2.- Der Unterschied

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«I think there's a flaw in my code»

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker, aber ich bin schon vorher auf gewesen. Ich bin müde und gleichzeitig hell wach. Wütend strample ich die Bettdecke zur Seite, die viel zu warm ist und bleibe eine Minute mitten auf meinem viel zu großem Bett sitzen. Ich habe eigentlich keinen Grund wütend zu sein, ich bin es einfach. Ich schmeiße mein Kissen auf den Boden und ärgere mich darüber, nicht besser geschlafen zu haben. Es ist Mittwoch. Ich hasse Mittwoch. Die Mitte der Woche ist scheiße. Genauso wie der Anfang und das Ende und alles dazwischen. Ich freue mich Dienstags aufs Wochenende, nur um Samstags zu bemerken, wie scheiße das Wochenende ist. Weil ich weder besonders viel Geld habe, um irgendwas unternehmen zu können, das mir Spaß macht, noch habe ich Freunde, die sich mit mir treffen wollen. Und Sonntags weine ich, weil am nächsten Tag eine neue Woche anfängt. Da geht die ganze Hölle noch einmal von vorne los. Eine Endlosschleife. Die einzigen Sonntage, die ich leiden kann, sind die, an denen ich nachmittags mit Aidan und einem Stück Kuchen nach einem Spaziergang im Hydepark auf seiner Couch liege und wir uns einen Disney-Film oder irgendwelche Datingserien ansehen. Doch das kommt viel zu selten vor. Solche Sonntage gab es vielleicht fünf mal. Ich wünsche, jeder Sonntag könnte so sein. Doch das war wohl ein einseitiger Wunsch.
Seltsamerweise hatten alle Leute um mich herum besseres zu tun, als sich mit mir abzugeben.
Was damit endet, dass ich beleidigt bin, wenn Aidan gehen muss, weil er etwas zu erledigen oder einen Termin hat. Ich muss sowas nie machen. Habe ich denn nichts zu tun? Wieso muss ich nicht manchmal früher gehen oder sagen Oh nein, da habe ich leider schon eine Verabredung. Lass und doch nächste Woche was ausmachen. Sowas kam bei mir nie vor. Und je länger ich darüber nachdenke, desto eher verstehe ich auch warum: Vielleicht liegt es daran, dass ich so unnötig in dieser Welt bin, dass ich einfach keine Termine oder Verabredungen benötige, wie andere Menschen es tun. Doch in meiner Wut fällt es mir leichter andere Leute zu beschuldigen, für mein wertloses und hässliches leben.

Mein Kissen bleibt auf dem Boden liegen, als ich aus meinem Schlafzimmer raus gehe und in die Küche schlurfe. Ich überlege, ob ich einen Cappuccino trinken soll und entscheide, mir einen in der Stadt zu kaufen. Das Zeug, das ich mir immer zusammenbraue, schmeckt ja doch nicht. Das nächste Problem stellt sich, als ich vor meinen Schrank stehe und nicht weiß, was ich anziehen soll. Nichts von den Klamotten, die dort hängen, scheinen angemessen zu sein. Blusen. Blusen mit Käfern. Blusen mit Bienen. Blusen mit Punkten. Blusen mit Blumen. Blusen die aussehen, wie die eines Vampires aus dem 19. Jahrhundert. Blusen und blusenartige Oberteile. Hab ich denn nur hässliche, unbequeme Blusen?! Meine Laune sinkt immer tiefer und ich entscheide mich für ein gestreiftes Tshirt, dass ich gefühlt jeden Tage trage. Immerhin ist es schwarz. Also ziehe ich noch eine schwarze Jeans an, die zwar kaputt ist, aber es ist die einzige dunkle Hose die ich habe und ich möchte nichts buntes tragen. Fühle ich mich nicht wohl drin.
Auch wenn ich das sowieso nicht tu. "Siehst scheiße aus.", sage ich zu meinem Spiegelbild. Mir ist jetzt schon zu warm, aber ich muss die Sweatjacke tragen. Die Narben auf meinen Unterarmen machen sich auf der Arbeit nicht so gut. Am Fenster schwirren ein paar Obstfliegen, die mir tierisch auf den Senkel gehen und ich frage mich woher die Viecher überhaupt kommen. Was liegt im Schlafzimmer rum, das Obstfliegen anziehen könnte? Ist halt einfach alles scheiße hier. Ich lache kurz, weil ich es lustig finde, das alles scheiße ist und male mir die Lippen rot an. Nur um kurz darauf zu bemerken, wie dumm das aussieht. Früher habe ich mir die Lippen immer rot gemacht. Früher habe ich auch noch Ketten und Blusen und Mäntel getragen. Früher.

Mit Kopfhörern in den Ohren verlasse ich meine Wohnung und laufe zur nächsten Bäckerei, um mir dort einen Cappuccino zu kaufen, der auch nicht besser schmeckt, als mein Selbstgemachter. Es scheint alles schief zu laufen. Ich arbeite in einem Urban Oufiters in der Shaftesbury. Mein Französischstudium war für die Katz gewesen. Meine Mitarbeiter im Urban Outfiters sehen natürlich alle viel cooler aus als ich.

All I ever feel (Aidan Turner ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt