Auch ihn gab ich damals als einen Freund aus und als ich ihr irgendwann erzählte, wer er wirklich war, ist sie ausgeflippt. Sie wollte wissen, ob ich lebensmüde sei, mich mit solch gefährlichen Personen abzugeben. Würde sie das jetzt wieder fragen, dann würde ich es mit 'ja' beantworten, denn anders als Samuel ist Jorge tatsächlich gefährlich.

Natürlich war Samuel auch kein Engel, doch er tötete wenigstens nicht nur aus Spaß. Und wenn man bedenkt, wie viele Menschen Jorge in seinem gesamten Leben getötet hat..Ich würde das nicht nachzählen wollen. 

»Wie heißt du? Bist du ein Freund aus der Schule?«, wollte sie wissen und nun sah Jorge zu mir. Er sah so aus, als hätte er keine Ahnung, was er sagen sollte und genau das ließ meine Mom nun vermutlich zweifeln. Jetzt noch 'ja' zu antworten, würde nichts mehr bringen. 

Ich könnte lügen und sagen, er sei ein Freund von Justin und mir. Doch sobald sie vor Justin seinen Namen erwähnen und seine Reaktion sehen würde, wäre es eh vorbei. Scheinbar schien auch Jorge zu merken, dass sein Zögern Probleme verursachen würde. Nun grinste er leicht. Meine Mom würde mich umbringen, es war offiziell. 

»Jorge Williams, vielleicht haben Sie schon von mir gehört. Und ich würde mich eher als Verbündeten und nicht zwingend als Freund betrachten«, antwortete er. Wenigstens war es die Wahrheit. Zwar wäre eine Notlüge besser gewesen, doch es war zu spät. 

Geschockt sah meine Mom zu mir. Jap, sie hatte definitiv schon von ihm gehört, so viel stand fest. 

»Du wirst nicht mit ihm mitgehen, Kayleight!«, sagte sie etwas lauter. Wie ich vorhin bereits erwähnte, war meiner Mom mein Alter egal. Solange ich bei ihr lebte, würde ich ihre Regeln befolgen müssen.

»Mom, ich weiß, dass-« Doch weiter kam ich gar nicht. Sie schloss die Tür und unterbrach mich sofort. »Du weißt überhaupt nichts, denn du bist noch jung.« Dann ging sie wieder ins Wohnzimmer zu Sydney. 

Ich schrieb Jorge, dass ich in zwanzig Minuten draußen sein würde. Und wenn ich wie früher durch mein verdammtes Fenster klettern musste, ich würde hier raus kommen. 

Dann begann meine Mom mich auszufragen. Seit wann ich ihn denn schon kenne und weshalb ich Zeit mit ihm verbrachte. Ich erklärte ihr, dass er genauso wie wir in diesem Dämonen-Problem mit drinnen steckt und wir ihn brauchen. Doch das schien ihr vollkommen egal zu sein. 

»Er könnte euch töten und reinlegen! Hast du die Geschichten über ihn gehört? Weißt du, dass er früher ein Serienmörder war?«, wollte sie wissen und ich nickte. Das schien sie nicht gerade zu beruhigen. 

»Glaubt ihr echt, dass er euch hilft? Seid ihr alle so naiv?« Das war eine rhetorische Frage und ich wusste, dass sie darauf eigentlich keine Antwort haben wollte, doch irgendwie hatte ich das Bedürfnis, etwas dagegen zu sagen, denn wir waren nicht naiv. Wir hatten einfach nur keine andere Wahl. 

Obwohl, hatten wir nicht? Wir könnten ihn einfach in seinem Apartment leben lassen, so wie er es eigentlich wollte. Ohne uns zu helfen. Wir wären ihn losgeworden und er wäre uns losgeworden. 

Ich antwortete also nicht darauf und ging einfach nach oben. Es war kindisch und definitiv nicht altersgemäß, doch das war mir gleichgültig. Sie würde auf Sydney aufpassen, das weiß ich. 

Noch immer hatte ich meine Sachen an. Ich öffnete das Fenster und sah nach unten. Erinnerung kamen hoch. Zum Beispiel als Jazmyn das erste Mal hier war. Seufzend kletterte ich das Rohr herunter in unseren Garten. Dann ging ich nach vorn. 

Dort stand Jorge noch immer. Er wirkte überrascht, als er mich aus dem Garten kommen sah, anstatt aus der Haustür. 

»Deine Mutter ist eine kluge Frau«, sagte er, als wir losgingen. Ich nickte. Natürlich war sie das, doch manchmal reagierte sie einfach über. 

Nach kurzem Schweigen reichte Jorge mir eine Spritze. Fragend sah ich ihn an, dann zeigte er auf das Päckchen. Ah, die war für das Blut. Doch bevor wir das auch nur irgendwie benutzen konnten, würde ich meine Waffen brauchen. Die befanden sich in Rileys Keller. 

Mittlerweile hatten wir alle - gut fast alle - einen Schlüssel zu Rileys Wohnung, denn irgendwie war das der Treffpunkt von uns allen geworden. Schnell lief ich also in den Keller und holte die Waffen, bevor ich wieder nach oben ging. Dort reichte Jorge mir ein Foto. Erneut sah ich ihn fragend an. 

»Weißt du, ich habe nicht nur auf der faulen Haut gelegen. Die Frau ist ein Vampir und sie arbeitet für Sasha. Ich weiß, wo sie gerade ist«, erklärte er mit einem Grinsen im Gesicht. 

Ich wusste gar nicht, dass er sich überhaupt Gedanken darüber gemacht hatte, was wir uns eigentlich zur Aufgabe gemacht haben, aber scheinbar hat er das doch. Doch obwohl wir im Grunde vorhatten, die Leute so gut es eben ging am Leben zu lassen, hatte ich das Gefühl, diese Frau wird am Ende des Tages tot sein.

Während wir die Frau suchten, dachte ich über Jorge nach. Ich hatte ihn unterschätzt. Er war nicht wie Samuel, Mary oder gar Justin. Aber auf seine eigene Art und Weise versuchte er zu helfen. Auch wenn er das niemals zugeben würde. 

Gerade wollte ich um eine Ecke laufen, da zog er mich am Oberarm zurück. Fragend blickte ich ihn an. War mir etwas entgangen? Vermutlich, denn mein menschliches Gehör war nicht mit seinem zu vergleichen. 

»Sie ist in dem Auto. Ich sprinte vor und halte sie fest, du rennst mir nach, verstanden?« Er sprach die Worte so leise aus, dass ich genau hinhören musste, um sie zu verstehen. Ich nickte und dann war er verschwunden. 

Mein Blick ging um die Ecke zu dem schwarzen Mercedes. Dann mal los, dachte ich und rannte so schnell ich konnte ebenfalls dort hin, riss die Tür auf und stieg auf der Beifahrer Seite ein. 

Jorge hatte bereits seine Hand an ihren Hals gelegt und ein Grinsen auf den Lippen. Ich wusste nicht, ob ihm das tatsächlich Spaß machte, oder ob er das tat, um ihr Angst einzujagen. 

Die Vampirin begann sich zu wehren, weshalb ich ihr schnell das Dämonenblut in den Arm spritzte. So würde sie uns nicht überlisten können. Sie keuchte auf und blickte mich an. 

»Was ist das? Was hast du mir gespritzt?«, fragte sie und klang dabei sogar ein wenig panisch. Ich denke, sie vermutet Gift oder ähnliches. Sie konnte also noch nicht lange ein Vampir sein, denn sonst wüsste sie, dass normale Gifte ihr nichts ausmachten.

»Das, meine Liebe, nennt man Neutralisation. Dämonenblut nahm dir die Kräfte und jetzt hat es sie dir wieder genommen. Glückwunsch, jetzt bist du nur noch ein Vampir«, gab Jorge, weiterhin grinsend, von sich und begann sie zu würgen. 

»Wo hält Sasha sich auf?«, fragte ich sie. Wenn sie nicht antworten würde, dann würde Jorge ihr nur noch mehr wehtun.

Früher hätte ich solche Methoden verabscheut. Ich spielte gern fair und wollte meine Informationen nicht von Dritte haben. Doch Sasha spielte ebenfalls unfair, oder etwa nicht?

Die Vampirin schnappte nach Luft. »Keine...keine Ahnung! Er sagte mir, er würde mir schreiben, falls er mich irgendwann benötigen sollte. Ich...ich schwöre es!« Ich bin nicht überrascht, dass sie so schnell nachgab. 

Wenn sie erst seit kurzem ein Vampir war, dann wusste sie auch nicht, dass sie nach normalem Erwürgen wieder aufwachen würde. Außerdem schien sie wirklich an ihr Leben zu hängen. Wir könnten sie vermutlich alles fragen, und sie würde antworten. 

Dann hörte ich ein Knacken. Jorge hatte ihr das Genick gebrochen. Nur einen Augenblick später holte er einen Dolch heraus und rammte ihn ihr ins Herz. Als er ihn hinauszog, war sie tot. Jorge kramte in ihrer Tasche herum, bis er ihr Handy fand. 

»Sobald sich der liebe Sasha meldet, wissen wir, wo er steckt«, sagte Jorge und steckte das Handy ein. Ja, dann würden wir es wissen. Doch wer wusste schon, wie lange das noch dauern würde. 

dark night ➹ j.b ✓Where stories live. Discover now