Kapitel 16.

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| Audrey

Er zieht mich ins Wohnzimmer und ich setze mich, ohne die Jacke auszuziehen, auf die Couch und drücke mich in die letzte Ecke. Er geht anscheinend nochmal in die Küche und ich sitze jetzt hier mit irgendwelchen von seinen College-Freunden, oder Teilen seines Baseballteams im Wohnzimmer. Sie grinsen mich an, starren mich von oben bis unten an und ich drücke mich nur noch mehr in die Couch. Die Luft in seiner Wohnung scheint zu stehen und den anfänglich unangenehmen Geruch nehme ich jetzt schon kaum mehr war, spüre nur, wie sich bei jedem Atemzug der Rauch in meine Lungen brennt. "Finger weg von meiner Süßen!", lacht er, als er mit eine Runde Bier ins Zimmer kommt. Er drückt mir eins in die Hand und ich schiebe es weg von mir, dass wird nur mit einem Achselzucken beachtet und während sie sich einen Joint drehen und dabei lachen, wünsche ich mir, mich in Luft aufzulösen.

Vielleicht ist es an der Zeit, dass hier aufzuklären. Er heißt Derek und er ist 24 Jahre alt - er geht aufs selbe College wie ich und studiert was mit Medien. Seit zwei Jahren spielt er im Baseballteam und ist einer der Guten, er sieht nicht schlecht aus, zumindest vom äußerlichen her. Seine Angewohnheiten beschränken sich aufs Kiffen und Trinken, er wohnt in einer kleinen Wohnung, die er ziemlich runterkommen lässt und die ich mehr als einmal aufräumte. Und wir haben was, seit 7 Monaten - irgendwie haben wir was. Meine Eltern und Er sind der Meinung, wir sind zusammen - natürlich sind wir fest zusammen, dass Derek und Ich das nie richtig geklärt haben und ich da "irgendwie reingerutscht" bin, mag wie eine billige Ausrede klingen, kann ich aber nicht leugnen. Ich habe also sowas wie eine Beziehung mit einem Menschen an meiner Seite, den ich nicht liebe - ich habe Sex ohne Gefühle und wie selten wir uns eigentlich sehen, ist nicht von Bedeutung. Vertrauen habe ich zu ihm nicht, genauso wenig wie ich eigentlich zu ihm stehen möchte. Aber wenn es eines gibt, was mich regiert, und regieren kann, dann ist es Angst und die habe ich genug vor ihm. Und genau deswegen sitze ich jetzt auch in seiner Wohnung und warte, bis ich zur Universität muss.

Sein Atem riecht nach Bier, als er sich zu mir lehnt. "Komm, Süße, lass uns zusammen ins Zimmer gehen. Die sind hier erstmal beschäftigt". Ich spüre seine Lippen und wie seine Zunge um Einlass bittet, in mir macht sich Ekel breit und ich schiebe ihn indirekt etwas von mir weg, was ihn dazu veranlasst, aufzustehen und meine Hand zu nehmen. Ich habe das Gefühl, Florence zu betrügen, wenn ich jetzt mit ihm mitgehe - ich muss würgen, als ich seine Hand auf meiner Hüfte spüre. Ich schlage seine Hand weg. "Ich muss los, sorry, mir fällt gerade noch was ein, was ich für ein Seminar machen muss - ich muss das mit Olivia klären", ich fahre mir mit meinen Fingerspitzen durchs Haar und muss darüber lächeln, wie Florence meinte, ich soll doch einfach einen Zopfgummi rein machen. Seine Bartstoppeln kratzen, als ich ihm einen Kuss auf die Wange gebe und als die Tür hinter mir zuknallt, sitze ich mit zitternden Knien auf der Treppe. Florence darf davon nie etwas erfahren - sofort ziehe ich mein Handy, um mich bei Olivia zu melden. Schließlich habe ich noch über drei Stunden bis zu meinem Seminar.

| Florence

Die ganze Stunde über schweife ich immer wieder ab, da ich an Audrey denken muss - es fällt mir schwer, einen anderen Gedanken zu fassen. Sie ist einfach viel zu wundervoll, als dass ich sie vergessen könnte. Ihre Anwesenheit hat mich glücklich gemacht und in meinem Kopf machte mich ihre Anwesenheit noch immer glücklich. Und ich weiß, dass ich mich da vermutlich in was verrannt habe - ich glaube, ich bin verliebt und ich weiß nicht mal, was sie davon hält. Ich muss mich irgendwie erstmal distanzieren und mich auf meinen Alltag konzentrieren - ganz egal, wie viel sie davon jetzt einnehmen würde. Und in der Pause kann ich mich mit Sicherheit wieder bei ihr melden, dass müsste reichen. Und das mache ich dann auch prompt, als ich mit Chloé in der Mittagspause zum nahegelegenen Bäcker gehe - sie erzählt mir gerade irgendwas über ihren Kollegen aus England, mit dem sie unbedingt mal wieder spielen muss, aber der sich immer an sie ranmacht, während ich krampfhaft überlege, was ich Audrey schreibe. "Sag mal, hörst Du mir überhaupt zu?", fährt sie mich Sekunden später an und ich nicke überzeugt, bevor sie mir das Handy aus den Fingern zieht. "Sitzt Du seit zehn Minuten vor dem Chatverlauf und weißt nicht, was Du schreiben sollst?", fragt sie genervt und verdreht die Augen. Ich murre und nehme mir mein Handy zurück. Nach einer kurzen Denkpause, schreibe ich: Ich denke auch an Dich und ich vermisse Dich jetzt bereits, auch wenn das furchtbar kitschig klingt. Ich hoffe, Du hast einen schönen Tag! Kuss, Flo. Dann lege ich das Handy weg und widme mich vollkommen Chloés Ausführungen, während ich an meinem Donut rumkrümel.

Der Rest des Schultages verlief erneut unspektakulär und das mir Audrey bisher nicht geantwortet hatte, stimmt mich nicht unbedingt motivierter. Chloé und Ich beschlossen, an den Strand zu gehen und während ich meine Badesachen unterziehe, schiebe ich mir noch schnell ein Brötchen zwischen die Zähne - in den letzten Tagen hatte ich wieder mehr gegessen und ich frage mich, wann ich nicht mehr in meine Sommerklamotten passen würde. Kurz lache ich auf. Vermutlich würde das so schnell nicht gehen, trotzdem vermeide ich gekonnt den Blick in den Spiegel - vor einem Strandbesuch musste das nicht unbedingt sein, die Narben an meinem Körper ziehen schon genug Blicke auf sich. Während ich gedankenverloren mein Handtuch einpacke, vibriert mein Handy. Anruf. Es ist Audrey. Ich klemme mir das Handy zwischen die Ohren, während ich meine Autoschlüssel nehme und die Tür einhändig abschließe. "Hey, was ist los?", frage ich, nachdem sie bereits einige Zeit nichts sagte. "Oh, sorry", sagt sie und es klingt, als wäre sie abwesend, "ich wollte nur fragen, wie es Dir geht. Ich hatte heute keine Zeit, zu antworten und sitz gerade gelangweilt in der Uni". Ich lächle. "Ich bin gerade auf dem Weg zum Strand, Chloé und Ich wollten uns ein bisschen sonnen"; "Das ist bei Deiner Käsehaut ja auch echt nötig". Ich lache und ärgere sie durchs Telefon, woraufhin ich mir sicher bin, dass sie sich das Lachen stark verkneifen muss. "Wann ist Dein Tag heute vorbei?", frage ich und setze mich ins Auto, während ich schon mal das Fenster aufmache. "Ach, ich habe heute noch eine Vorlesung und dann hab ich es geschafft. Also sitze ich jetzt bis 16 Uhr noch hier rum und habe dann bis 17:30, gegen 18:00 dürfte ich zuhause sein"; "Soll ich vorbeikommen?", frage ich lachend und sie antwortet nicht. Scheinbar war das falsch, denn mehrere Sekunden später schweigt sie noch immer - eigentlich war ich bisher von einer lockeren Stimmung in unserem Gespräch ausgegangen. Momente später höre ich das Tuten aus dem Telefon. Sie hat aufgelegt. Ich schlucke schwer und spüre ein Brennen in meinen Augen - ich würde jetzt stark bleiben. Ganz einfach. Ich mache das Handy aus, schlage aufs Lenkrad und schmeiße es auf den Beifahrersitz.

Unten am Strand angekommen, stecke ich mein Handy in die Hosentasche und sehe von weitem schon Chloé, die mir aufgeregt entgegen kommt. Sie wohnt näher am Strand als ich. Sie fällt mir um den Hals und sofort ist meine Stimmung besser. Chloé ist einfach grundsätzlich eine zufriedene Person und das vermittelt sie auch an ihre Umwelt - also vergesse ich das mit Audrey und genieße einfach die Zeit, die ich mir mal wieder mit meiner besten Freundin zusammen nehme. Schmerzlich kommt die Erinnerung an das, was mit Audrey war, aber zurück, als ich auf Chloé warte, die sich gerade ein Eis holt. Unsicher ziehe ich mein Handy aus der Tasche und hadere mit mir, ob ich es anschalte oder einfach wieder zurückstecke - aber die Minuten vergehen und Chloé ist immer noch nicht da. Entweder ist es so voll, dass sie Stunden auf ihr Eis wartet oder sie hat irgendwen getroffen und sich verquatsch. Ich wechsele von einem Fuß auf den anderen und beschließe dann, einfach aufs Handy zu schauen. 4 entgangene Anrufe und 2 Nachrichten. Eine von meiner Mutter, eine von Audrey. Gekonnt schiebe ich die Nachricht von meiner Mutter weg, zu stark ist das "innere Gefühl", Audreys Nachricht lesen zu wollen.

Audrey: Liebes, es tut mir leid! Der Empfang war weg und scheinbar hast Du kein Wort von dem gehört, was ich sagte. Du kannst gerne vorbeikommen, wenn Du magst.

Sie hatte mir noch ihre Adresse darunter geschrieben und sich am Ende nochmal entschuldigt. Während mir ein Stein vom Herzen fällt, macht sich in mir das schlechte Gewissen breit - klar, war mein Nachmittag schön, aber das wäre er auch gewesen, hätte ich das mit Audrey vorher geklärt. Oder wäre ich gar nicht böse gewesen oder, ach, was weiß denn Ich. Im nächsten Moment kommt Chloé und sieht mich fragend an - ihr Eis ist zur Hälfte aufgegessen, also muss sie vermutlich jemanden getroffen haben. Bevor sie mich ausfragt und bevor ich es noch länger für mich behalte, erzähle ich ihr von meinem "Problem" mit Audrey. Sie beschließt, dass ich nachher unbedingt vorbeigehen muss, aber mich erstmal nicht weiter melden soll - ich habe ja ihre Adresse und könne dann einfach vorbei. Das wird sie sicherlich freuen. Und wir legen uns nochmal für eine halbe Stunde in die Sonne, um die letzten Strahlen zu genießen.

Something Good. II girlxgirlWhere stories live. Discover now