Freunde?

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Ana erwachte an diesem Morgen noch vor dem unangenehmen Piepen ihres Handyweckers, der unruhige Schlaf und das frühe Erwachen waren in der letzten Zeit beängstigend häufig vorgekommen und obwohl sie wusste, das sie wohl nicht mehr einschlafen würde, drehte sie sich noch eine Weile im Bett herum, bevor sie sich geschlagen gab, laut seufzend aufstand und mit tapsigen Schritten ihren Weg zur Küche bahnte.
Vorbei an Wäschehaufen, Unterlagen, geöffneten Kartons und Dutzenden Teetassen die überall in ihrer Wohnung verteilt standen.
Der Herbst stand vor der Tür, mit ihm eine Welle von Erkältungen und vor allem einer ganzen Menge Stress, was nicht viel Zeit für die besondere Pflege ihres Apartments ließ, aber diese Tatsache ignorierte sie gekonnt, sie war eh nur noch hier zum schlafen und duschen, dachte sie genervt.
Sie und Kimba hatten unsagbar viele Aufträge bezüglich der anstehenden Autumn/Winter Mode und hatten auch durch die Arbeit in der GQ Aufschwung in ihrem kleinen Buisness gefunden, ein Buisness in dem Ana sich in den letzen Wochen von der Assistenz in eine fast gleichgestellte Partner Position hochgearbeitet hatte.
Finanziell lief es sehr gut, sie hatten spannende Aufträge und sie hatte jeden Grund zufrieden zu sein. Das war sie auch. Oder?

Der Erfolg und Stress hatten ihr nicht wirklich Zeit gelassen um viel darüber nachzudenken, sie vermisste das schreiben, sie vermisste den Journalismus aber sie vermisste vor allem Michael. Sie hatten sich in der letzten Zeit auf einen Fernbeziehungs-Drahtseilakt einlassen müssen, der Ihnen beiden nicht passte. Ihre Verantwortung gegenüber der Arbeit, die Versöhnung mit ihren Eltern und der neu bestehende Kontakt und natürlich auch seine Arbeit, sowohl das Buch als auch die Musik, das alles brauchte Zeit und Pflege. Immer seltener blieb Michael mal ein ganzes Wochenende in Berlin, und auch Ana hatte es in der letzen Zeit nicht geschafft, ihn in Stuttgart zu besuchen. Sie war entweder in Berlin oder bei ihrer Familie im Ruhrpott und Michael schien es ihr zwar übel zu nehmen aber sie waren beide zu sehr darauf bedacht nicht mehr zu streiten, sodass er sich nie wirklich dazu äußerte. Gesund war das sicher nicht, aber was konnte sie schon tun.
"So ist das Leben... Ist nicht immer Champagner und Kippchen im Astoria ja..." Hatte Kimba wahrheitsgemäß verlauten lassen als Ana ihren Missmut erst vor einigen Tagen bei der Arbeit ansprach,
"Ja aber ich will das wieder!" Quengelte Ana während sie neu eingetroffene Winterschals sortierte.
"Erfolg ist stressig! Bald ist Winter, dann sind Feiertage, dann steht die Welt wieder still und wir können uns erholen, jetzt erstmal ranklotzen!"
"Es ist grade mal Herbstanfang Kimba!"
"Ranklotzen!" Rief sie und hastete aus dem Raum um ans Telefon im Nebenzimmer zu gehen.

Ana stand in der Küche und betrachtete ihre Spiegelung in dem kleinen Fenster über der Spüle. Man sah ihr die Müdigkeit wirklich langsam an, sie wurde sogar schon ein paar mal darauf angesprochen, warum sie so abgezehrt aussähe, Ana hatte dann bloß mit den Schultern gezuckt und war nicht weiter darauf eingegangen aber sie kannte die Wahrheit, nicht nur der ganze Stress machte sich langsam bemerkbar, sie vermisste Michael. Sie vermisste seine Nähe.
Sie telefonierten an fast jedem Abend den sie sich nicht sehen konnten und oft genug konnte sie im Hintergrund Josips und Stellas Stimmen hören, es störte sie das diese Frau, Michael mittlerweile öfter sah als sie aber er arbeitete so hart und war so begeistert von dem Projekt, das Ana sich die Verbitterung nicht anmerken lassen wollte und die bitteren Gedanken immer wieder unterdrückte.

Michael hatte im Gegenzug, gespielt freudig reagiert, als Ana ihm erzählte das sie Morris Modelanfrage zugestimmt hatte. Sie schmunzelte jetzt bei dem Gedanken an seine monotone Stimme die sie gestern noch gezwungen beiläufig über die Shootings, ausgefragt hatte. Ana hatte ihm immer wieder versichern müssen das andere Leute da waren, ein großes Team an Leuten und es weder ein Versuch war sie zu verführen, noch irgendein ausnutzen seiner Seits stattfand. Es war nur ein Job, auf den sie sich nicht mal sonderlich freute. Aber jetzt wo sie sich ihren Kaffee einschenkte und der Versuchung widerstand, sich ein großes Brötchen reinzufahren, musste sie sich eingestehen das, das gelogen war. Sie freute sich außerordentlich. Sie genoss die Momente vor der Kamera, das Styling und die Mode, ein bisschen auch die Aufmerksamkeit.

Berliner Nächte (Shindy FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt