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"Will mir endlich mal einer verraten, was hier los ist?" frage ich aufgebracht und stehe von Liams Schoß auf.

Nachdem Milan uns beide unterbrochen hat, sind wir ihm in das Haus gefolgt und in die Küche gegangen. Dort haben uns schon alle erwartet. Und mit alle meine ich auch wirklich alle. Bewohner des Reservats, die ich bereits kenne und welche die ich noch nicht kenne. Sogar Leute von außerhalb sind gekommen, hat mir Liam zugeflüstert. Nachdem er mich einigen vorgestellt hat, hat sich Liam auf einen der Küchenstühle gesetzt und mich auf seinen Schoß gezogen. Das sollte jetzt ungefähr 20 Minuten her sein. In der Zeit hat bedrückende Stille geherrscht und alle haben mich auffällig beziehungsweise weniger unauffällig angestarrt. So und jetzt sind wir bei meiner Frage angelangt, was hier eigentlich los ist.

"Das ist nicht so einfach zu erklären." meldet sich Aiden zu Wort und schaut mich mit einem besorgten Blick an. Allerdings ist das nicht ungewöhnlich, da er ständig so schaut.

"Dann versucht es doch einfach." sage ich nun verzweifelt, weil ich die einzige in diesem Raum zu scheinen sei, die keine Ahnung hat was hier vor sich geht.

"Ich glaube du und Liam solltet das alleine klären. Es geht hier um sehr persönlich Sachen." wirft Mandy, eine Frau mit roten Haaren, die mir vorhin vorgestellt wurde, ein.

"Wenn es hier um so persönliche Sachen geht, warum wisst ihr dann alle bescheid?" frage ich verwirrt nach.

"Weil du deren Zukunft bist." sagt Lucifer schmunzelnd und kassiert dafür ein Schlag auf den Hinterkopf von Sia.

"Was..." möchte ich anfangen zu fragen, doch werde von Liam unterbrochen, der mich aus der Küche rauszieht. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, lasse ich mich von ihm weiter durch den Wald an unseren Platz ziehen. Erst als wir an dem Bach ankommen, bleibt Liam stehen.

"Wenn es doch nur so einfach wäre." flüstert er kaum hörbar, da er mit dem Rücken zu mir steht.

"Versuch es mir einfach zu erklären. Sag mir erst einmal was Lucifer damit meinte, dass ich eure Zukunft sei." sage ich und drehe Liams Gesicht zu mir.

"Es gibt eine alte Legende." beginnt er und setzt sich dann auf den Boden und winkelt dabei seine Beine ein wenig an. Erst als ich mich auch neben ihn setzte, erzählt er weiter. "Es wird gesagt, wenn in einem Jahr des Blutmondes ein männlicher Werwolf seine Mate findet und sie bis zu besagtem Blutmond nicht markiert hat, dann gelangen alle Schattenwesen wieder auf die Erde. Bis dahin wäre es noch gar nicht schlimm, da diese Legende auf so fast jeden Werwolf zutreffen würde. Aber bei dieser Prophezeiung ist die Rede von einem besonderen Mate, von einem menschlichen Mate. Etwas das in der Wolf-Geschichte noch nie vorgekommen ist. Und solange dieses Ereignis nicht geschehen ist, wurde ein Pakt mit der Gilde geschlossen. Sie behalten die Schattenwesen in der Unterwelt gefangen bis eben diese Legende erfüllt wird. Wenn es zu solch einem Ereignis kommt ziehen der Wolf und sein Mate Unmengen an Energie aus der Göttin Sekmeth. Sie ist sowas wie Mutternatur und sorgt für Recht und Ordnung in der Welt. Aber durch diese Verbindung eines Werwolfs und eines Menschen wird sehr viel Energie benötigt. Etwas das in tausenden von Jahren noch nicht aufgetreten ist. Und erst durch die Markierung wird das Band der beiden so stark, dass sie nicht länger Energie von Sekmeth benötigen und sie kann sich um die Gilde kümmern, die die Schattenwesen in der Unterwelt behält."

Was will er mir damit sagen? Dass Magie und Fabelwesen auch in der echten Welt existieren oder, dass er einfach nur verrückt geworden ist?

"Ich versteh nicht ganz..." stottere ich und schaue Liam von der Seite an.

"Das dachte ich mir schon." schnaubt er verächtlich und steht auf. "Es ist besser wenn ich es dir zeige. Wahrscheinlich würde ich meinen Worten selbst keine Glauben schenken, wenn ich an deiner Stelle wäre." sagt er und knöpft sein Hemd auf, nur um es gleich achtlos auf den Boden fallen zu lasse. Danach folgt auch sein T-Shirt und als er seine Hose öffnen möchte stehe ich erschrocken auf und entferne mich ein Stück von Liam, der offensichtlich verrückt geworden ist. "Du wirst mich gleich etwas anders sehen, aber vergiss nicht, dass das immer noch ich bin. Du brauchst keine Angst zu haben, aber bevor du es nicht mit eigenen Augen gesehen hast, wirst du mir nicht glauben." sagt er während er seine Schuhe auszieht und sich auch noch die Hose von den Beinen streift. Nun steht er nur noch in einer Unterhose bekleidet vor mir und schaut mich mit einem schwachen Lächeln an. Unter anderen Umständen hätte ich nicht einmal etwas gegen diesen Anblick einzuwenden, doch so wie es gerade ist, ist es einfach nur merkwürdig.

Plötzlich beginnt Liam schnell zu atmen bis ein schweres Schnaufen ertönt. Seine Brust hebt und senkt sich ungewöhnlich schnell. Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht. Und als ich Liams Augen funkeln sehe, bekomme ich es mit der Angst zu tun. Deswegen gehe ich noch einen Schritt zurück, doch lasse Liam nicht aus den Augen. Trotz, dass ich etwas weiter weg von ihm stehe, sehe ich, wie sich sein Körper verändert. An seinem gesamten Körper wachsen auf einmal Haare und sein Kiefer schiebt sich leicht nach vorn. Zudem kommt noch das unangenehme Geräusch von Knochen die brechen. Was um Himmels Willen passiert hier gerade? Als Liam dann auch noch auf die Knie fällt, geschieht alles ganz schnell. Seine Knochen verschieben sich, sein Gesicht verformt sich und er wächst ungeheuerlich schnell. Es passiert sogar so schnell, dass ich einige Momente brauche um zu kapieren was gerade weniger Meter von mir entfernt auf dem Boden sitzt.

Ein großer dunkelbrauner Wolf mit grün schimmernden Augen. Der Wolf aus meinem Traum.

Für mich ergibt im Augenblick nichts Sinn, außer eins. Laufen! Ich drehe mich von dem riesigen Vieh weg und laufe. Laufe so schnell wie ich kann. Noch schneller als in meinem Traum, denn jetzt weiß ich das ich in der Realität bin, so absurd das auch sein mag. Ich laufe weiter und weiter bis sich die Bäume wieder lichten und ich bereits die ersten Holzhütten erkennen kann. Nur wenige Augenblicke später kommen mir Maddy, Milan, Scott, Aiden, Sia und noch ein paar weitere Personen entgegen. Sia ist die erste, die mich erreicht und aufhält, damit ich nicht weiter rennen kann.

"Dann hat es dir Liam wohl nicht schonend beigebracht?" flüstert sie und schaut mir tief in die Augen.

"Liam...er ist...er hat sich..." bringe ich sinnlos und nach Luft ringend hervor.

"Ist okay. Beruhig dich." sagt sie und streift mir verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Als ich ein Knurren hinter mir höre, drehe ich mich wieder um und schaue in funkelnde grüne Augen. Doch das wird mir zu viel und ich gehe einige Schritte zurück. Auch wenn mir Sia beruhigende Worte zuflüstert. Es ist mir egal, ob er nicht gefährlich ist. Er ist ein großes wildes Tier, dass mir mit einem Biss sonst was für Schmerzen zufügen könnte.

Enttäuscht lässt der Wolf seinen Kopf hängen und ich kann zu sehen, wie er sich wieder verändert. Schneller als gerade eben kauert ein nackter Liam vor mir. Und bevor ich ihn noch weiter geschockt anstarren kann, legt Milan ihm eine Decke über und ich sage zu Sia: "Bring mich nach Hause." Diese nickt nur und fährt mich in ihrem Auto zu mir nach Hause.

Luna - menschliche Gefährtin Where stories live. Discover now