Kapitel 32

112 7 2
                                    

Wie wir es am Ende überlebt hatten, wusste ich nicht mehr. Das einzige, woran ich mich erinnerte, waren die Momente, in denen jeder einzelne kurz vorm sterben war. Da war Justin, der es mit zwei Vampir-Dämon-Hybriden gleichzeitig aufnehmen musste und der alleine Cole dafür danken konnte, noch am Leben zu sein. 

Oder Mary, die einen Moment nicht aufgepasst hat. Hätte ich nicht geschossen, wäre sie ebenfalls nicht mehr unter den Lebenden. So viele Momente, Minuten, Sekunden in denen wir alle hätten sterben können und doch standen wir hier vor Sashas Leiche. 

Viele der Spritzen sind zu Boden gefallen und zerstört worden. Am Ende hatten wir nur noch zwei. Die von Arizona und Jorge. Doch letzterer war ewig nicht aufgetaucht und gerade, als ich dachte, es wäre vorbei, sprach Arizona einen mächtigen Zauber, der die Zeit für kurze Zeit verlangsamte. 

In dem Moment tauchte Jorge auf und rammte seine Spritze in Sashas Hals. Sekunden voller bangen folgten, bis Sasha tot zu Boden ging und wir erleichtert aufatmeten. Danach war es ein leichtes, die anderen seiner Gefolgsleute zu töten. 

Das erste, was Justin tat als es vorbei war, war mich zu küssen. Ohne zu zögern erwiderte ich diesen Kuss, in welchem so viel Leidenschaft steckte. Ich schlang meine Arme um seinen Oberkörper. So blieben wir auch stehen, als der Kuss geschehen war. 

Alle waren außer Atem und geschafft. »Wir leben noch alle«, kam es von Mary, die erleichtert in die Runde blickte. Schlechtes Gewissen überkam mich, denn nicht alle von uns waren noch am Leben. Jetzt war der richtige Zeitpunkt, es ihnen zu sagen. 

»Nicht alle«, sagte ich ich, weshalb sie mich sofort ansahen. Jorge schien zu verstehen, was nun folgen würde und lehnte sich gegen die Wand. 

»Samuel ist tot. Er ist seit dem Tag tot, an dem wir in dem Club waren. Als ich Hilfe holen war, habe ich auch Samuel mitgebracht. Er starb, als er mich beschützen wollte«, gab ich beschämt von mir. 

Ich schämte mich dafür, es ihnen so lange verheimlicht zu haben. Doch es musste einfach sein, sonst wäre das hier nicht so abgelaufen. Wütende Menschen denken nicht nach, bevor sie handeln und Wut, die hätten Mary und Justin definitiv in sich getragen. 

Justin löste sich langsam von mir und sah mich an. Er wirkte schockiert, während ich aus dem Augenwinkel sah, wie Mary versuchte, nicht zu weinen. Cole sah ebenfalls geschockt aus, schließlich hörte er soeben, dass sein Boss tot ist. 

Ich erklärte ihnen, weshalb ich geschwiegen habe. Und ich sagte ihnen auch sofort, wer alles davon wusste. Riley, weil er dabei gewesen war. Hunter, da er meine Gedanken lesen konnte und Jorge, weil ich ihm Anfangs die Schuld dafür gegeben habe. Nicht, dass es mit seiner Anwesenheit nicht anders gekommen wäre, doch er konnte nicht ahnen, was für ein Ende das alles für Samuel nimmt. Sonst wäre er geblieben, das weiß ich.

Den meisten von ihnen konnte man immer ansehen wie sie sich fühlten. Doch dieses mal war dies nicht der Fall und ich wünschte, ich könnte Gedanken lesen, so wie Hunter es konnte. Nur dieses eine mal hätte ich gern diese Gabe. 

Es war still im Raum. Niemand sagte einen Ton. Mary rang mit sich selbst und Arizona starrte nach vorn. »Wir sollten Nachhause gehen«, kam es schließlich von ihr und mit diesen Worten setzte sie sich dann in Bewegung. 

Die anderen folgten ihr nach draußen. Justin sah mich noch kurz an, bevor er meine Hand nahm und mit mir zusammen ebenfalls hinausging. Dann machten wir uns alle auf den Weg zu Arizonas Wohnung, wo Hunter erleichtert wirkte, als er Justin und mich sah. Er sagte, Sydney sei schon im Bett und das erste was ich tat war, mich selbst davon zu überzeugen. 

Nicht, weil ich ihm misstraute, sondern einfach weil es gut tat, sie zu sehen zu können. Nach heute Abend würde ich jeden einzelnen Tag schätzen, den ich mit ihr und Justin zusammen verbringen konnte. 

Die erste Person, die das Bad einnahm, war Arizona. Sie wollte noch einmal zu Riley ins Krankenhaus, was ich nachvollziehen konnte. Es musste ihm sowieso jemand sagen, dass es allen gut geht und sie hatte so die Chance, die Dinge mit ihm in Ruhe zu klären. 

Nachdem ich mich umgezogen hatte, setzte ich mich mit Justin zu den anderen auf die Couch. Jorge teilte Schnapsgläser aus und kippte jedem etwas ein. Dann nahm ich meins. 

»Auf den Frieden«, kam es von Mason. Danach trank jeder seinen Schnaps aus. Für mich reichte dieses Maß an Alkohol und auch der Rest - Jorge ausgeschlossen - trank nichts mehr. Arizona winkte uns kurz zu, bevor sie aus der Tür verschwand. 

Dann blickte Mary zu mir. Ich suchte in ihrem Blick nach etwas vorwurfsvollem oder wütenden, doch nichts von dem war zu finden. 

»Mach dich wegen Samuel nicht fertig, okay? Es ist nicht deine Schuld und so wie es ihm am Ende ging, ist es für alle Beteiligten das beste«, sagte sie und nahm mich kurz in den Arm. Ich nickte. 

Natürlich war es das beste. Ihm konnte es so nicht noch schlimmer gehen und niemand konnte verletzt werden. Doch er war einer unserer besten Freunde. Da war es schwer, den Tod zu akzeptieren. 

Wir redeten bis tief in die Nacht hinein. Über Samuel, über unser Leben und wie es in Zukunft weiter gehen soll. Jorge und Mason würden die Stadt wieder verlassen, doch dieses mal bleibt Mason in der Nähe, falls wir Hilfe brauchen sollten. 

Wir würden alle im gleichen Gebäudekomplex leben, sodass wir uns niemals aus den Augen verlieren würden. Und auch Justins und meine Hochzeit war ein Thema. Wir einigten uns auf den Termin; es sollte im Sommer sein. Alle waren eingeladen. 

Das erste mal, seitdem wir wieder in der Stadt waren, fühlte ich mich sicher und frei. Hoffentlich würde sich nun endlich alles zum Guten wenden. Hatten wir das nicht verdient? Vielleicht würde es nicht immer ruhig in New York sein, aber schlimmer als dieses mal konnte es nicht mehr kommen. Wir waren auf alles vorbereitet worden. 

* * *

Am nächsten Morgen wurde ich von Sydney geweckt und nie war ich glücklicher darüber. Leise stand ich auf und ging mit ihr in die Küche, wo ich sie fütterte. Ich hatte mich bereits vor Justin ins Bett gelegt, weshalb dieser noch am schlafen war.

Und wie ich aus der Küche sehen konnte, haben auch Mary und Jorge die Nacht hier verbracht. Mason hatte sich schon gestern Abend verabschiedet. Es war amüsant anzusehen, wie Jorge schnarchend auf der Couch lag und Mary es sich auf einer Matratze auf dem Boden gemütlich gemacht hatte. 

Als ich mit de Füttern fertig war, ging ich mit ihr ins Wohnzimmer und spielte etwas mit ihr, als die Haustür aufging. Hunter und Arizona kamen mit Riley rein, welcher noch leicht von Hunter gestützt wurde. Er half ihm bis zum Sessel. Fragend sah ich alle drei an. 

»Ich bleibe nur so lange wie nötig im Krankenhaus. Arizona schafft den Rest schon alleine, schließlich bin ich ein netter Patient«, sagte Riley mit einem leichten Grinsen. Sein altes er war wieder zurück und ich musste lächeln. Scheinbar hatten er und Arizona alles geklärt. 

Diese brachte ihm Essen während Hunter sich zu Sydney und mir setzte. »Ich werde bleiben«, meinte er während er Sydney beim bauen eines Turms aus Bauklötzen half. Es klang recht beiläufig, aber dennoch freute es mich das zu hören. 

Nach einiger Zeit kam auch Justin aus unserem Zimmer. Zuerst sah er verwundert zu Riley, doch als ich es ihm erklärte, nickte er nur noch. Doch es schien nicht, als könnte er Rileys Verhalten verstehen. Ich hingegen schon, denn ich hasste Krankenhäuser genauso sehr wie er es tat. Justin lag schon eine Ewigkeit in keinem mehr. 

Auch er setzte sich zu mir und legte seinen Arm um mich, bevor er mich kurz küsste, was mich lächeln ließ. Er erwiderte mein Lächeln und in diesem Moment fühlte sich einfach alles richtig an. 


dark night ➹ j.b ✓Où les histoires vivent. Découvrez maintenant