22.- Frei

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«where are my feelings? I no longer feel things, I know I should»

Der Himmel ist immer noch seltsam bewölkt und ich flehe die Sonne an, dass sie sich doch endlich komplett hinter den grauen Wolken versteckt. Es soll regnen. Ich will im Regen draußen in seinem Garten stehen, barfuß mit ihm an meiner Hand tanzen, wild drehen, sodass sich die Farben vermischen.
Keks sitzt in der Küche und jault nach Leckerlis. Nach ein paar Minuten geht er mir damit so auf den Wecker, dass ich nachgebe und ihm das letzte Leckerli gebe. Vielleicht sollte ich mal einkaufen gehen. Zum Glück bringt Jack heute Abend etwas zu essen. Auch wenn ich nicht wirklich Hunger habe. Es ist nachmittag und ich setze mich in die Hollywoodschaukel im Garten mit einem Block und Stiften, die ich in einer Kommode gefunden habe. Eigentlich will ich malen, doch plötzlich überkommt mich das Gefühl ein Gedicht schreiben zu müssen. So wie ich es früher auch manchmal getan hatte. Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen und für einen winzigen, unendlichen Moment habe ich das Gefühl, dass es wieder so werden kann wie damals im Sommer, als ich unter meinem Fenster gesessen und in den Sternhimmel gestarrt habe. Als ich mir noch nichts größeres vorstellen konnte als ein Taylor Swift Konzert oder eine eigene Wohnung in London. All das, was ich damals haben wollte, das habe ich jetzt. Und umso mehr schmerzt es, zu realisieren, dass es nicht so ist, wie ich es mir immer erträumt hatte.

Gegen halb sechs klingelt es und ich lege mir einen Cardigan von Aidan über die Schultern, mache mir die Haare unordentlich um 'kranker' auszusehen, bevor ich die Tür aufmache. Keks stürmt schon fast hinaus, aber ich kann ihn noch gerade rechtzeitig festhalten, bevor er Jack und die Suppe umwirft, nur im den kleinen Mops zu begrüßen, den mein Kollege mitgebracht hat. "Hey", sage ich und ziehe den Hund zurück ins Haus. Jack lacht. "Hi, kann ich rein kommen?" "Ja klar, dafür bist du doch da, oder?", frage ich und schaffe es endlich Keks rein zu holen. "Gib mir den Topf", meine ich lächelnd und nehme ihm das Essen ab. Bevor ich damit in die Küche verschwinde sehe ich, wie er seine schwarze Jacke über die von Aidan hängt und spüre einen Stich in meiner Brust. Es ist falsch, dass jetzt seine Jacke da hängt. Ich stelle den Topf ab, schließe die Augen und atme einmal tief durch, um nicht weinen zu müssen. Denn am liebsten wäre ich jetzt auf dem Boden zusammen gebrochen und hätte geweint bis es nicht mehr geht. Doch da steht schon Jack in der Tür und inspiziert die Küche. "Ist deine Freundin nicht da?", möchte er wissen. Ich schüttel mit dem Kopf und fahre mir durch die Haare. "Sie hat eine Verabredung. Weit weg." Jack nickt und steckt die Hände in die Taschen. "Hast du Hunger?" "Naja, ein bisschen", lache ich und nehme schon einmal die Teller aus dem Schrank über mir. Wenig später sitzen wir am Tisch im Esszimmer. Jack hat sich schon gewundert, warum keine Stühle am Tisch standen und ich war schnell im Keller verschwunden, um zwei nach oben zu holen. "Deine Freundin wohnt echt schön. Wie heißt sie denn?" Ich verschlucke mich fast an meinem Löffel Suppe. "Ehm, ehm, Xenia?", meine ich etwas verunsichert und nehme schnell einen weiteren Löffel in den Mund. Ich war noch nie besonders gut im Lügen gewesen und Jack fängt an zu lachen. Ich versuche ebenfalls ein bisschen zu lachen. "Wie läuft es denn auf der Arbeit so?", will ich wissen um das Thema zu wechseln. Inständig hoffe ich, dass Jack nicht auf das Sofa sieht und damit den Stapel der Männermagazine, der dort liegt. "Alles in Butter. Wirklich. Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut ohne dich funktioniert."
Mein Herz setzt für einen kurzen Moment aus. Vielleicht schlägt es danach auch nicht weiter, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich ein riesiges Loch in meiner Brust spüre, aus dem Blut auf meinen Teller tropft, meine Finger schmutzig macht. "Oh, gut zu hören." "Aber lass uns doch nicht über die Arbeit reden. Wie lange bist du denn noch krank geschrieben?", fragt Jack und schiebt den leeren Teller von sich. Sparrow und Keks scheinen sich mittlerweile angefreundet zu haben und liegen zusammen auf dem flauschigen Teppich vor der Tür zum Garten. "Ach, weiß nicht. Die Woche noch" Er nickt. Und dann herrscht eine unangenehme Stille im Raum. Mir wird plötzlich schlecht und für einen kurzen Moment habe ich das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Da ist viel zu viel Blut in mir.

All I ever feel (Aidan Turner ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt