Briefe aus Cokeworth

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Liebe Lily,

wir hoffen, dass es dir in Hogwarts gut geht und die Schule dich nicht zu sehr überanstrengt. Es tut uns wirklich Leid, dir mitteilen zu müssen, dass du leider doch nicht nach Hause kommen kannst. Tante Eleanor hatte einen Schlaganfall und wir mussten sofort zu ihr nach Liverpool fahren. Seit Onkel Georges Tod hat sie ja niemanden mehr, der sich um sie kümmert. Eleanor wird es überleben, aber sie braucht uns jetzt. Bitte verstehe das. Wir können uns ja in den Osterferien sehen. Es wäre unser größter Wunsch, wenn du zusammen mit Petunia feiern würdest, sie freut sich bestimmt.

In der Hoffnung dass du wohlauf bist,

Mum & Dad

Ungläubig starrte ich auf die Worte, die langsam vor meinen Augen verschwimmen zu schienen. Tante Eleanor hatte einen Schlaganfall? Oh mein Gott. Der Gedanke, dass es nicht lebensbedrohlich war, erleichterte mich nur in geringem Maße. Natürlich war ich tief enttäuscht, dass ich Weihnachten nicht mit meinen Eltern verbringen würder, aber ich sah ein, dass meine Tante sie jetzt dringender brauchte. Bevor ich tief durchatmen konnte, erschien eine hübsche Sumpfohreule am Fenster. Etwas verwirrt ließ ich sie hinein flattern und nahm überrumpelt den zweiten Brief an. Ich sah die Schrift auf dem spießig zugeklebtem Umschlag und mein Herz wurde schwer. Was hatte Petunia mir denn noch zu sagen? Widerwillig riss ich das Papier heraus.

Lily,

falls du es noch nicht weiß: Tante Eleanor hatte einen Schlaganfall und unsere Eltern sind nach Liverpool gefahren. Du kannst Weihnachten nicht herkommen, vergiss es! Mein Freund Vernon ist bei mir und du würdest wie immer nur störem. Im Gegensatz zu Mum und Dad werde ich kein Verständnis für deine Abnormalität aufbringen. Egal was sie sagen, lieber hau ich ab und gehe zu den Dursleys, als mit dir unter'm Weihnachtsbazm zu sitzen! Wag es ja nicht, hier anzukommen. Du bist unerwünscht!

Petunia

Ich verlor völlig die Fassung und der Brief fiel zu Boden. Genau wie ich. Die Hände auf die Lippen gepresst und mit geweiteten Augen lag ich auf dem Teppich und fing hemmungslos an zu schluchzen. Ich hatte ja gewusst, dass meine Schwester Magie veranscheute, aber ich hatte stets angenommen, dass es nur eine Phase in der Pubertät sei. Wenn wir beide erwachsen wären, würden wir darüber lachen können. Wenn wir beide erwachsen wären, wäre alles vergessen. Aber nein. Es hatte nichts mit ihrer Entwicklung oder sonst was zu tun. Es war der blanke Hass, die pure Eifersucht, die reine Verachtung. Das wurde mir jetzt zum ersten Mal so richtig bewusst. Aus meinem Mund kamen verzweifelte Schmerzenslaute und ich schlang zitternd die Arme um meinen Körper. Unser Verhältnis war für immer zerstört, Petunia wollte sich gar nicht mit mir vertragen. Es bereitete ihr Spaß, mich mit ihren harten Worten zu verletzen. Der Gedanke, dass wir uns nie wieder in Harmonie friedlich unterhalten würden und sie mich nie wieder liebevoll ansehen würde, brachte mich beinahe um den Verstand. Merlin, das war so grausam. Meine eigene, einzige Schwester. Verloren. Für immer. "Lily?", ertönte eine verzagte Stimme. Ich wandte den Kopf, fast wahnsinnig wegen dem Verlust. Es war James. Hastig fuhr ich über mein Gesicht und sprang auf, wobei ich fast den Halt verlor und taumelte. Mit festem Griff umfasste er mein Handgelenk und gab mir das Gleichgewicht wieder. Dann drückte er mich sanft auf den Sessel und setzte sich auf die Couch gegenüber. Zwischen uns befand sich ein niedriger Tisch, der für den Abstand sorgte. Schweigend sah er mich an, während ich zu Boden starrte. "Ich habe Zeit", teilte James mir mit und nahm seine Fingernägel interessiert genauer unter die Lupe. "Wie sieht es bei dir aus? Heute noch irgendwelche dringenden Termine?" Mein genevter Blick ließ ihn völlig kalt. So saßen wir noch ein paar Minuten da, bis ich mich nicht länger zurückhalten konnte: "Meine Eltern mussten zu Mums Schwester, weil sie einen Schlaganfall hatte, aber Petunia will nicht, dass ich über Weihnachten nach Hause komme. Sie hasst mich!" James beugte sich stirnrunzelnd vor. "Lily, ich glaube nicht, dass sie dich hasst. So ein Quatsch! Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendein Wesen auf diesem Planet dich hassen könnte", meinte er leichthin und entlockte mir ein schwaches Lächeln. Wortlos zeigte ich ihm anschließend den Brief meiner Schwester. Beim Lesen weiteten sich seine Augen erschrocken und man sah ihm an, dass er krampfhaft versuchte, sich sein Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Zu spät . . . "Naja, immerhin hat sie extra eine Eule vom Eulen Express bestellt. Das kostet schließlich zwei Sickel!", James kratzte sich am Hals und ich schnaubte. Er beugte sich nach einem kurzen Moment des Zögerns vor. "Hör mal", begann er und sah mir ernst in die Augen, "Ich kann deine Schwester nicht leiden. Nicht, weil sie ein Muggel ist, sondern weil sie dich scheiße behandelt. Das macht mich unfassbar wütend. Und auf dich bin ich auch sauer! Weil du es zulässt und dich von ihr verletzen lässt. Du bist so toll, Lily! Es sollte dich nicht kümmern, was Petunia von dir denkt, da sie es nicht wert ist. Klar, sie ist deine Schwester und deshalb ist es umso trauriger, dass eure Beziehung so verkorkst ist. Aber du trägst keine Schuld daran, okay? Das musst du dir immer wieder sagen." Überrascht blinzelte ich. "Danke, James", murmelte ich. Er schüttelte lässig den Kopf. Kurz schwiegen wir, bis er sich räusperte und ein verzweifelter Unterton schlich sich in seine Worte: "Ich liebe dich, Lils. Was immer ich getan habe, bitte vergib mir!" Mir war unbehaglich zumute, doch er hatte ein klärendes Gespräch verdient. "Ich habe dir letztes Mal schon gesagt, dass es an mir lag", wiederholte ich erstickt. Er rollte mit den Augen: "Hast du jetzt nicht genug Auszeit von mir gehabt?" "James . . .", erwiderte ich nur gequält. Er rutschte von der Couch und kniete sich auf den Boden vor mich. "Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber ich fühle mich noch nicht bereit, um mit dir zu schlafen. Kannst du das verstehen?", er sah mich flehend an. Mir blieb bei diesem Geständnis fast die Luft weg. War es sonst nicht immer so, dass der Junge das Mädchen bedrängte? Und wieso zum Teufel wollte James fucking Potter noch keinen Sex? Er riss doch mit Sirius seit Jahren perverse Sprüche und hatte bestimmt schon eine Menge Mädchen im Bett gehabt. "Du bist etwas besonderes und ich will dich erst näher kennenlernen. Das ist mir wichtig. Du bist mir wichtig", fügte er mit gesenktem Blick hinzu. Ich ließ mich zu ihm hinunter sinken, sodass wir beide auf dem Teppich des Gryffindorgemeinschaftsraums hockten. "Das verstehe ich und ich fühle genauso", flüsterte ich, "Danke für deine Ehrlichkeit. So eilig habe ich es nicht, ich glaube, der Gedanke dass du es willst, hat mich dermaßen unter Druck gesetzt, dass ich es schnell hinter mich bringen wollte. Aber so sollte es nicht sein, das war falsch. Lass uns warten!" Mir rollten vor Glück ein paar Tränen hinunter und er wischte sie mit einer sanften Bewegung seines Zeigefingers weg. Vorsichtig lehnte ich meinen Kopf an seine Brust und ließ zu, dass James' weiche Hand mir über das rote Haar strich. "Du, Lily", sagte er auf einmal mir rauer Stimme und ich löste mich verwirrt von ihm, "Wie wäre es, wenn du mit mir und Sirius zu meinen Eltern kommst? Wir könnten die Ferien zusammen verbringen! Remus und Peter wollen am zweiten Weihnachtsfeiertag auch vorbeischauen. Komm schon, das wird sicher lustig!" Doch es brauchte überhaupt keine Überzeugungskunst, um mich zu begeistern. Enthusiastisch fiel ich meinem Freund um den Hals. "Das wäre fantastisch!", jubelte ich. Der Gedanke, ohne Mary, Marlene und Alice allein in Hogwarts Weihnachten zu feiern, hatte mich mehr als traurig gestimmt. Diese Aussichten waren tausend Mal besser! James erwiderte mein Lächeln erfreut. Mit geschlossenen Augen hauchte ich ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. Ich hatte das sichere Gefühl, dass dieses Weihnachtsfest besser werden würde als alle anderen Heiligabende in Cokeworth zusammengenommen.

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Hey  ❤️

Dankeschön fürs Lesen! Ich würde mich freuen, wenn ihr voten würdet und mir sagen könntet, was für ein Special ihr euch für die kommenden 4k wünscht, weil ich schon mal vorausplanen möchte. Und ich möchte mich schon mal jetzt entschuldigen, da die nächsten Kapitel vielleicht etwas stockend hochgeladen werden könnten...:)

Der Song oben ist übrigens von den Foo Fighters: "Best Of You"...Meiner Meinung nach eine der besten Bands der Welt, die aus welchem Grund auch immer nicht im Radio gespielt werden. Der Sänger und Gründer Dave Grohl war übrigens der Schlagzeuger von Nirvana, diese Band sagt euich hoffentlich etwas. "Best of You" ist eines meiner tausenden Lieblingslieder und der Text passt (so wie ich ihn interpretiere) super zu der Situation von Lily und Petunia. ;D

Liebe Grüße, Jean :**

CollideWhere stories live. Discover now