In der Bibliothek

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, kamen mir die ganzen Ereignisse vom vorherigen Abend wieder in den Sinn.

Das alles kam mir so unwirklich vor, dass ich erst mal eine Weile brauchte, um es zu begreifen. Bedrückt sah ich auf die Uhr. Es war 9:30 und ich ließ mich zurück auf mein Bett fallen.

Die anderen waren wohl beim Frühstück und hatten rücksichtsvollerweise beschlossen, mich ausschlafen zu lassen. Ich hatte keine Lust, etwas zu essen und möglicherweise sogar James zu begegnen.

Die Frage war nun, was ich stattdessen vorhatte, aber da morgen die Ferien beginnen würden, hatten wir nicht mal wirklich Hausaufgaben auf. Ich fühlte mich ausgelaugt und erschöpft, außerdem brauchte ich dringend eine Ablenkung von meinen Problemen.

Ich schlug die Decke zurück und sprang auf. Die meisten Leute würden so einer Situation wahrscheinlich ihren Kummer im Alkohol ertrinken oder mit dem Rauchen anfangen. Beides keine gute Idee, des Weiteren würde mich das Rauchen nur unnötigerweise an James erinnern.

Als Marlene letztes Jahr von ihrem zwei Jahre älterem Freund Alan Hudson verlassen worden war, hatte sie sich wie eine Wahnsinnige ins Training gestürzt. Jede freie Minute hatte sie auf dem Quidditchfeld verbracht und Sport getrieben. Morgens jede Menge Workouts, nachmittags Training und am Abend laufen. Es hatte uns sehr viel Überzeugungskraft und einen gut gezielten Schockzauber von mir gekostet, um sie davon abzuhalten, um 22:00 Uhr joggen zu gehen.

Mary würde vermutlich in den Schokofröschen vom Honigtopf Trost finden und alles in sich reinfuttern, während sich Alice tagelang irgendwo mit ihrer Gitarre und ihrem Songbuch verkriechen würde.

Ich beschloss, aus meinem Kummer das Beste zu machen und zog nach einer gründlichen Dusche los, um in die Bibliothek zu gehen. Unten, vor dem Mädchenschlafsaal, stolperte ich jedoch über etwas. Besser gesagt, über jemanden: James wartete in sich zusammengesunken auf dem Boden und sah echt verkatert aus.

Kein Wunder!

Ich seufzte genervt, in mir krampfte sich alles zusammen. "Lily!", flehte er, "Es tut mir Leid. Bitte, Lily. Ich wollte das nicht. Ich wollte Marlene nicht küssen, bitte, das musst du mir glauben. Ich mag sie noch nicht mal!"

Er sah echt fertig aus, doch ich blieb stark. "Ich habe dir doch gestern schon gesagt, dass es nicht nur der Kuss war. Wir sind einfach zu verschieden und passen nicht zusammen, bitte akzeptiere das doch einfach!", antwortete ich reserviert und vermied sorgfältig, ihm in die Augen zu sehen.

"Wie kannst du so etwas nur sagen?", fragte James fassungslos. "Wir beide, Lily, wir beide gehören zusammen! Wir sind wie . . . Himmel und Erde! McGonagall und Hausaufgaben! Sirius und Pudding!"

Beihnahe hätte er mich zum Lachen gebracht, doch ich riss mich zusammen: "Das sehe ich anders . . .", kommentierte ich vage.

Er beachtete mich gar nicht und fuhr weiter fort: "Gryffindor und der Pokal! Dumbledore und Sirupbonbons! Alice und ihre Gitarre! Elizabeth und Mr Darcy!"

Erstaunt sah ich ihn an. "Das hast du dir gemerkt?", fragte ich zögernd nach. Ich hatte ihm ganz am Anfang unserer Beziehung erzählt, wie sehr ich "Stolz und Vorurteil" von Jane Austen liebte, aber James für Literatur zu begeistern war beihnahe unmöglich, es sei denn das Buch hatte irgendetwas mit Quidditch und Besen zu tun.

"Natürlich, Lils!" Er nahm mein Gesicht in beide Hände und ich schluckte schwer. "Nein", widersprach ich, jedoch nicht mehr ganz so überzeugt wie vorher. "Mach dich nicht lächerlich, wir sind das Traumpaar der Schule! Komm schon, Lily . . . lass mich dein Mr Darcy sein!"

CollideWhere stories live. Discover now