Kapitel 10.

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Es klingelt. Ich schrecke auf und schmeiße dabei die Fernbedienung vom Sofa - da ich sie nicht finden kann, als ich mich hastig danach umsehe, lasse ich den Fernseher einfach laufen. Während ich zur Tür gehe stolpere ich mindestens dreimal über meine eigenen Füße, reiße fast die Vase von ihrem Hocker und flüstere mir viermal zu, ruhig zu bleiben, während ich mir zum sechsten Mal die Haare hinter die Ohren schiebe. An der Tür stelle ich fest, dass ihr Stift auf dem Couchtisch liegt - dass heißt, ich muss sie reinbitten. Oh Gott. Ich öffne die Tür und sie steht mir gegenüber und lächelt mich herzlich an. Da es heute etwas grauer und bewölkt ist umspielt ein leichter Wind ihre Haare, die dunkelbraun schimmernd über ihre Schultern fallen. Ich möchte ihr die Haarsträhne hinters Ohr streichen, die sich gerade über ihr Gesicht gelegt hat. Ihre Hand hat sie locker auf ihrer Tasche abgelegt und sie ist dezent geschminkt. Ihr Outfit besteht aus einer kurzen Hose und einem weiten, leichten Pullover in grau. Die kurze Hose lässt, wie zu vermuten ist, den Blick auf ihre langen Beine frei [...] "Willst Du mich nicht rein lassen?" fragt sie lachend. Ich erstarre noch mehr und werde rot. "Klar", stammle ich und trete ein wenig von der Tür weg, damit sie reinkommen kann. Sie fällt ins Schloss, als ich sie leise hinter mir schließe. Sie steht in meinem Wohnzimmer, so unauffällig wie möglich beiße ich mir auf die Lippe - Nein, es ist kein Traum und es liegt nicht am Alkohol. Wir schweigen uns an, bis ich mich räuspere. "Magst Du was trinken, setz Dich? Irgendwas". Schüchtern bringe ich ein Lächeln über meine Lippen. Sie setzt sich und klopft neben sich auf die Couch. "Nichts trinken?"; "Später vielleicht". Himmel, Sie hatte vor, noch länger hierzubleiben. Ich werde sterben.

Sie legt ihre Tasche ab und zieht ihre Jacke aus, um sie dann vor die Couch zu werfen. "Sorry, ich hoffe, dass ist okay?" "Kein Ding", murmle ich, während mein Blick wie festgeklebt an ihren Lippen hängt. Ich schüttle den Kopf und stelle fest, dass der Fernseher noch läuft. Sie sitzt im Schneidersitz, den Kopf auf ihre Hände gestützt und sieht gebannt zu. "Welche Staffel ist das? Ich bin erst bei Staffel 3", fragt sie dann plötzlich aus dem Nichts heraus. Mein Herz pocht unbegründet schneller, vermutlich ist es ihre Stimme, die sich bei jedem Wort, dass sie sagt, tiefer in mein Herz gräbt. "Das ist Staffel 6, aber ich hab sie eh schon mal alle angeschaut. Das ist voll der Spoiler, dass geht so nicht!" Ich springe von der Couch auf und suche verzweifelt die Fernbedienung, welche ich unter der Couch hervor graben kann und stoppe die ganze Angelegenheit. "Bei Dr. Who ist nicht zu spaßen" - ich grinse und hoffe, sie hält mich jetzt nicht für vollkommen verrückt, "also, bei welcher Folge bist Du? Dann schauen wir von da an weiter, wenn überhaupt". Ich weiß nicht, woher ich den Mut hatte, so zu handeln aber ich hielt es intuitiv für richtig. Vermutlich musste ich sie einfach ganz normal als Freundin behandeln, die ich einfach kennenlernen wollte. Das war mit Sicherheit das Beste. Aber ich weiß, dass ich das absolut nicht kann. "Bei Folge 7", grinst sie mich an und ich stehe mit der Fernbedienung vor dem Fernseher um umzuschalten. "Jetzt was Trinken? - könnte ein langer Abend werden", lache ich und sie nickt. Da ich vergessen habe, die Fernbedienung wegzulegen, stehe ich mit der Fernbedienung vor dem Kühlschrank und suche Orangensaft während der Wasserkocher für einen Tee blubbert. Ich stehe vor unserem Besteckfach und suche zwei kleine Löffel, als ich ihren Kopf auf meiner Schulter spüre. Da sie mir so nah ist, kann ich ihren Atem an meinem Ohr spüren, und ihre Stimme klingt so noch viel weicher, als wenn sie sonst redet "Kann ich irgendwie helfen?". Während ich meinen Kopf nach rechts drehe spüre ich kurz ihre Wange bevor sie ihren Kopf wegzieht und meinem Blick folgt. "Da ist unser Süßigkeitenfach - wenn Du was haben willst, durchsuch es und nimm es raus". Sie nickt und ich gieße währenddessen das Wasser auf. Als sie sich entfernt kann ich kaum ihre Schritte auf dem Laminat vernehmen.

Bevor ich mich irgendwie zurück ins Wohnzimmer mit den ganzen Tassen bugsiere, versuche ich, den Gedankennebel verschwinden zu lassen, aber es mag nicht richtig funktionieren. Also nehme ich mein Zeug und setze mich einfach zu ihr, während ich "Dr. Who" starte. Da ich die Folgen schon kenne ist es mit Sicherheit nicht schlimm, wenn ich ihr mehr Aufmerksamkeit schenke, als der Serie. Wenn Sie lacht, erkenne ich immer wieder das Grübchen rechts an ihrer Wange - es wird stärker, je mehr sie lacht. Wir müssen oft an den selben Stellen lachen und das beruhigt mich irgendwie. Die Schokolade, die sie sich mitgenommen hat, isst sie langsam und bedacht - während bei mir die ganze Tafel vermutlich binnen zehn Minuten verschwunden gewesen wäre. Ihre Hände schieben ihre nach vorne fallenden Strähnen immer wieder nach hinten. Trotz des Zopfgummis an ihrer Hand macht sie sich keinen Zopf. Als ich wieder einmal beobachte, wie sie spannend die Szene im Fernseher verfolgt, sieht sie auf und blickt mir direkt in die Augen. Erwischt. "Du bist süß", meint sie und wendet sich wieder dem Fernseher zu. Ich werde rot. Sie lacht. Und ihr Lachen ist perfekt, es ist nicht zu hell und schrill, sie hat einen leicht tiefen Ton in ihrem Lachen und es ist ein Lachen, dass man hören will, wenn man etwas dämliches gemacht hat. Mit ihrem Lachen wäre sie niemals in der Lage, jemanden auszulachen. Dafür ist es zu schön.

Something Good. II girlxgirlWhere stories live. Discover now