Kapitel 11 (Teil 2)

3.4K 175 5
                                    


Ich ziehe meinen Ärmel wieder nach unten und sehe weiter aus dem Fenster und denke nach. Bis Sonntag sind es nur noch drei Tage, aber drei Tage kommen mir so unendlich lange vor. Ich will nicht so lange so tun müssen, als würde Cam nicht existieren. Ich hab keine Lust auf diese dummen Lügen. Es ist alles so dämlich. Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen, aber erlaube es mir nicht zu weinen. Nicht wegen einer so dämlichen Sache. Ich schließe einfach die Augen und denke an was lustiges, etwas in dem Cam nicht vorkommt. Oder Phyllis. Oder die Band. Oder meine beste Freundin. Ich denke einfach an einen schönen Familienurlaub auf Hawaii und daran, wie mein Bruder nicht mehr aus dem Pool des Hotels zu bekommen war. Schließlich musste der Sicherheitsdienst kommen um einen achtjährigen aus einem Pool zu kriegen. Ich muss ein wenig lächeln und sehe auf das Baumhaus.

Auf einmal fällt mir auf, das Licht aus dem Baumhaus dringt. Ich lege den Kopf schief und blinzele ein paar mal. Es brennt definitiv immer noch Licht im alten Baumhaus. Ein ganz schwacher Lichtkegel, wie der einer Taschenlampe. Irgendwer ist im da drinnen. Nicht viele Leute wissen von dem Baumhaus, mir fallen spontan nur meine Eltern, Jonas, Miri und Cam ein. Meine Eltern und Jonas sind im Haus. Miri ist bestimmt zu Hause und schläft.

Verdammt, dann kann es nur einer sein. Cam. Mein Herz fängt an schneller zu schlagen. Ich will ihn sehen, aber ich könnte auch einfach so tun, als würde ich schon schlafen. Aber ich will ihn sehen. Er ist bestimmt extra nur wegen mir hergekommen. Aber was, wenn es doch nicht Cam ist, sondern einer von Jonas bescheuerten Freunden? Oder ein kranker Psycho? Ich schüttele den Kopf und stehe auf. Ich muss einfach wissen, ob es Cam ist. Selbst wenn er es nicht ist, dann kann ich ruhig schlafen, aber solange ich mir nicht sicher bin, dass er es nicht ist, kann ich kein Auge zu machen.

Ich ziehe mir die Ärmel meines pullovers über die Fingerspitzen und gehe so leise, wie möglich durchs Haus und öffne dann quietschend die Hintertür. Vorsichtig halte ich kurz inne und warte ab. Sobald im Haus alles leise bleibt schlüpfe ich nach draußen in die Dunkelheit.  Ohne Zweifel, es ist jemand im Baumhaus. Ich gehe über den Rasen und auf den Baum zu. Plötzlich fällt mir ein, dass nichts habe, um mich zu verteidigen, weil ich einfach davon ausgegangen bin, dass es Cam ist. Ich bin so dumm. Es muss ja nicht zwangsweise Cam sein, der da oben im Baumhaus kampiert. Eigentlich gibt es für ihn nicht mal einen Grund dort oben zu sein. Außerdem kommt noch hinzu, dass er Höhenangst hat und sich all die letzten mal nicht wirklich wohl im Baumhaus gefühlt hat. Mist. Ich sehe mich nach etwas um, dass ich als Waffe benutzen könnte, finde aber nur einen nutzlosen Gummiknochen von Milky. Dann muss dieses Hundespielzeug wohl als meine Waffe dienen. Auch wenn ich damit nicht viel ausrichten werde. Es wird ja kaum jemand einem roten Quitscheknochen nach rennen, bloß weil ich ihn werfe. Ich klemme mir das Teil unter den Arm und beginne die Leiter nach oben zu klettern und halte kurz vor dem Eingang an und lausche. Nichts. Keine stimmen. Also muss derjenige alleine sein.

Mit klopfendem Herzen nehme ich all meinen Mut zusammen und erklimme die letzten paar stufen und blicke in vorsichtig in das Baumhaus. Mitten im Raum liegt eine Taschenlampe, die direkt in die Richtung meines Zimmers zeigt. Komisch. Ich sehe nach links, nichts als der übliche Kram. Dann drehe ich den Kopf nach rechts und mir bleibt die Luft im Hals stecken, obwohl das eigentlich gar nicht möglich ist.

Cam sitzt auf dem Deckenlager. Den Rücken gegen die Wand gelehnt und den Blick starr auf das Licht der Lampe gerichtet. Er wirkt leicht verzweifelt und bemerkt mich gar nicht. Erleichtert, dass es kein Killer ist, der sich im Baumhaus versteckt hat atme ich aus. Ich hieve mich nach oben in den Innenraum und endlich sieht Cam auf.

"Sky?", murmelt er und nimmt die Taschenlampe, um mir damit ins Gesicht zu leuchten.

Ich schirme meine Augen mit der Hand ab und setze mich neben ihn.

Shy Star Where stories live. Discover now