18.- Zu viel Angst

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«tell me how to fix this, I'd trade my world for one wish - to go back to my other life and get it right»

Am nächsten Morgen werde ich durch meinen schmerzenden Nacken wach. Ich sitze noch immer in dem Sessel in Angus Zimmer, doch habe eine Decke um mich gelegt und Keks schläft neben meinen Füßen. Auch das Fotoalbum und das Polaroid von Aidan liegen fein säuberlich auf dem kleinen Tisch vor dem Fernseher. Ich sehe mich im Zimmer nach Angus um, doch der ist nicht zu finden. Also strecke ich mich und versuche meinen schmerzenden Nacken etwas zu entspannen, als die Tür aufgeht und Angus herein kommt. Er trägt heute einen dunkelroten Wollpullover mit passendem Hemd darunter, sowie seiner Kordhose und den Wanderschuhen. "Ach Shay, bist schon wach. Hab unten an der Rezeption nach Frühstück gefragt. Wir können gleich runter was essen gehen wenn du willst" Ich nicke lächelnd. "Gerne, ich geh mich nur noch anziehen.", sage ich und gehe mit Keks in mein Zimmer, um mich da fertig zu machen. Heute trage ich ausnahmsweise mal was von mir, was sich irgendwie falsch anfühlt. Also tausche ich mein Oberteil gegen eins von Aidan und lache über mein Bett. Sehr wahrscheinlich hätte ich darin nicht besser geschlafen, als in Angus Sessel. Dabei kann ich auch gar nicht lange geschlafen haben, wir haben letzte Nacht immerhin noch lange geredet.

Angus und ich setzen uns mit Keks an der Leine an einen großen Tisch mitten im Speisesaal, was ich eigentlich niemals getan hätte. Der kleine Tisch hinten in der Ecke - das wäre ein Platz für mich gewesen. Da, wo mich keiner sieht und niemand bemerkt. Aber Angus hat da andere Ansichten und ich möchte nicht unfreundlich sein, oder gar Nein sagen. Das darf ich gar nicht. Zum Frühstück gibt es Brot mit ein wenig Aufstrich und ekelhafter Magarine. Meinem Tischnachbarn scheint es jedoch zu schmecken und er lächelt mir mit seiner Brotscheibe in der Hand zu. Ich nehme einen Schluck von meinem schwarzen Tee mit Milch, den ich eigentlich auch nur trinke weil er britisch ist und ich mir schon vor Jahren eingebildet habe, dass ich alles liebe, was britisch ist. "Machen wir heute... Ehm... Was zusammen?", möchte ich schließlich unsicher wissen. Noch keiner von uns beiden hat in der Zeit in der wir zusammen sind, auch nur einmal erwähnt, dass sich unsere Wege ja trennen könnten oder wir verschiedene Dinge unternehmen wollen. Es schien selbstverständlich, dass wir hier zusammen sind. Angus nickt. "Ja, natürlich. Wenn du das willst. Ich dachte, dass wäre sowieso klar." Ich lächle zurück. "Schon. Also, hast du einen Vorschlag was wir machen können?" Angus scheint zu überlegen, während er sich das mittlerweile vierte Brot bestreicht. Ich weiß gar nicht wie er so viel von dem ekelhaften Zeug runterbekommt. "No, also ich denke da fällt mir noch wat ein. Wir können mal an meinem Geburtshaus vorbei schauen und hier gibt et uch ne süße Kneipe und oh, der Aussichtspunkt. Also den muss ich dir zeigen. Das is wirklich klasse da oben." "Gerne.", grinse ich und überrede mich selbst dazu, noch eine Scheibe Brot runterzuwürgen. Mir wird irgendwie schlecht, bei jedem Bissen den ich tue. Kurz denke ich, ich muss mich übergeben, schaffe es dann aber, meinen Magen zu kontrollieren und lasse das Essen einfach sein. Meine Narben beginnen zu brennen und ich habe das dringende Gefühl, meine Haut blutig zu kratzen, doch auch das schaffe ich irgendwie zu unterdrücken. Angus soll nichts merken.
Nachdem wir gegessen haben, ziehe ich mir noch schnell ein paar alte Turnschuhe von mir an, die ich glücklicherweise eingepackt habe. Angus wartet bereits abmarschbereit bei der Rezeption und klopft mit seinem Wanderstock im Takt auf den Dielenboden. "Fertig?", fragt er und richtet sich den Regenhut. Ich nicke fest. "Fertig." Auch Keks kann es wohl kaum abwarten sich zu bewegen, sowie der an der Leine zieht als wir raus gehen. Es ist wärmer als gedacht, was mich ein wenig ärgert. Die Hitze stört mich. Lieber hätte ich peitschenden Regen und Minusgrade, anstatt dem wolkigen Sonnenschein, der die Luft stickig wirken lässt. Angus erzählt mir ein paar Erinnerungen, als wir die kleinen Straßen von Oldham entlang laufen. Er grüßt freundlich jeden Passanten, dem wir begegnen, als würde er sie alle kennen. Ich grinse ihnen immer nur stumm zu, bin zu feige, selbst etwas zu sagen. Nach gut einer Stunde in der wir durch die Stadt gelaufen sind, bleibt Angus mit mir vor einem alten Backsteinhaus stehen. "So, das isses also.", sagt er und sieht sich das Haus genaustens von oben bis unten an. "Das ist das Haus, wo du aufgewachsen bist?", hake ich nach und fasse bedächtig einen der roten Steine an. "Ja, schöne Zeit hab ich hier verbracht. Schöne Zeit. Sollen ma mal rein gehen?" "Oh ja." Ich nehme Keks etwas kürzer an der Leine, als Angus auf die Klingel drückt. "Hoffen ma mal, dass diesmal kein so unfreundlicher Italiener die Tür aufmacht, wa?", fragt er mich mit einem Lachen in der Stimme. Kurze Zeit später macht auch jemand die Tür auf und zur Erleichterung von uns beiden, ist es kein unfreundlicher Italiener, sondern ein - meiner Meinung nach- ziemlich cool aussehender Mann, der circa Mitte 50 ist. "Tach", sagt er und drückt dabei den großen Rottweiler zurück, der sich an seinem Bein aus der Tür zu Keks drücken will. "Tach", antwort Angus und streckt dem Mann die Hand hin, der sie auch annimmt. Er hat eine Glatze, aber seine Handgelenke und sein Kopf sind fast komplett mit Tattoos bedeckt. Außerdem hat er einen grauen Bart und trägt einen Pullover mit der Aufschrift "Harley Davidson".
"Angus mein Name. Ich hab hier ma gewohnt. Is aber auch schon ne ganze Zeit her. Wollte nur mal vorbei schauen, wer hier heute so wohnt.", erklärt Angus freundlich. "Ach, ja dann. Kommt doch mal rein.", meint überraschenderweise der andere Mann und führt uns durch das Haus. Drinnen ist es noch wärmer als draußen, aber da stört es mich nicht mehr. Es ist etwas unordentlich, an den Wänden hängen Fotos von schweren Motorrädern, Frauen in Petticoats und einer jüngeren Version unseres Gastgebers. "Ah, das Wohnzimmer. Ich erinnere mich.", seufzt Angus. "Setzt euch doch.", sagt der Mann und deutet auf eine schwarze Ledercouch. Ich habe Keks ganz fest an der Hand und hoffe, dass er den Rottweiler nicht anbellt und provoziert. Keks ist nicht sehr gut auf andere Hunde zu sprechen, das weiß ich. Es ist besser, ihn manchmal einfach ganz weg zu halten.

All I ever feel (Aidan Turner ff)Where stories live. Discover now