39. Alles ist nie genug

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Als ich die Nachricht las, hätte ich fast aufgelacht. Dachte er echt das damit alles geklärt war?
Schnell steckte ich mein Handy wieder weg und richtete meine Aufmerksamkeit auf Henry, der anfing zu erzählen, wie es weiterging.

Alles in allem war das Treffen ziemlich langweilig. Als die Anderen alle wieder raus gingen, wandte ich mich nochmal alleine an meinen Chef. 
"Hey, ich habe noch eine Frage."

Henry sah von seinen Papieren, die er gerade richtete auf und blickte mich an.
"Was ist denn? Alles gut?"
Er nahm sich die Lesebrille von der Nase und sah mich besorgt an.
Henry war wirklich unglaublich lieb.

"Nein, nein, alles gut! Ich wollte nur fragen was in fünf Tagen ungefähr ansteht."
Er sah mich kurz verblüfft an. "Da ist das Viertelfinale."
"Oh", murmelte ich leise, "Okay."

"Warum fragst du?"
"In fünf Tagen dürfte ich eigentlich meinen Freund, der gerade in Australien ist besuchen." Ich presste die Lippen aufeinander und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie gerne ich geflogen wäre.

Henry seufzte, "tut mir leid Lia, da kann ich nichts machen."
Ich nickte nur und drehte mich zum Ausgang.
Josy wartete hinter der Tür auf mich.
"Was ist los?" Fragte sie mich.

"Nichts.", murmelte ich leise und sie hatte Probleme mit mir mitzuhalten, so schnell lief ich die Treppen hoch zu unserem Zimmer.

"Warte doch mal!" Rief sie und holte mich mit zwei großen Schritten wieder ein.
"Nein....ich... lass mich mal kurz!" Sagte ich unabsichtlich zickig und ging ins Zimmer.

Josy blieb ein wenig betroffen vor der Tür stehen.
Ich schmiss mich aufs Bett und vergrub mein Gesicht in den Kissen.
Auch wenn ich mit aller Macht versuchte die Tränen zurück zu halten, rollten ein paar über meine Wangen.

Warum weinte ich jetzt überhaupt? Weil ich nicht zu Nico konnte, der sich wie der letzte Arsch mir gegenüber verhielt?

Ich war jetzt bestimmt seit fünf Minuten dabei mich in Selbstmitleid zu ertränken, als leise die Zimmertür aufging und sich neben mir die Matratze senkte.

"Lia!" Schrie mir plötzlich eine Stimme direkt ins Ohr, sodass ich erschrocken den Kopf hoch.
Josy hatte ein Tablett neben uns auf dem Bett abgestellt und reichte mir eine der Tassen die darauf standen.

"Du hast Kakao gemacht?" Fragte ich sie leicht lächelnd und Josy nickte stolz.
"Naja gemacht nicht wirklich, eher machen lassen. Aber dafür hast du mich ja! Ich weiß, dass das mit Nico Scheiße ist, aber ihr schafft das schon! Du schaffst das!"

"Es tut mit leid das ich dich eben so abgewiesen habe!", sagte ich zerknirscht, "es ist nur, dass ich nächsten Woche nicht wie geplant zu Nico auf die Tour kann um ihn zu besuchen."

Josy öffnete den Mund, da sie gerade etwas sagen wollte, als es klopfte.
Sie stand auf und öffnete die Zimmertür.
"Sorry Ash, aber es ist gerade ganz schlecht!"
"Okay." Sagte Ashton laut, ging an ihr vorbei und schmiss sich neben mich aufs Bett.

"Was los? Wie läufts? Wie hängts? Alles im grünen Bereich?"
Stöhnend presste ich mir ein Kissen vor's Gesicht.

"Hört sich nicht so geil an!" Meinte Ashton und drehte sich auf den Rücken.
Josy kam jetzt auch wieder aufs Bett zu und funkelte ihn wütend an.

"Verpiss dich Ashton, wir haben jetzt keine Zeit für sowas! Du weißt doch gar nicht wie es sich anfühlt traurig zu sein oder allein gelassen zu werden."

Sofort starb das Grinsen in seinem Gesicht und er sah sie mit angespannten Kiefer an.
"Woher willst du das wissen? Ihr wisst gar nichts über mich!"

Er stand auf und machte sich auf in Richtung Tür, doch Josy hielt ihn auf: "Nein warte, so war das nicht gemeint!"

Er sah sie unverwandt an, aber seine Hände die sich zu Fäusten geballt hatten, entspannten sich wieder.

"Dann erzähl doch was!", überrascht sah er mich an, "erzähl irgendwas über dich! Vielleicht halten wir dich dann noch mehr für den Arsch der du momentan bist."

Er lachte trocken auf, "Ja, ich bin gut stimmt's? Aber was gibt es da schon viel zu erzählen? Ich komme aus England, meine Eltern haben mich raus geworfen und jetzt verdiene ich mit modeln und schauspielern mein Geld. Fragen?"

Ich sah ihn mit zusammen gezogenen Augenbrauen an.
"Was meinst du mit raus geworfen?", fragte Josy schließlich.

Ashton zog sich einen Stuhl heran und setzte sich falsch herum darauf, sodass er seine Arme auf der Lehne abstützen konnte.
"Sagen wir mal so, sie waren nicht sehr begeistert, dass ich lieber in die Welt wollte um etwas auf meine Art zu erreichen, anstatt Yura oder so eine Scheiße zu studieren. Sie wollten immer das ich auf irgendeine tolle Universität wie Harvard oder so gehe. Ich habe ihnen dann ziemlich deutlich gemacht, dass ich das nicht will. Sie waren sowieso nie wirklich zufrieden mit mir. Ich hatte immer gute Noten, aber es hat ihnen nie gereicht. Meine Freunde haben sie meistens als asozial abgestempelt und alles war noch nicht genug für sie."

Er sah mich kurz an und ich schluckte, während ich ihm aufmerksam weiter zuhörte. "Meine Eltern waren dann ziemlich angepisst und haben mir dann ein Ultimatum gestellt: entweder ihr Geld und studieren oder ich muss sehen wie ich zurecht komme. Und ich... Tja, ich habe mich dazu entschlossen zu leben! Ich habe jetzt seit zweieinhalb Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen."

Ich wusste nicht genau ob ich Mitleid mit ihm haben sollte oder beeindruckt sein sollte, dass er sich durchgesetzt hatte.
Klar, was er gerade erzählte änderte nichts an seinem dämlichen Verhalten, aber trotzdem sah ich ihn jetzt mit anderen Augen.

Nicht mehr das selbstverliebte, arrogante Arschloch, sonder ein Junge, der von seinen Eltern im Stich gelassen wurde nur weil er seinen Traum leben wollte.

Ashton lächelte leicht, während er vor sich auf einen Punkt am Boden starrte, "ich meine, ich habe es geschafft, oder? Auch ohne ihre Hilfe!"

"Du weißt das sie irgendwo stolz auf dich sind, aber du willst es aus ihrem Mund hören, stimmt's?" Sagte ich leise.
Er sah mich an und nickte leicht.

"Ich war vor ein paar Monaten nochmal bei Ihnen, aber es hat sich nichts geändert. Ich denke sie haben mich aufgegeben und eingesehen, dass ich nicht mehr das mache was sie mir sagen."

Ich nickte leicht. Ich könnte niemals ohne meine Familie auskommen. Nie!

•●•●•●•●•●•●•●•●•

Später am Abend rief Nico nochmal an. Er entschuldigte sich tausendmal bei mir.
"Es war dumm von mir, aber... ach ich weiß auch nicht es ging mir einfach schlecht!"

"Schon okay." Sagte ich und überlegte wie ich ihm erklären konnte, dass ich ihn nicht besuchen konnte. "Nico ich muss dir was sagen!"

Augenblicklich sah er mich aufmerksam an.  "Ich kann nicht zu euch nach Austalien kommen, es geht von meinem Job her einfach nicht."
Er sah mich kurz an und sagte nichts.

"Dein Ernst?" Fragte er schließlich, während ich langsam nickte.
"Es muss doch irgendeinen weg geben, dir frei zu nehmen!"

Ich seufzte, "Nein es geht nicht. Ich habe schon mit meinem Boss geredet. Keine Chance!"
Nicos Stirn legte sich in Falten, "Wenn du es erstmal richtig versuchen würdest, würde es bestimmt gehen."

Wütend sah ich ihn an, was sollte denn das jetzt schon wieder heißen?
"Glaubst du echt ich würde es nicht wollen?" Ich hatte Tränen in den Augen, "glaubst du echt, das nur du Druck von allen Seiten hast? Ich habe es versucht, okay!"

Nico sah aus, als würde es ihm leid tun, er sagte jedoch nichts. Kurz sah ich ihn an und in seinen blauen Augen lag eine Mischung aus Wut und Verzweiflung.
Müde und sauer schüttelte ich den Kopf und klappte meinen Laptop zu.

Josy kam mit ihrem Handy vor der Nase durch die Tür und setzte sich auf die Fensterbank.
"Hast du das von Flashlight schon gehört?" Fragte sie mich aufgeregt.

Niedergeschlagen schüttelte ich den Kopf.
"Die ziehen morgen gegen so eine richtig junge Band vor Gericht."
Sofort horchte ich auf, "Was? Warum?" Fragte ich mit Tränen erstickter Stimme.

"Diese andere Band hat einen Song von den Jungs geklaut!"

The Spotlight in your EyesWhere stories live. Discover now