Kapitel 47 [überarbeitet]

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Als ich zu den Waldläufern gekommen kam hatte ich nicht hierhergehört. Ich war fremd gewesen, verloren, quasi eine Waise. Aber ich hatte überlebt. Das oberste Gebot der Welt. Man muss überleben. Man muss sicherstellen, dass die Leute, die man liebte, es schafften weiter zu leben. Man wollte sie auch am nächsten Tag noch sehen können, ihren Geruch einatmen, sie reden hören. Sie lachen sehen.

Das oberste Gebot der Welt. Natürlich gab es immer Leute, die dagegen verstießen. Die jemanden umbrachten aus Mordlust, Raubgier oder was auch immer. Menschen, die ihre Kinder verhungern ließen.

So stellte ich mir die Gelben vor. Wie Kranke, die den richtigen Weg verloren und auf Abwege geraten waren. Man verstand nicht, was die Psychopathen der Menschenwelt zu solch grausamen Taten trieb und wir verstanden nicht, warum es die Gelben auf uns abgesehen hatten. Was wir aber wussten, und dessen war ich mir vollkommen sicher in diesem Moment, war, dass sie uns vernichten wollten. Sie würden uns auslöschen, jeden Einzelnen von uns. Niemand würde das einfach so zulassen, aber hier lag das kleine Problem, welches ich konstant versuchte zu ignorieren:

Wir wussten nicht, wie viele Gelbe auf uns zukamen. Und wir hatten keine Ahnung, was die Prophezeiungen zu bedeuten hatten, geschweige denn wie die eigentliche Kernprophezeiung über die Flamme lautete.

In Ordnung, ich sah es ein. Das war mehr als ein Problem.

Irgendwo neben mir knackste ein Ast. Ich zuckte zusammen, doch es war nur ein Vogel, der sich auf einen Ast über mir gesetzt hatte. Eine dunkle Elster, deren weiße Flecken in der Dunkelheit leuchteten. Ich konnte diese Vögel einfach nicht ausstehen.

Vorsichtig warf ich Ethan neben mir einen Bick zu. Er sah konzentriert in die Dämmerung hinaus. Noch immer warfen ein paar letzte Sonnenstrahlen ihr Licht in den Wald, der gefüllt war von Kriegern und Schatten.

Im Baum zu unserer Linken versteckten sich Alexis und Elijah mit zwei weiteren Kriegern, Owen, Amara und ein Beerensammler den ich nicht kannte waren rechts von uns. Jede Position war genau ausgeklügelt. Sollte irgendwo ein Angriff stattfinden, dann bekam das irgendeine andere Einheit mit. Letztere hatte es sich übrigens nicht nehmen lassen, ebenfalls mit zu kämpfen. Sie hatte sich in die Hülle einer schlaksigen Frau gesteckt, deren Augen fast schwarz waren. Kleine Hörner standen ihr aus dem Kopf und ihre Kleidung bestand aus dickem Pelz.

„Schade, dass ich die andere Hälfte nicht habe", hatte ich sie murmeln hören, doch ich war zu sehr in meinen eigenen Gedanken gewesen als nachzuhaken, was genau sie gemeint hatte.

Auch Katika und ihre Brüder waren aus dem Krankenhaus verschwunden, doch niemand wusste, wo sie hin verschwunden waren. Ich vermutete, dass sie sich mit den anderen Kindern versteckten.

Man hatte uns mehr Urwäldler versprochen, mehr Krieger aus dem alten Volk. Dich sie waren nicht eigetroffen. Vielleicht hatten sie sich auf den Weg gemacht, doch mit dem herannahenden Krieg und Gelben und Neris' war die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass sie es bis hierherschaffen würden.

Mein Bauch grummelte vor Unruhe. Fragen schossen mir durch den Kopf, Fragen, die ich einfach nicht beantworten konnte, die mich aber verrückt machten. Was war, wenn wir nicht rechtzeitig auf die Lösungen der Prophezeiungen kamen? Was geschah, wenn wir ganz verloren? Wie viele Waldläufer würden sterben? Jedem von uns war bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit, dass wir heute jemanden zum letzten Mal gesehen hatten, ziemlich groß war.

Meine Gedanken flogen zu Emma und Calum. Ich hatte solche Angst um sie, dass ich bei der bloßen Erwähnung ihrer Namen fast in Tränen zusammenbrach, aber ich riss mich zusammen. Calum war so unfassbar wütend gewesen, als ich ihm aufgetragen hatte auf Clara aufzupassen und uns pünktlich zur Mondfinsternis beim Wasserfall zu treffen.

Die WaldläuferWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu