Am See

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"Ich habe wirklich keinen Hunger", wiederholte ich genervt.

Marlene sah mich zweifelnd an: "Bist du auf Diät? Das musst du nicht, Lily, du siehst super aus!" Obwohl ich langsam ungeduldig wurde, stahl sich ein Lächeln auf mein Gesicht.

"Nein, Marlene, mir geht es gut. Ich habe vorhin etwas beim Treffen der Vertrauensschüler gegessen, die Hauselfen hatten uns ein paar leckere Snacks serviert", flunkerte ich.

Marlene sah halbwegs beruhigt aus, daher fügte ich noch hinzu: "Also, ich gehe jetzt noch in die Bibliothek, um ein Buch über Werwölfe für Verteidigung gegen die dunklen Künste zu suchen. Es wird heute später werden . . ."

Im Lügen war ich schon immer grottenschlecht, aber meine Freundin glaubte mir zum Glück. "Und jetzt geh' schon, Mary und Alice warten bereits! Wir sehen uns später!", winkte ich und wartete kurz, bis sich der Gemeinschaftsraum der Gryffindors vollständig geleert hatte und alle beim Abendbrotessen waren.

Dann ging ich ebenfalls hinunter.

Von der Eingangshalle aus hörte man das Klappern von Tellern und die Unterhaltungen der anderen aus der Großen Halle, doch mein Weg führte mich nach draußen.

Die Sonne ging langsam unter, mit schnellen Schritten lief ich zum Ufer. Mein Herz pochte und schon wieder kaute ich ununterbrochen auf meiner Lippe herum.

Wie erwartet war das Gelände von Hogwarts wie ausgestorben, denn ich begegnete niemandem. Schon aus weiter Ferne erkannte ich eine große Gestalt, die mit dem Rücken zu mir stand. Ich konnte kaum still halten vor Vorfreude, trotzdem trat ich bewusst ruhig neben James.

Zusammen standen wir eine Weile da und sahen uns einfach den Sonnenuntergang an. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich erst hochschreckte, als etwas Rauch mir ins Gesicht wehte.

Überrascht hustete ich und sah mit tränenden Augen zu James rüber. "Du rauchst?", ungläubig starrte ich die Zigarrette in seiner Hand an.

Er grinste arrogant und zwinkerte mir zu

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Er grinste arrogant und zwinkerte mir zu.

"Es gibt so einige Dinge, die du nicht über mich weißt, Evans . . ."

Ich verdrehte die Augen und murmelte: "Idiot."

Mein Kopf wusste zwar, dass sein machomäßiges Getue albern, selbstverliebt und nur darauf ausgelegt war, mich verrückt zu machen.

Doch meinem Herz - mein blödes, naives Herz - war das ziemlich egal, denn es flatterte wie verrückt in meiner Brust.

"James, darf ich dich mal etwas fragen?", fing ich nervös an.

Ich ertrug die Ungewissheit nicht länger und wollte mit ihm über Marlene reden. Er forderte mich mit einem Nicken auf zu sprechen.

"Also, heute Morgen, in der Großen Halle, da hat Marlene sich ja ziemlich an dich heran gemacht. Ich meine, das war ziemlich offensichtlich . . . Die ganze Zeit hat sie mit ihren künstlichen Wimpern geklimpert und so geguckt, das war so was von - Was ist denn jetzt schon wieder?"

Verärgert funkelte ich ihn an.

Er sah mich schon wieder mit diesem Blick an. "Bist du etwa eifersüchtig, Lils?", grinste er und musterte mich.

Ich sog scharf Luft ein: "Wie bitte? Du hast sie ja wohl nicht mehr alle! Ich! Eifersüchtig! Auf Marlene! Wegen dir!" Wütend atmete ich aus.

Vielleicht hatte ich mich ja geirrt.

Vielleicht hatte er sich gar nicht verändert.

Er war immer noch so verdammt eitel wie früher, egal ob ich das jetzt attraktiv fand oder nicht. Mit so einem Jungen konnte ich nichts anfangen, ich wollte jemandem, mit dem ich vernünftig reden konnte und der nicht die ganze Zeit billige Anmachsprüche riss.

James wusste, was er für eine Anziehungskraft auf Mädchen ausübte, aber darauf hatte ich keine Lust.

Frustriert wandte ich mich zum Gehen, doch er hielt mich zurück. Mit einer lässigen Bewegung schnippte er die Zigarette weg.

"Warte, Lily." Ich kam gar nicht dazu, irgendetwas zu sagen, da hatte er mich schon geküsst.

Einfach so.

Alles in meinem Kopf schrie, ich müsste ihn wegstoßen und ihm zu sagen, dass er sich wie ein verdammter Kotzbrocken verhielt, doch ich konnte mich nicht dazu durchringen. Zu sehr hatte mich den ganzen Tag nach ihm gesehnt.

Seine Hand umfasste meine Hüfte und ich umschlang mit meinen Armen seinen Hals.

"James . . .", murmelte ich.

Er löste sich von mir. Da war er wieder, der ernste, erwachsene James. Er strich mir über die Wange.

"Lily", meinte er, "Marlene wollte doch nur ein Date für die Halloween-Party. Ihr war es ziemlich egal, ob sie jetzt mir mir oder Tatze hin geht. Mach dir darüber keine Gedanken. Ich liebe dich, Lily, nur dich", er lächelte mich versöhnlich an und ich erwiderte sein Lächeln zögernd.

"Naja", er schmunzelte, "Und ein bisschen mich selbst."

Ich prustete verächtlich los, aber mir war klar, dass er mich nur aufmuntern wollte.

"Ich liebe dich auch", flüsterte ich leise.

Wir setzten uns ins Gras, ich lehnte mich an seine Schulter. James erzählte mir von seinen Streichen mit den Rumtreibern und brachte mich zum Lachen. Auch wenn ich es mir nicht unbedingt eingestehen wollte, war James eben doch genau das, was ich brauchte.

Ich schmiegte mich an ihn. Mittlerweile war es kälter geworden. James bemerkte mein Zittern, auch wenn ich es mühsam versuchte zu verbergen.

Fürsorglich gab er mir seinen Pullover und hielt verdutzt inne, als ich mädchenhaft zu kichern anfing.

"Was?", fragte er, "Was? Was? Was?" Ich schüttelte nur den Kopf und bekam kein Wort raus vor Lachen. James war nicht sehr hilfreich und begann damit, mich abzukitzeln. Ich kreischte auf vor Vergnügen und fühlte mich irgendwie befreit.

Nach einiger Zeit blieben wir beide erschöpft liegen, doch James hakte erneut nach: "Was bei Merlins Bart war denn jetzt so lustig daran?" Ich biss mir zögernd auf die Lippe und ließ ihn noch etwas zappeln.

"Keine Ahnung, das ist so klischeehaft!", meinte ich dann. "Und auch echt süß."

Abwartend sehe ich ihn an. Mit einem verschmitzten Lächeln gab er mir seinen Pullover, es handelte sich um seinen roten Quidditchpullover mit der Aufschrift "Potter".

Ich zog ihn über. "Er ist zu groß", stellte ich fest. Trotzdem fühlte sich der Pulli gut an, und er roch nach James.

"Quatsch, er steht dir super!", widersprach James mir und küsste mich. Händchenhaltend gingen wir zurück zum Schloss und trennten uns erst vor unserem Gemeinschaftsraum. "Ich bin noch mit Tatze, Moony und Wurmschwanz verabredet!", informierte er mich geheimnisvoll. "Wir sehen uns später, Lils!"

James ging mit federnden Schritten den Gang entlang. Einen Augenblick sah ich ihm dümmlich grinsend nach, dann wandte ich mich der Fetten Dame zu, die mich missbilligend musterte. Schon klar. Jahrelang hatten selbst die Gemälde von Hogwarts mitgekriegt, wie Lily Evans James Potter hasste. Und nun das!

Der Gemeinschaftsraum müsste jetzt mittlerweile leer sein, es war schon ziemlich spät.

Mit einem breiten Lächeln sagte ich das Passwort und trat ein. Doch was ich dort vor fand, schockierte mich zutiefst . . .

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