Team = Toll Ein Anderer Machts

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Lily P. o. V.

Der März brach an und brachte den Frieden in mein Leben zurück. Meine Freunde verziehen mir ohne jegliches Zögern und zeigten sich sehr versöhnlich, was mich in einen Zustand des reinen Glücks versetzte. Tatsächlich kam mir nun die ganze Welt viel bunter und farbenfroher vor. Ich las jetzt wieder regelmäßig, und zwar nicht nur Gedichte. Es ging mir einfach besser mit den Geschichten und zum Glück hatte es keine Auswirkungen auf meine positive Einstellung zur Schule. Ich erledigte weiterhin gewissenhaft und pünktlich meine Hausaufgaben, investierte jedoch weniger Zeit ins krankhafte Lernen und Mich-Verrückt-Machen wegen anstehenden Tests. Stattdessen entspannte ich mich und schöpfte Kraft durch das Wasser für meine Seele. Es half. Doch es wäre eine glatte Lüge zu behaupten, dass nun all meine Sorgen wie weggewischt waren.

Als ich ein paar Tage darauf mit meinen Freunden beim Frühstück saß, hatte ich meine Lebensfreude zurückgewonnen. Voller Energie schaufelte ich Müsli in mich hinein, schmiegte much laut lachend an James und las nebenbei etwas in "Der Fänger im Roggen". Gut gelaunt schlenderte ich mit den anderen in den Kerker, wo wir gleich Zaubertränke mit den Slytherins haben würden. Mir schien mein ganzes Leben schlichtweg perfekt vorzukommen, in meiner Ansicht hätte nichts besser sein können. Hogwarts war einfach wundervoll, die paar Hausaufgaben machten mir doch nichts aus! Also bitte! Das erledigte ich mit links. Von niemandem würde ich mir mein Glück kaputt machen lassen. Munter betrat Professor Slughorn den Raum und verkündete, wir würden heute Gruppenarbeit machen. Automatisch sah ich hinüber zu Mary, Marlene und Alice und grinste die drei an. Für uns stand fest, dass wir wie immer ein Team bilden würden. Meine positive Einstellung verschwand jedoch recht rasch, als Slughorn scheinheilig grinsend in unsere Richtung ergänzte: "Nanana, die Damen, nicht so voreilig! Ausnahmsweise werde ich die Gruppen festlegen, beziehungsweise werden wir sie auslosen. Das sorgt für Spannung!" Ganz bestimmt. Ich konnte mich vor Spannung kaum noch auf meinem Stuhl halten. Naja, ich kannte mein Glück bei solchen Zufallslosungen. Obwohl: Zufall? Es war eher Schicksal, dass ich immer mit den "coolen", faulen Leuten ein Team bilden musste. Nur zu gut erinnerte ich mich daran, wie ich letztes Mal gezwungen worden war, mit Dorcas Meadowes und Hestia Jones zusammen zu arbeiten. Die hatten die Weisheit nicht mit Löffeln gegessen, so viel stand fest. Ihre Hohlheit konnte man förmlich riechen und übertraf sogar ihr künstliches Parfüm und den Gestank von Froschlaich. Den Froschlaich hatte natürlich ich anfassen müssen. Wäre natürlich viel zu viel von Dorcas und Hestia verlangt gewesen, wenn ihre hübschen, bemalten Fingernägel damit in Kontakt gekommen wären! Jetzt betete ich hoffnungsvoll zu Merlin oder Gott oder wem auch immer, einmal bei der Gruppenarbeit Glück zu haben, während Slughorn nacheinander die Namen aller Kursteilnehmer zog und so die Teams zusammen würfelte. Von Seiten der Gryffindors, als auch aus der Ecke der Slytherins, kam immer wieder ein entsetztes Stöhnen oder ein kleiner Jubelschrei. Nervös kaute ich auf meiner Lippe herum. Was war denn das Schlimmste, was passieren konnte? "Lily Evans, Severus Snape, James Potter und Sirius Black", sagte Professor Slughorn in diesem Moment mit einem Schmunzeln auf den Lippen. WAS ZUR HÖLLE? Ich lief knallrot an und presste hervor: "Sir, das können sie doch nicht machen!" Slughorn sah etwas besorgt aus. Ihm schien wohl selber aufgefallen sein, dass es absolut  KEIN guter Vorschlag war, Sirius und James in eine Gruppe zu stecken. Das wäre unser Todesurteil! Niemand, ich wiederhole, niemand  des Lehrerkollegiums würde auf so eine bescheuerte Idee kommen. Flehend schaute ich den Professor an, aber sein nachdenklicher Gesichtsausdruck entspannte sich recht schnell wieder. "Ach, quatsch! Sie werden die Banditen schon unter Kontrolle bekommen, nicht wahr, Evans?", er lachte kumpelhaft und schlug sich auf seine dicken Schenkel. Haha, wie witzig. Ich hätte ihn jetzt auch ganz gern geschlagen, doch ich riss mich zusammen. Mit einer Miene, als ob jemand gestorben war, suchte ich meine Sachen zusammen und begab mich mit James, Sirius und Severus an einen Tisch. Hätte es denn überhaupt schlimmer kommen können? Nope. Ich hatte tatsächlich die schlimmstmöglichste Konstellation erwischt, aber was sollte ich schon tun? Klar, ich könnte Slughorn sonst wohin treten und ihm sagen, er soll gefälligst selbst erstmal die beiden unter Kontrolle bekommen, bevor er mir so eine Aufgabe übertrug. Aber das hätte wenig Sinn, daher entschied ich mich dazu, das Beste aus meiner Situation zu machen. Trotzdem klang meine Stimme sehr emotionslos und ein wenig unmotiviert, als ich zu den dreien sagte: "So, worum geht es jetzt noch mal?" Severus, der mehr als erfreut schien, dass wir zusammen in einem Team waren, schlug eifrig sein Buch auf. "Wir sollen den Gripsschärfungstrank brauen!", antwortete er rasch und lächelte erwartungsvoll. Ich konnte mir jedoch lediglich ein müdes Grinsen abringen, das eher einer gequälten Fratze glich. "Davon bräuchtest du mal einen ganzen Kanister, Schniefelus!", wieherte Sirius ausgelassen und James grölte vor Lachen. Severus lief rosa an und warf einen vernichtenden Blick in Richtung der beiden. Nun, ich hätte meinen Kopf am liebsten einfach auf die Tischplatte gehauen. Es traf natürlich genau der Umstand ein, den ich gefürchtet hatte: Sev verhielt sich peinlicherweise wie ein unterwürfiger Hund, James und Sirius machten nichts und rissen stattdessen gemeine Witzen auf Sev's Kosten und ich - nun, ich musste die ganze Arbeit mehr oder weniger alleine machen. Natürlich war ich glücklich mit James zusammen, aber Jungen in der Gruppe waren tausend Mal schlimmer und unerträglicher, als wenn man alleine mit ihnen Zeit verbtachte. Ich hatte das Gefühl, dass die sich dann immer gegenseitig mit den albernsten Aktionen und dummsten Sprüchen übertreffen wollten. Meine Güte, war das etwa eine Art Wettbewerb? "Okay", meinte ich gereizt und ignorierte das Lachen der Rumtreiber. "Hier steht, wir sollen als Erstes aufschreiben, was der Trank genau mit seinem Trinker macht." Während Sev und ich konzentriert einen Abschnitt aus dem Buch lasen, bauten James und Sirius Papierflieger, verhexten sie und ließen sie Slughorn um die Ohren fliegen. Ernsthaft? Als sie anfingen, jedem Mädchen das an unserem Tisch vorbei ging, um sich die benötigten Zutaten aus dem Schrank zu holen, provokant nachzupfeifen, platzte mir der Kragen. "Könntet ihr bitte mal mithelfen?", fauchte ich aggressiv. "Ist Lily-Maus etwa neidisch?", fragte Sirius unschuldig und klimperte blöd mit seinen Wimpern. James grinste wissend und fuhr sich arrogant durch das Haar. Mal wieder wurde mir der riesige Unterschied zwischen Sev und James bewusst. Kühl blickte ich die zwei an. "Nein", entgegnete ich mit kalter Stimme. "Ich ärgere mich nur, wie viele schon mit dem Brauen anfangen, während wir noch nicht einmal den schriftlichen Teil erledigt haben." "Aber Lily!", fing James gespielt ernst an und hatte sichtlich Mühe dabei, sich das Lachen zu verkneifen. "Was hast du denn gedacht? Weißt du denn gar nicht, wofür Team  steht?" Mit versteinerter Miene verdrehte ich die Augen und erwiderte nichts. "Toll Ein Anderer Machts!", prustete Sirius los und die beiden konnten sich kaum halten. Ich fuhr mir entnervt über die Lippen und hatte plötzlich einen etwas gemeinen Einfall. "Severus", mit meinem liebsten Lächeln wandte ich mich an ihn und kehrte den anderen Vollhonks konsequent den Rücken zu. "Sag mal, du bist doch so gut in Zaubertränke. Würdest du bitte die Skarabäuskäfer zu Staub zermahlen, während ich die Ingwerwurzeln in feine Streifen schneide?", flötete ich gespielt begeistert und bemerkte zufrieden, wie James sich hinter mir aufrecht hinsetzte. Seite an Seite arbeiteten Sev und ich still nebeneinander vor uns hin. James schien mit sich zu ringen und als ich laut fragte, wer sich um die Kräuter kümmert, meldeten er und Severus sich gleichzeitig. "Nein, Schniefelus, ich mach das!", sagte James entschieden und bewahrte eine coole Miene, während er sich die Kräuter schnappte. Severus sah etwas frustriert aus, deshalb beugte ich mich aus Mitleid vor und meinte: "Wow, den Staub hast du aber echt fein hingekriegt! Da ist ja kaum ein Körnchen größer als ein Millimeter!" Ich war ernsthaft beeindruckt und nahm die zu Staub gemahlenen Körner genauer unter die Lupe. Wie schaffte Severus das nur? "Oh, bitte, wirklich?", murmelte James schließlich verächtlich mit einem missbilligendem Blick in meine Richtung. Erst da bemerkte ich, wie groß mein Ausschnitt war und wie weit ich ihn Sev vor die Nase gehalten hatte. Peinlich berührt zupfte ich an meinem Oberteil herum und wusste gar nicht, wo ich hinsehen sollte. Sev schien es ähnlich zu gehen. Schließlich machte ich mich eilig daran, die Gürteltiergalle in einem Kessel zu erwärmen. "Ihr erwartet doch nicht, dass ich auch etwas tue, oder?", wollte Sirius desinteressiert wissen. Er lag weit zurückgelehnt auf seinem Stuhl und schaute lustlos einen seiner Fingernägel nach dem anderen genau an. Niemand reagierte und Sirius murmelte beschäftigt: "Dann ist ja gut . . ."

Am Ende der Doppelstunde war der Trank tatsächlich fertig gebraut und wir hatten wie durch ein Wunder sogar alle anderen Aufgaben geschafft. Es waren noch zehn Minuten bis zum Unterrichtsschluss und ich wurde zunehmend nervöser, als ich sah wie Sirius und James sich anfingen zu langweilen. Es mochte grausam klingen, aber bei Langeweile neigten die beiden Rumtreiber stets dazu, ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: Severus in jeglicher Art so sehr wie möglich zu verletzen, egal ob physisch oder psychisch. Heute entschieden sie sich für die erste Variante und traten ihn wie zwei kleine Kinder dauernd unter dem Tisch auf schmerzhafte Weise gegen das Schienbein. Severus ertrug es mit Würde, doch sobald er bei einem äußerst miesen Tritt einmal zusammen zuckte, kommentierten seine Peiniger: "Lusche! Sieh ihn dir an, Lily, was für ein jämmerliches Weichei!" Besonders James hatte seinen Spaß daran, mich darauf hinzuweisen, wie schwach Severus war. Am liebsten hätte ich ihm hier und jetzt lauthals die Meinung gesagt, aber ich wollte neugieriges Getuschel und Lästereien wegen eines Beziehungsdramas vermeiden, deshalb wartete ich, bis wir nach der Stunde draußen auf dem Korridor standen. "James, hör mir mal zu", sagte ich direkt zu ihm und nahm ihn zur Seite. "Ich fand es unmöglich von dir, wie du und Sirius Severus behandelt habt. Er hat euch doch gar nichts getan!" James sah erst betreten aus, dann winkte er mit einer abfälligen Bewegung ab: "Oh man, Lily, er ist einfach erbärmlich! Er hat es verdient." Entrüstet sah ich ihn an. "Nein, verdammt, du bist erbärmlich!", brauste ich auf und er zuckte zurück. "Du bist es, der schwach ist. Nicht er. Du würdest das verdienen. Nicht er. Du verhältst dich wie ein Weichei. Nicht er", meine Stimme drohte zu versagen. So. Jetzt war es raus. Aber es war die Wahrheit! "Was?", James schien verwirrt und wütend zu sein. "Nein! Du verstehst das nicht, Lily!" Ich atmete tief durch und nahm dann seine Hände in meine. "James", setzte ich erneut mit einem intensiven Blick an. "Indem du auf Severus rumhackst und ihn schwach machst, zeigst du, dass du selber schwach bist. Du brauchst das offenbar für dein Ego und dein Selbstbewusstsein, du musst andere - in dem Moment - schwächere Leute runtermachen, damit du dich stark fühlen kannst." Er sah nicht ganz überzeugt aus, doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr ich ihm sanft über den Mund. "Du hast mir doch auch gesagt, was dich an meinem Verhalten stört. Nun sage ich dir, was an deinem Handeln nicht richtig ist. Okay?" Nach einem kürzen Zögern nickte er und umarmte mich. Beruhigt sog ich seinen betörenden Geruch ein. Ob er sich ändern würde? Keine Ahnung. Aber ich hatte offen mit ihm gesprochen, genau so, wie es in einer gesunden Beziehung sein sollte. Aber Severus Snape würde wohl auf ewig ein Streitthema bei uns bleiben.

Der Song "Gewinner" von Clueso passt einfach perfekt zu James und Lily. Er beschreibt meiner Meinung nach sehr treffend ihre aktuelle Situation. :)

CollideWhere stories live. Discover now