(5) Der heutige Tagesplan: Aufwachen, Überleben, Schlafen gehen

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Wenn sich die Ereignisse mal wieder überschlugen, hatte ich die Angewohnheit, Carlo das mitzuteilen. Der Typ war sozusagen mein lebendes Tagebuch, nur mit mehr Extras wie der Zuhör-und-Trostspende-Funktion oder aber dem Mit-weisen-Ratschlägen-und-dummem-Eingemische-rumnerv-Tool. Sicher, ich hätte es ihm einfach verschweigen können. Dann müsste ich ihm jetzt nicht wieder zu einer unmenschlichen Zeit die Tür öffnen und mich von ihm zum Aufstehen zwingen lassen. Aber Gewohnheiten waren schwer zu durchbrechen. Selbst wenn ich mich augenblicklich dafür verfluchte, Carlo war der Einzige, der es als mein bester Freund aushielt, und deshalb gebührte ihm ein gewisser Respekt.

Auch wenn er mir gerade meine Fußsohlen kitzelte, damit ich endlich von der Matratze aufstand... Nein, nichts da, von wegen Respekt! Ich trat ihn wütend und kuschelte mich zurück in mein Bett. Scheiß bester Freund. Ich sollte ihn eindeutig umtauschen, gegen einen mit eingebauter Langschläfer-Erweiterung. Die könnte ja das Einmisch-Tool ersetzen.

„Nina, komm schon, ich habe gerade Mittagspause und besseres zu tun, als dich zu wecken! Außerdem waren wir uns doch einig, dass du pünktlich aufstehst, weil heute ein wichtiger Tag ist!"

Irgendwie hatte ich gerade ein Déjà-vu. War das nicht genauso auch gestern passiert? „Was für'n wichtiger Tag is'n heute schon wieder? Boar, wie ich Tage hasse..."

„Du wolltest doch den neuen Wecker stellen!"

„Ich hab den Wecker gestern gestellt!" Vor die Tür. Ohne Batterien. Hoffentlich hatte Carlo den beim Eintreten nicht bemerkt. Mit einem Gähnen, in das ich demonstrativ all meine Vorwürfe und Aggressionen packte, stand ich schließlich auf und verschwand in meinem Bad. Es war ein Fehler gewesen, zur Haustür zu torkeln und ihn reinzulassen, das hätte mir klar sein müssen. Zu spät. Dabei hatte ich richtig gut geschlafen nach meinem Ich-boxe-bis-zur-totalen-Erschöpfung-gegen-einen-Sandsack-weil-ich-durchdrehe-Trip.

Ich brachte es nicht übers Herz, mir einen Kaffee zu kochen, weil die Wohnung immer noch glänzte, aber Duschen musste dann doch sein. Keine Ahnung, wie lange ich brauchte, um mich anzuziehen und vor allem das Bad wieder blitzeblank zu reinigen, aber als ich rauchend zurück in mein Zimmer schlurfte, wurde mir klar, dass es eine Ewigkeit gewesen sein musste. Carlo hatte nämlich inzwischen meine Sporttaschen mit Klamotten für vielleicht drei Jahre gefüllt, fein säuberlich auf dem Boden gestellt und versuchte gerade, weitere Schuhe hineinzuprügeln.

„Was wird das denn, wenn es fertig ist?"

„Na, ich helf dir packen! Sieht man doch. Für deine Reise. Mit der Band. Gern geschehen."

„Carlo, ich-" Natürlich ließ Carlo mich nicht zu Wort kommen. Der wollte lieber beweisen, dass auch Männer zu so was wie Multitasking fähig waren: In einem Rekordtempo hatte er die letzte Sporttasche geschlossen, sich aufgerichtet, mir eine Handtasche in die Arme geworfen, meine Kippe geklaut und mir seinen Zeigefinger auf die Lippen gedrückt. „Pssst. Nina, wir beide wissen, dass du auf diese Reise gehen willst. Und ich helfe dir dabei. Danken kannst du mir gerne später. In der Tasche ist übrigens alles, was ich dir besorgt habe. Das heißt alles, was du so gebrauchen könntest, und wenn du das jetzt wieder auspackst, gebe ich dir mein Motorrad nicht, also versuch's gar nicht erst."

Okay. Ich war so überrumpelt, ich beleidigte ihn nicht mal. Stattdessen ließ ich mich auf einer Reisetasche nieder und kramte in dem Beutel, während Carlo die Zigarette entsorgen ging. Was waren das wohl für ominöse Sachen, die ich gebrauchen könnte? Das erste, was mir in die Hand fiel, war ein Handy. Eins dieser uralten Nokia-Modelle. Na toll. Dabei hatte ich meins doch extra zerstört, damit er mich nicht nerven konnte! Okay, eigentlich mehr, damit Niall oder Harry das nicht taten, die hatten immerhin auch meine Nummer.

Carlo betrat den Raum und sah mich grinsend an. „Das ist, damit ich dich immer erreichen kann! Versuch es gar nicht erst, ich werde dich anrufen, egal, auf welchen Kontinent du abhaust und wie teuer das wird. Janes Nummer ist auch drauf gespeichert. Aber ich denke, sie wird dich nicht belästigen, denn ich hab heute früh gegen zwei Uhr oder so vierundvierzig SMS bekommen, dass sie und Tarzan wieder zusammen sind. Wirklich, vierundvierzig Stück. Du kannst sie gerne lesen! Anscheinend hat Jane in den fünf Minuten, in denen sie dachte, sie wäre schwanger, ihre Meinung zum Thema urplötzlich geändert und hat jetzt doch nichts mehr gegen Nachwuchs... Frauen."

(N)One DetectionWhere stories live. Discover now