Sei stark

1.4K 59 7
                                    

„Max, lass uns gehen!" Anna stürmte aus dem Blockhaus heraus. Max saß bereits auf seinem Karren und war perplex. „Wir gehen!", sagte Anna noch einmal mit Nachdruck, band ihr Pferd los und schwang sich auf seinen Rücken. Der Junge gehorchte ohne ein Wort zu sagen und brachte seinen Ochsen mit einem Schnalzen in Bewegung. Anna hielt dieses langsame Tempo nicht aus und galoppierte mit Shilah voraus.

Das Gespräch mit Maska hatte sie aufgewühlt. Was er von ihr forderte könnte ihr Leben kosten und sie konnte ihm nicht vertrauen. Nicht, nachdem er versucht hatte sie zu töten. Dennoch, alles was er sagte fügte sich mit allem, was sie schon zuvor wusste, zu einem stimmigen Bild zusammen und alles ergab einen Sinn. Die vermeintlichen Steine, die die deutschen Jäger den Apachen gestohlen hatten und die Silberjäger von denen Maska erzählte fügten sich zusammen. Hinzu kam alles, was sie tagtäglich beobachten konnte. Jeden Tag kamen neue Familien in Fredericksburg an und beanspruchten ein weiteres Stück Land für sich. Vielleicht log er, um seinen Hals vor der Schlinge zu bewahren, aber ein totgeweihter Apache würde seine Ehre so kurz vor dem gewissen Tod nicht mit einer Lüge beschmutzen, egal, was er zuvor getan hatte.

Der Wind schlug ihr ins Gesicht und verschluckte ihr Weinen. Sie wurde von den Gefühlen überwältigt und grub die Hände in Shilahs dickes Winterfell und klammerte sich in seiner langen Mähne fest, während er einfach galoppierte. Sie spürte, wie er sich unter ihr flach machte und hörte sein gleichmäßiges Atmen und seine Hufe auf dem gefrorenen Boden der Prärie. Endlich sah sie sich nach Max um, doch konnte sie außer einer Wolke aus Schnee, die sie und ihr Pferd hinterließen, nichts enddecken.

Der schnelle Ritt machte ihren Kopf endlich wieder frei und ließ sie sich eines Besseren besinnen. Mit einem „Woah!" stoppte sie ihren Hengst und wartete darauf, dass der Staub sich legte. Sie konnte bereits die weißen Dächer der Ace Creek Ranch erkennen. Sie wusste, dass sie Max erklären musste, was geschehen war, wenn er sie endlich einholte. So fasste sie einen Plan.

Schweiß tropfte immer noch von Shilahs Stirn, als Max sie erreichte. Stumm hielt er seinen Karren an. Anna hatte versucht sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, doch die Spuren, die diese auf ihrem Gesicht hinterließen, waren noch immer deutlich zu erkennen. Erschöpft fiel sie ihrem guten Freund in die Arme. „Ich habe von dem Gefangenen erfahren, dass Kimama getötet wurde", log Anna und schluchzte, „Sie war wie eine Schwester für mich gewesen". „Anna... Das, das tut mir so leid für dich", antwortet Max, der sie gleich noch fester in den Arm nahm. „Ich muss zu ihrer Bestattung reiten. Ich muss einfach! Sie hat so viel für mich getan, ich sollte wenigstens den letzten Weg mit ihr zu gehen. Das ist das mindeste, was ich tun kann. Ich habe sie so sehr geliebt."

Eine Weile standen die beiden so noch umschlungen im Schnee, bis Max sich löste und Anna auf seinen Karren half. Shilah band er am Ende des Wagens fest und nahm dann selbst auf diesem Platz. Vorsichtig hüllte er Annas Schultern in eine der Decken, die er zuvor in der Stadt erstanden hatte. „Danke", flüsterte Anna leise und sie war selbst überrascht, dass Max ihr glaubte, obwohl es sie schmerzte ihn zu belügen zu müssen. Schnell senkte sie den Kopf zur Seite, in der Hoffnung Max würde ihre geröteten Wangen nicht entdecken.

Am nächsten Morgen schlich sie sich mit nackten Füßen aus dem Haus. Es war noch dunkel, doch im Schein des Kerzenlichtes konnte sie den Hauch erkennen, der mit jedem ihrer Atemzüge im kalten Novembernebel entstand. Erst, als sie die Veranda verlassen hatte und ihre Zehen leise Abdrücke im Schnee hinterließen, streifte sie sich ihre ledernen Schuhe über, die Kimama ihr gemacht hatte. Sie waren wärmer und bequemer als die Schuhe, die sie aus Deutschland mitgebracht hatte. Sie würde warme Schuhe brauchen.

In der Scheune begrüßte Shilah sie mit einem ruhigen Wiehern. „Hallo mein Junge. Wir haben heute etwas Großes vor, aber du musst ganz leise sein." Sanft strich Anna über die Nase des Hengstes. Am vergangenen Abend hatte sie bereits Satteltaschen mit Proviant und Decken vorbereitet und tief im Heu versteckt, sodass sie diese jetzt nur noch auf den Rücken ihres Pferdes schnallen musste. Einen umgekippten Eimer nahm sie als Hilfe für den Aufstieg. Es fiel ihr schwer die Ace Creek Ranch jetzt schon wieder verlassen zu müssen, doch sie konnte den Stamm der Apachen, die sie so freundlich aufgenommen hatten, nicht im Stich lassen. Sie musste Canovist vor den Silberjägern warnen, die es auf ihr Stammesgebiet abgesehen hatten. Noch einmal atmete sie tief durch und gab ihrem Pferd dann das Bein. „Lauf mein Junge. Wir müssen das Gesetz herausfordern."



------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

'Es hat etwas gedauert und das Kapitel ist etwas kürzer als die anderen, weil ich leider im Moment sooooo viel zu tun habe. Ich möchte aber nicht einfach nur irgendwas schreiben um regelmäßig ein neues Kapitel hochzuladen, sondern ich möchte mir weiterhin Zeit lassen, bis mir das Kapitel wirklich richtig gefällt. Ich hoffe ihr seid mir nicht böse und freut euch trotzdem noch über weitere Kapitel!

Liebe Grüße und viel Spaß beim Lesen!'



Aufbruch in die neue WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt