Kapitel 24

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Es dauerte eine Weile bis ich mich wieder gefangen hatte. Doch das war doch nur natürlich, schließlich hatte ich gerade einen meiner besten Freunde verloren. Schniefend stand ich auf. Wir würden ihn hier liegen lassen müssen. Jedenfalls vorerst.

»Ich erledige das hier später«, kam es dann von Riley. Ich nickte nur. Er würde Samuel irgendwo vergraben. So war es das beste. Den anderen, vor allem Justin, jetzt zu sagen, dass Samuel tot sei, würde sie nur aus der Bahn werfen. Ich hatte ja Riley, mit dem ich darüber reden konnte. 

Nachdem ich mir die letzten Tränen weggewischt hatte, gingen wir schnell zum Rand des Gebäudes. Beim Laufen lud ich die Pistole nach, um mich zum schießen bereit zu machen. Doch dies schien nicht weiter nötig zu sein. Sasha war verschwunden, die Dämonen-Vampir-Hybride tot und Julien wurde von allen umzingelt. 

Riley und ich sahen uns kurz an, bevor wir hinunter und zu ihnen gingen. Ich stellte mich zu Justin. Ein Glück ging es wenigstens dem Rest von uns allen gut. Nun blickte auch ich zu Julien. Die Angst konnte man ihm mehr als deutlich ansehen. 

»Es...es tut mir leid«, stotterte er und sah auf dem Boden. Vermutlich wollte er niemandem von uns in die Augen sehen. Vor allem meinem Blick wich er aus. Er musste mitbekommen haben, was da oben geschehen war, schließlich hatte er nur herumgesessen. Es war auch seine Schuld. Ohne ihn wäre das alles nicht passiert. Dann wäre Samuel noch am Leben. 

»Es tut dir leid? Das sollte es auch. Du kannst froh sein, dass ich dir nicht auf der Stelle das Herz herausreiße«, kam es von Mary und in ihrer Stimme war deutliche Wut zu hören. Ich sah zu ihr. Ihr vorhin noch perfekt liegendes Haar war nun wild durcheinander und an ihrer Kleidung befand sich Blut. 

Erst jetzt sah ich mir auch die anderen genauer an. Justin hatte kaum etwas abbekommen. Hunter am meisten, doch er begann bereits zu heilen. Sein eindringlicher Blick durchbohrte mich förmlich. Das mit Samuel tut mir leid, sagte er in meinem Kopf. 

Mehr als nicken konnte ich nicht. Sollte er schon vorhin meine Gedanken gelesen haben, dann wusste er, dass er schweigen sollte. Dämon hin oder her, ich vertraute Hunter in diesem Punkt. 

»Denkt ihr, ich hätte das gemacht, wenn ich eine Wahl gehabt hätte?«, entgegnete Julien. Er versuchte sich zu verteidigen, doch es misslang ihm kläglich. Man hatte immer eine Wahl. Auch wenn ich ihn gerade hasste, Jorge war das beste Beispiel dafür. Er widersetzte sich Sasha. 

»Wie lange hattest du das schon geplant?«, wollte Hunter wissen und verschränkte die Arme. Er musste etwas interessantes in Juliens Kopf gefunden haben, wenn er diese Frage stellte. Und ich war gespannt auf seine Antwort. 

»Seitdem ich euch damals begegnet bin. Sasha hatte mich bereits vorher aufgesucht«, antwortete er und senkte erneut seinen Blick. Das war lange. Sogar extrem lange. Aber wieso? Was hatten wir ihm denn getan? Wir hatten ihm eine Wohnung gegeben. Er hat bei Justin und mir gewohnt. Bei Gott, ich habe ihm sogar meine Tochter anvertraut. Wir alle hatten ihm vertraut. 

Mary legte ihre Hand um seinen Hals. »Jetzt solltest du mir einen wirklich guten Grund nennen, dich nicht zu töten, denn ich bin gerade etwas wütend.« Ich würde es ihr nicht verübeln, wenn sie ihn töten würde. Doch dass sie ihm eine Chance gab, sich zu erklären, zeugte davon, wie sehr sie sich seit unserer ersten Begegnung bereits verändert hatte. 

»Meine Familie«, sagte er leicht hustend. Fragend sah ich ihn an und ich war vermutlich nicht die einzige. Er hatte uns allen erzählt, seine Familie sei tot. War das etwa auch eine Lüge? Mary ließ ihn los und sagte, er solle auspacken. 

Erneut hustete er kurz, bevor er damit begann. »Ich dachte noch bis vor einigen Jahren, meine Familie sei tot, weil sie damals verschwunden ist. Doch Sasha hat sie in ihrer Gewalt. Sie sind Vampire und haben ihm geholfen. Doch als sie fliehen wollten,  begann er sie zu foltern. Dies erfuhr ich kurz bevor ich euch traf, denn er wusste, ihr würdet ihm ein Hindernis sein. Ich sollte euch töten.« Nach dieser Erklärung wusste ich nicht, ob ich Wut oder Mitleid empfand. 

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