Das Vorgespräch in der Klinik

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Das Vorgespräch war am 17.05.17. Eigentlich hätte ich ein FSJ-Seminar gehabt, aber konnte mich krank melden, sodass meine FSJ-Einrichtung nichts von dem Vorgespräch erfahren hat.
Meine beste Freundin Lia hat mich an dem Morgen zur Klinik gefahren. Wir sind mit dem Aufzug in den zweiten Stock gefahren, wo uns eine etwas merkwürdige Frau begegnet ist. Die Frau ist auf die gegenüberliegende Station gegangen, wir sind dann zur psychosomatischen Station nach rechts abgebogen. Ich war froh, dass Lia mit mir gewartet hat, weil ich mich in diesem Moment nicht gerade wohl gefühlt habe. Dann hat mich der Psychologe Herr A. in sein Zimmer mitgenommen. Ich konnte ihn nur schlecht verstehen, da er ziemlich gebrochenes Deutsch gesprochen hat (er kommt gebürtig aus Kolumbien).
Es war mir peinlich so oft nachfragen zu müssen, was er zu mir gesagt hat, weil ich ihn kaum verstanden habe.

Herr A. hat mich erst ein paar organisatorische Dinge gefragt, z.B. mein voller Name, Geburtstagsdatum und -ort usw.
Danach hat er gemeint, dass er mir Fragen stellen wird und mich unterbrechen wird, wenn er merkt, dass ich zu weit von der Frage abschweife oder für ihn die Dinge unwichtig erscheinen.
Dann hat er meinen Überweisungsschein der Hausärztin angeschaut und die Diagnose F32.9 gelesen, was für die Depression steht. Herr A. sprach mit mir über meine Kindheit, Jugend und wie es aktuell ist. Er stellte Fragen über meine Eltern und meinen Bruder.
Außerdem fragte er mich nach einschneidenden Erlebnissen. Mir viel nicht wirklich was ein. Außer April 2014, als erst mein Kaninchen und 10 Tage später meine Oma gestorben sind. Das war damals das erste Mal, als ich mit dem Thema Tod so richtig in Berührung kam.
Bei seiner nächste Frage musste ich mehrmals nachfragen, weil ich sie nicht verstanden habe. Ich habe verstanden: "Haben Sie Ihre Oma damals beruhigt?" Ich habe gedacht, er meinte, ob ich sie beim Sterben beruhigt habe. Aber dann meinte er nein, er meinte "beruhigt", bis ich nach gefühlt 10x nachfragen verstanden habe, was er mich fragen wollte. Er wollte mich fragen, ob ich meine Oma berührt habe, als sie gestorben war.
Aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob das was mit meinen jetzigen beiden Problemen zu tun hat. Ich denke eher nicht. Vielleicht ein kleines Puzzleteil von einem großen Puzzle.
Das Gespräch ging schon 45 Minuten, als Herr A. aufgefallen ist, dass da ja noch eine zweite Diagnose steht. Die Diagnose F50.3: "Atypische Bulimie"
Ich habe ihn dann mein aktuelles Essverhalten erklärt. Dass sich Fressanfälle mit Hungerphasen abwechseln, aber dass ich nicht erbreche. Deswegen auch atypische Bulimie.
"Wie nehmen Sie Ihren Körper wahr?", war seine Frage. Ich habe darauf geantwortet, dass ich mich als zu dick empfinde. Mit dieser Antwort war er anscheinend nicht zufrieden und wollte noch mehr aus mir "rauskitzeln". Ob ich mir sicher sei, dass ich mich nur als dick wahrnehme? Als ich das bejaht habe hat er mir aber noch eine Frage gestellt: "Finden Sie, dass Sie fett sind?" Ohhhh Leute! Das hat mich so dermaßen getriggert und nochmal ziemlich runtergezogen. Klar, habe ich diese Frage bejaht, aber es war schon hart ehrlich gesagt.

Der Psychologe hat dann total die Zeit überzogen, weil er ja die zweite Diagnose erst so spät wahrgenommen hat. Aber er hat die Diagnose F32.9 zu F32.2 geändert: "schwere depressive Episode".
Ich, und eine schwere Depression? Hmm... schon komisch und damals nicht wirklich realisierbar.

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⏰ Last updated: Mar 04, 2018 ⏰

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Essstörung - Der Moment, als ich gesagt bekam, ich sei psychisch krank...Where stories live. Discover now