschwollen waren. Was machte sie nur mit ihm? „Ich darf es nicht." „Du hast es doch grade getan", antwortete Anna schelmisch und ihre Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. Sie wusste nicht, wieso sie sich nicht schämen konnte. Ob es an dem Alkohol lag? „Es wird nie wieder passieren." Canovists Züge wurden hart und wollte grade gehen, da wand Anna ihm den Rücken zu. „Wenn du meinst", erwiderte sie trotzig.

Selbst ihre Rückansicht brachte Canovists Blut zum Kochen. So, wie sie da lag, hatte er eine fantastische Sicht auf ihren Hintern. Wieder flammte die Begierde so stark in ihm auf, dass er fürchtete die Beherrschung zu verlieren. Er rieb sich über Mund und Kinn und atmete scharf ein. Sie wusste wahrscheinlich nicht einmal, welche Wirkung sie auf ihn hatte. Er hatte schon zuvor etwas für sie empfunden, aber nun, da sie zurückgekehrt war, waren die Gefühle stärker denn je. Ihre Nähe war nicht gut für ihn, sie ließ ihn schwach werden. Er war ein Krieger, er konnte doch nicht durch eine Frau schwach werden! Auch nicht, wenn es eine so starke Frau war wie sie.. Er schüttelte den Kopf und stürmte aus dem Zelt, in der Hoffnung, dass die frostige Luft seine Gedanken wieder aufklaren würde.


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