Kapitel 31

88 8 1
                                    

Auf der Rückfahrt stellte ich Riley einige Fragen, doch dieser antwortete nicht darauf. War das sein verdammter ernst? Er musste darauf antworten, denn schließlich wollte mich eine von ihnen gerade im See ertränken. 

»Jetzt antworte verdammt noch mal«, sagte ich leicht sauer. Kurz schien er zu überlegen, bis er schlussendlich seufzte. 

»Meerjungfrauen leben nicht nur in Meeren, sondern in allen Gewässern. Ich wusste nicht, dass sich auch welche in diesem See aufhalten, denn dann wäre ich dort nie hingefahren«, erklärte er und ich folgte seinen Worten neugierig. 

»Ihr Volk wurde halb ausgerottet, es existieren also nicht mehr allzu viele. Sie halten sich grundsätzlich von Menschen und anderen Wesen fern, haben aber auch nichts gegen einen kleinen Snack, wenn du verstehst, was ich damit meine.« Ich nickte, denn ich verstand ihn. Sie aßen Menschen, wenn sie die Möglichkeit dazu bekamen. 

»Außerdem leben sie recht isoliert. Andere Wesen wollen nichts mit ihnen zutun haben und sie nichts mit denen. Reicht dir das als Antwort?«, wollte er wissen und wieder nickte ich. Leider brachte mich das aber auch zu dem Gedanken, dass ich nie wieder in einem See baden gehen würde. Oder Sydney in einen hineinlassen würde. Dafür wäre mir das Risiko einfach zu groß. 

Es dauerte nicht lange und wir hielten schon wieder. Nachdem wir ausstiegen und zurückgehen wollten, hielt ich Riley mit meiner Stimme zurück, weshalb er sich fragend zu mir umdrehte.

»Ich weiß, dass du gerade sauer auf Arizona bist. Aber wir müssen gegen Sasha zusammenhalten.« Ich weiß nicht, weshalb ich das angesprochen hatte. Zweifelte ich an seiner Loyalität? Vielleicht ein wenig. Ich hatte Angst davor, dass er im Notfall nicht helfen würde.

»Ich kann Privates und so etwas was recht gut auseinanderhalten, Kayleight«, war seine Antwort gewesen, bevor er sich auf den Weg nach drinnen machte. Scheinbar war das alles, was er dazu sagen wollte und damit konnte ich leben. 

Er war nicht der einzige, dessen Vertrauenswürdigkeit heute auf die Probe gestellt werden würde. Wir kannten Hunter kaum und ich musste ihm meine Tochter anvertrauen. Mit Jorge hatten wir gemischte Erfahrungen gehabt und Julien ist ein Kapitel für sich. 

Drinnen angekommen taten wir nichts außer warten. Und dieses Warten war schrecklich, denn in meinem Kopf entstand ein worst-case-Szenario, in dem wir alle sterben würden. Und das war gut möglich, wenn wir das nicht hinbekommen. Es muss nur eine Sache schiefgehen. Und ich wollte nicht noch mehr Freunde verlieren. 

»Denk nicht so viel darüber nach. Lenk dich ab«, ertönte Hunters Stimme neben mir. Ich seufzte, denn das war leichter gesagt als getan. Es war schwer sich von diesen Gedanken abzulenken. Deshalb wollte ich ein Gespräch mit ihm beginnen. Würde er mir antworten, wenn ich ihn über die Hölle Fragen stellen würde?

Ich sah zu ihm und er nickte als Antwort auf meiner innerlich gestellte Frage. »Was ist deine Aufgabe?«, wollte ich wissen. 

»Ich sorge dafür, dass Menschen, die in die Hölle gehören, auch dort landen. Und nein, dafür verletze ich niemanden«, antwortete er. Der letzte Satz folgte wohl auf meine Gedanken und ich nickte. 

»Und wie ist es dort unten so?« Er schmunzelte. »Es ist kein Rummel da unten, Kayleight. Dämonen versuchen so gut es geht die Hölle zu meiden. Nur wenn wir müssen, halten wir uns dort auf.« Erneut nickte ich. Eigentlich hatte ich eine etwas detailliertere Beschreibung erwartet, doch wenn er nicht mehr sagen wollte, dann konnte ich gut damit leben. 

Dann kehrte wieder diese Stille ein. Der Moment, in dem niemand wusste, was er sagen sollte. Wir hatten uns bereits früh in Gruppen eingeteilt. Mary, Arizona, Cole und ich. Justin, Jorge, Riley und Mason. 

Die Jungs wollten zu erst rein. Angeblich, weil Arizona praktisch sein könnte, doch mir war klar, dass sie uns schützen wollten. Doch wir würden ihnen folgen. Das mussten wir. Ich würde Justin dort drinnen nicht sterben lassen, das konnte er vergessen. 

Meine Nervosität stieg, als wir uns Sportsachen anzogen. Es war einfacher für uns. Mary zum Beispiel wollte kein Kleid dafür tragen. Nicht nur, dass es ihr zu schade war. Nein, sie ist so viel wendiger und schneller. Und ja, sie wollte auch nicht, dass Blut darauf landet. 

Ich band meinen Zopf, bevor ich ins Wohnzimmer ging und Sydney hochhob, die sich gerade mit Hunter beschäftigte. Für sie war es nur eine Umarmung, doch für mich wäre es der Abschied, wenn ich sterben sollte. 

Justin kam zu uns und küsste sanft ihre Stirn. »Wir packen das«, sagte er, vermutlich um mich aufzumuntern. Doch es funktionierte nicht wirklich. Würden wir sterben, hätte sie niemanden mehr. Hunter hatte ich gesagt, er solle sie im schlimmsten Falle meinen Eltern geben. Sie würden sich gut um sie kümmern. Jedenfalls war es das, was ich hoffte. 

Dann nahm Hunter sie mir ab und Riley reichte mir ein paar Waffen. Wohl wissend, dass Messer zu werfen nicht gerade eins meiner Stärken waren, hatte ich dennoch drei. Zur Vorsicht. Auch Arizona reichte er schweigend eine Pistole. Langsam begann ich mich zu fragen, wo er die immer herbekam. 

Es war also soweit. Wir würden es jetzt wirklich wagen. Langsam gingen wir nach draußen. Unten angekommen, drückte Justin Jorge plötzlich gegen die Wand. »Solltest du versuchen, dich zu verpissen, dann werde ich dir folgen und dich töten, verstanden?« Diese Drohung meinte Justin definitiv ernst. 

Ich blickte zu Jorge. Wie immer hatte er einen Dreitagebart. Seine Haare waren nicht wie hin und wieder nach oben gegelt, sondern wirkten natürlich. Er grinste Justin an. 

»Selbst wenn du wollen würdest, könntest du mir nichts tun. Ich schätze, ihr müsst mir einfach vertrauen«, entgegnete er recht locker. Jorge hatte definitiv keine Angst vor Justin. Weshalb sollte er auch? Er könnte ihn auf der Stelle töten, wenn er es wirklich wollen würde. 

Langsam ließ Justin ihn los. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass er nicht wenigstens versuchen würde ihn zu töten, sollte Jorge uns im Stich lassen. Nur war er der mit Stärkste unter uns. Ohne ihn könnten wir vielleicht sterben. Und Jorge wusste, dass wir ihn brauchen. 

Ohne weitere Komplikationen kamen wir an dem Ort an, an dem Sasha sich aufhalten sollte. Es war eine Hütte im Wald. Justin sagte, dass er hier schon mal gewesen sei und Riley stimmte ihm zu. Gerade wollte dieser etwas sagen, als er auf die Knie ging. 

Hinter ihm tauchte jemand auf. Er hatte ein blutiges Messer in der Hand und grinste dreckig. »Nehmt es nicht persönlich, aber wir müssen euch jetzt alle töten«, sagte er, wobei seine Stimme eiskalt klang. 

Als Riley zu Boden ging, kniete Arizona sich zu ihm. Tränen flossen ihr die Wange hinunter und sie wiederholte immer wieder, dass er ja nicht sterben solle. Riley musste in ein Krankenhaus. Und der einzige, der ihn jetzt noch dorthin bringen kann, ist Jorge. 

Ich ging zu ihm. »Bring ihn ins Krankenhaus und komm dann wieder«, sagte ich mit flehender Stimme, denn mir war klar, dass er sich eigentlich für keinen einzigen von uns interessierte. Sein Blick wanderte erst zu Riley und dann zu mir. Er nickte kurz und dann  verschwanden die zwei. 

Diese Prozedur hatte weniger als dreißig Sekunden gedauert. Schnell half ich Arizona auf. Die Sache mit den Gruppen war nun sowieso vergessen. Doch ich konnte Arizonas Wut in ihren Augen erkennen. Sie hob einen Arm etwas und sprach einige Worte Latein. Die Person, die Riley das Messer in den Rücken gerammt hatte, ging dann in Flammen auf.

Eine Person kam klatschend hinein. Es war Sasha. »Schön, dass ihr endlich mal alle anwesend seid. Bereit zu sterben?«, fragte er grinsend und sah dabei jeden einzelnen von uns an. Ich schluckte und griff aus Reflex nach einem Messer. Nun war es also soweit. Er oder wir.

dark night ➹ j.b ✓Where stories live. Discover now