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Es war bisher ein schöner Tag. Selbst der Regen heute Vormittag war schön. Nichte einmal die aufgedrehte Art von Sophia hat mir ein negatives Wort entlockt. Nein, heute war alles schön. Und es sollte noch besser werden.

"Soll ich dich nach Hause fahren oder holt dich dein Freund ab?" ruft mir Sophia zu, die mir eben den Schulflur entgegen kommt.

"Pssscht! Nicht so laut. Du brauchst mich nicht mit nehmen. Liam wartet schon draußen auf mich." sage ich und ziehe mir die Kapuze meiner Weste über den Kopf.

"Ist gut, dann melde ich mich einfach heute Abend noch mal bei dir. Also bis dann." Und schon ist sie verschwunden, ohne das ich mich bei ihr verabschieden konnte.

Auf dem Weg nach draußen zu Liam, denke ich noch einmal an heute Morgen zurück, als ich Sophia von Liam und mir erzählt habe. Wir saßen bei ihr im Auto, sie hat mich gerade abgeholt und wir waren auf dem Weg zur Schule. Ungefähr drei Straßen von mir zu Hause entfernt ist es dann einfach so aus mir heraus geplatzt. Sophia hat abrupt ihren Wagen zum Stehen gebracht und mich mit weit aufgerissenen Augen angeschaut. Dann durfte ich mir Sachen wie "Ich freue mich so für euch!" und "Warum hast du mich nicht gleich angerufen?!" oder "Das ging aber schnell." anhören. Aber am besten war immer noch die Frage, wie wir unsere Kinder nennen wollen. Wir sind doch gerade erst einen Tag zusammen, da macht man sich über so etwas noch keinen Gedanken. Das habe ich meiner besten Freundin auch erklärt. Aber für sie scheint es unmöglich sich solche Gedanken nicht zu machen.

Als ich auf dem Schulhof ankomme höre ich ein aufgewühltes Tuscheln. Die Schüler stehen draußen in der milden Kälte, flüstern über irgendwas und schauen alle in eine Richtung. Ich folge den Blicken und bleibe bei wunderschönen magischen grünen Augen hängen. Dabei stehen auch Scott, Aiden und Madison. Aber lange halte ich mich nicht an den drein auf, da mein Blick immer ungewollt zu Liam huscht. Es ist als würde mein eigener Körper sich gegen mich stellen und mir sagen, dass nur Liam wichtig ist. Ob nun ich selbst oder meine Beine sich entschieden haben los zu laufen, weiß ich nicht. Jedenfalls tue ich es mit nur einem Ziel- Liam. Und als wüsste er was in mir vor geht, drängt er sich an Scott, Aiden und Maddy vorbei und läuft mir einige Schritte entgegen. Ziemlich schnell spüre ich Liams Arme um mein Gesicht und seine Lippen auf meinen. Es ist nur ein kurzer Kuss, dennoch ist er mit voll Intensität geprägt. Erst vor einigen Stunden haben wir uns verabschiedet und jetzt fühlt es sich an, als wären es Tage gewesen. Diese Verbindung zwischen Liam und mir fühlt sich schon längst nicht mehr normal an.

Langsam lösen wir uns voneinander und schauen uns in die Augen. Sofort weiß ich, was Liam denkt und nicke ihm zu, dass wir gehen können, da die Schüler um uns herum zu viel sind. Wir wollen lieber für uns sein und unsere Zweisamkeit genießen.

"Das nenne ich mal eine gelungene kleine Show." sagt Scott als wir an ihnen vorbei laufen.

"Ignoriere ihn einfach." flüstert mir Liam zu und zieht mich näher zu sich.

An seinem Auto angekommen, hält er mir die Beifahrertür auf, damit ich einsteigen kann und wir zu diesem Waffelladen fahren können.

Durch den Regen heute Vormittag steht halb Blue Wood unter Wasser. Durch riesige Pfützen haben sich die Straßen in kleine Flüsse verwandelt und zu diesem Zeitpunkt möchte man lieber nicht zu Fuß unterwegs sein. Denn die Autos, die durch diese riesigen Pfützen fahren lassen das Wasser ziemlich hoch spritzen und wenn man dann keine Wasser abweisenden Klamotten anhat, ist man sehr schnell von oben bis unten durchnässt.

"Hast du viele Hausaufgaben auf?" fragt mich Liam als wir den Waffelladen betreten und uns an den gleichen Platz von neulich setzen.

"Nein eigentlich nicht. Ich muss nur einen Aufsatz zu Ende schreiben, aber das sollte nicht lange dauern." sage ich und krame meinen Laptop aus der Tasche und fahre ihn hoch.

"Um was geht es denn in diesem Aufsatz?" fragt Liam interessiert nach.

"Um den Krieg von 1812. Geschichte ist vielleicht nicht mein Lieblingsfach aber dieses Thema macht mir irgendwie Spaß. Ja, es macht mir sogar so sehr Spaß, dass ich bereits zwei Seiten extra geschrieben habe." erzähle ich, während Liam unsere Waffeln bestellt.

Im Rausch der Geschichte fliegen meine Finger über die Tastatur, so dass ich meinen Aufsatz in weniger als 20 Minuten nieder geschrieben habe. Stolz über meine eigene Wortwahl überfliege ich noch einmal die sechs Seiten und speichere anschließend das Dokument, damit ich mich wieder voll und ganz Liam widmen kann. Dieser schaut allerdings grimmig auf sein Handy und dann zu mir.

"Was ist los?" frage ich besorgt nach. Doch Liam antwortet mir nicht. Er schaut mich weiterhin mit zusammen gekniffenen Augen an und wirkt sichtlich nervös. "Hey, was ist los?" frage ich erneut nach und lege dabei meine Hand über seine. Erst da scheint er aus seiner Starre zu erwachen und umgreift schließlich meine Hand.

"Wir müssen los!" ist das einzige was er sagt, bevor er mich von meinem Platz hoch zieht.

"Was?" frage ich überrascht nach und schaue auf unseren halb aufgegessenen Teller mit Waffeln. Doch Liam scheint es nicht für nötig zu halten mir noch mehr Informationen zu geben und legt ein paar Dollar auf den Tisch und zieht mich dann hastig aus dem Laden. Zum Glück konnte ich noch meine Tasche und meinen Laptop schnappen. Also, vielleicht kenne ich Liam noch nicht so lange und in dieser Zeit war er auch noch nie so, aber ich kenne ihn gut genug, dass ich sagen kann, dass irgendetwas nicht stimmt.

Wie vorhin hält er mir die Beifahrertür auf und ich steige in den Jeep ein. Als erstes verstaue ich meinen Laptop in meiner Tasche und anschließend schnalle ich mich an. Liam ist bereits losgefahren und umgreift das Lenkrad krampfhaft. Er umgreift es so fest, dass seine Fingerknöchel schon weiß hervor stechen.

"Egal was passiert ist, es wird bestimmt alles wieder gut." sage ich leise und lege ihm meine Hand auf seine. Sofort entspannt sich Liam etwas und schaut kurz zu mir rüber. Seine Falte, die er durch das angestrengte gucken bekommen hat, auf der Stirn ist nun verschwunden, stattdessen ziert ein schwaches Lächeln seine Lippen.

Wenige Minuten später kommen wir in dem Reservat an und sofort steigen wir aus dem großen Jeep aus. Doch bevor wir weiter gehen können, hält mich Liam zurück. Er dreht mich so, dass ich mit dem Rücken zu den Häusern stehe und nur Liam anschauen kann.

"Was auch immer gleich passieren wird, bitte versprich mir, dass du mich nicht von dir stößt. Ich könnte es nicht ertragen zu wissen, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben möchtest." sagt er und hält mein Gesicht fest in seinen Händen.

"Warum sollte ich dich von mir stoßen?" frage ich schon etwas beängstigt nach. Doch Liam antworte mir nicht und zieht mich stattdessen einfach ein Stück weiter.

"Liam!" sage ich mit fester Stimme und bleibe stehen. Dieser dreht sich zu mir um und schaut mich mit einem undefinierbaren Blick an. "Alles wird gut." flüstere ich ihm zu und lege meine Hand auf seiner rechten Wange ab. Dabei funkeln seine grünen Augen wieder ein wenig auf. Warum sollte ich mich auch freiwillig von Liam fern halten wollen? Ich kann mir ein Leben ohne ihn doch gar nicht mehr vorstellen. Das alles sehe ich auch in Liams Augen. Ihm geht es genauso wie mir, dass ein Leben ohne den anderen einfach unvorstellbar ist. So von seinen Augen gefangen genommen, habe ich gar nicht mitbekommen, wie sich unsere Gesichter automatisch immer näher kommen. Und als hätten wir ein Leben lang darauf gewartet, legen sich unsere Lippen aufeinander und ich seufze in den Kuss hinein. Wie kann etwas so einfaches nur so viel in mir auslösen? Jedes mal, wenn ich Liam küsse, fühlt es sich an als wären wir die einzigen Menschen auf diesem Planeten und eine Explosion an Gefühlen rauscht durch meinen Körper. Dass Liam mich noch näher an sich zieht, hilft meinen schlaff gewordenen Knien nicht besonders, aber ich schlinge meine Arme einfach um seinen Nacken und lasse mich fallen. Es ist fast wie zu Halloween, als wir uns mitten in der Nacht geküsst haben und nichts anderes gezählt hat.

"Das könnt ihr auch noch später machen. Wir haben jetzt wichtigeres zu tun!" ruft eine männliche Stimme und ich schrecke ruckartig von Liam zurück. Doch er bleibt ganz ruhig und legt einen Arm um meine Schulter, dann schaue ich zu der Person, die unseren Kuss unterbrochen hat und erkenne Milan, der an dem Haupthaus steht und ernst zu uns schaut, sich allerdings ein kleines Grinsen nicht verkneifen kann.

Luna - menschliche Gefährtin Where stories live. Discover now