Kapitel 9.

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Im Halbschlaf spüre ich, wie mein Kopf noch etwas mehr im Kissen versinkt, als ich mich umdrehe. Kurze Zeit später vernehme ich das nervige Brummen meines Handys unter dem Kopfkissen. Sicher nur eine SMS, aber es wird nicht weniger und das monotone Vibrieren schmerzt in den Ohren. Genervt seufze ich ins Kissen und fingere mit der Hand mein Handy hervor. "Mh?". "Oh mein Gott, hab ich Dich geweckt? Egal, tut mir leid - nein, irgendwie auch nicht. Wie gehts Dir, bist Du zuhause, ist alles gut?" Chloés Fragen überfordern mich und als ich antworten will, habe ich schon wieder vergessen, was sie gefragt hat. "Was willst Du?" nuschle ich. Ich höre ein Seufzen am anderen Ende des Hörers und sie bemüht sich, ihre Stimme etwas leise zu halten. "Kannst Du dich noch an irgendwas von gestern Abend erinnern?". "Ja, klar. Ich war nicht SO betrunken, dass ich das nicht mehr weiß". "Jetzt red nicht so beleidigt, ich mach mir nur Sorgen, Knallkopf". Ihre Stimme ist sanft und ruhiger, "also, Du bist gut zuhause angekommen, nehme ich an?". Ich nicke, bis mir auffällt, dass sie das nicht sehen kann. "Du hast genickt, stimmt's?" Ich lache, dabei schmerzt es mich hinter den Schläfen. Genervt verziehe ich das Gesicht. "Ja, ich liege im Bett, in meiner schwarzen Kuschelbettwäsche, habe Kopfschmerzen und werde von Dir vollgequatscht"; "Ey. Gut. Dann bin ich beruhigt - Leroy und Ich haben gestern nicht wirklich drüber nachgedacht, Dich einfach so ziehen zu lassen. Na, egal, ist ja alles gut gegangen. Gut. Aber erzähl mir, was das gestern war?". Ich weiß, wie ihre Augen vor Neugier blitzen und wie sie vermutlich auf ihrer Haarsträhne herumkaut. "Nicht jetzt, Chloé" jammere ich und hoffe, sie damit ausreichend mit Informationen versorgt zu haben. "Gut, okay - ich bin um 14 Uhr bei Dir! Und bring Filme mit für einen entspannten Abend. Bis später, Knallkopf!" Aufgelegt. Getäuscht. Ich schmeiße meinen Kopf zurück ins Kopfkissen und jammere - momentan fühlt sich nichts so an, als ob ich heute noch für was zu gebrauchen bin. 9:34 Uhr.

Nach einer ausgiebigen Dusche und ausreichend Kopfschmerztabletten setze ich mich mit noch halb-nassen Haaren an den Schreibtisch. Emely ist noch bei ihrer Freundin und meine Mutter hatte mir eine Nachricht geschrieben, dass sie mit Freundinnen Kaffee-Trinken und am Strand ist. Kurz war ich darüber traurig, alleine zu sein - ich hätte mich gefreut, mal wieder mit meiner Mutter ein wenig zu reden. Ich ziehe eine Schublade auf, um Stifte rauszunehmen und hole den Hirsch aus meiner Tasche, um ihn zu beenden und zu colorieren. Als ich wieder aufschaue, entdecke ich einen beschriebenen Zettel - die Handschrift darauf ist nicht meine. In meinem Kopf entwickelt sich das Geräusch des Kratzens einer Mine auf Papier. Der Zettel war von ihr, von wem sollte er sonst sein? Das Papier fühlt sich nicht besonders zwischen meinen Fingerspitzen an, ich drehe es ein wenig hin und her, um dann zu lesen, was darauf steht. Guten Morgen, schöne Frau! Viel trinken und vernünftig essen gegen den Kater. Du hast noch meinen Stift. Sag mir, wann Du ihn mir wiedergibst: [Telefonnummer] ;). Audrey. Ich beiße mir nervös auf die Lippe und spiele mit diversen Knöpfen an meinem Handy rum. Sollte ich die Nummer einspeichern? Sie hatte doch gesagt, ich muss ihr den Stift nicht wiedergeben? Habe ich den Stift noch? Meine Gedanken wollen noch immer nicht so ganz verstehen, was gestern passierte und bis eben hatte ich mich bemüht, nicht darüber nachzudenken. Ich verdränge die Gedanken daran und schiebe den Zettel zur Seite, mache Musik an und greife nach den Stiften, um einfach zu zeichnen. Die Musik fließt mir leise durch die Ohren und Strich für Strich nimmt der Hirsch mehr Form an, lässt sich formen. Es wirkt beruhigend und ich nehme die Musik kaum noch war, während ich zeichne. Als ich zufrieden auf die Zeichnung blicken kann, lächle ich in mich rein, strecke mich und stelle erfreut fest, dass meine Kopfschmerzen weg sind. Mein Handy stecke ich ein, falte den Zettel und gehe nach unten, um mir einen Tee und Essen zu machen. Als ich die letzte Treppenstufe hinabsteige, lässt mich ein Klingeln aufschrecken. War es schon 14 Uhr? Ein Blick auf die Uhr im Wohnzimmer gibt mir die Bestätigung. Auch gut, dann kann ich direkt für uns beide Essen machen.

Wir aßen und alberten zusammen - um zu sehen, ob unsere Nudeln durch waren, klebten jetzt fünf an der Decke und ich hoffte, sie würden abfallen, bevor Mum nachhause kommt. Der Kuchen, den wir gebacken hatten, war gelungen und jetzt saßen wir beide mit Kuschelsocken vor dem Fernseher und hatten gerade eine Komödie angemacht. Chloé scheint etwas eingefallen zu sein, denn sie reißt erstaunt die Augen auf und während sie anfangt zu reden, krümelt sie Schokokrümel auf ihren Teller. "Erzähl! Wie heißt sie, was macht sie, wo wohnt sie?". Ich seufze, denn ich hoffte, ich würde um die Frage herumkommen. Also erzähle ich ihr alles, was sich gestern Abend ereignet hat - das Einzige, was ich verschweige, ist der Zettel. "Und sie hat Dir nichts da gelassen? Du weißt nicht mal ihren Namen?" Ich schüttle den Kopf und ignoriere das Grinsen, dass sich auf meinem Gesicht breit macht - Chloé sieht zum Glück gerade nicht hin. "Mh, selbst wenn sie uns ihren Namen nannte, ich weiß es nicht mehr". Ich nicke und zucke mit den Achseln. Wir stoppen Netflix kurz, damit ich das Geschirr wegbringen kann und noch eine Runde Tee holen - uns beiden ist heute nicht wirklich nach was anderem. Während das Wasser kocht, höre ich Chloés hysterische Stimme aus dem Wohnzimmer.

Ich beuge mich nach hinten und sehe ins Wohnzimmer. "Du hast mich angelogen!" ruft mir Chloé ins Gesicht und wedelt mit dem Zettel vor ihrem Gesicht umher. Mist, ich musste ihn aus der Tasche verloren haben. Handy? Wo war mein Handy? Shit. Chloé zieht auch dieses von der Couch hervor und wedelt damit rum. "Du kriegst das erst wieder, wenn Du ihr geschrieben hast". Gott sei Dank piept der Wasserkocher und ich eile zurück in die Küche, weiß aber leider, dass Chloé das ernst meint. Als ich mit den Teetassen wieder auf der Couch sitze, sieht sie mich erwartungsvoll an. "Schon allein dafür, dass Du mich angelogen hast, solltest Du ihr schreiben. Das hast Du nämlich bestimmt noch nicht, stimmt's?" Ich jammere. "Also nicht", auf Chloés Gesicht mach sich ein Grinsen breit. Sie drückt mir mein Handy in die Hand, umgreift mein Handgelenk und hält mir den Zettel vor die Nase. "Was soll ich den schreiben?" Meine Hände zittern unmerklich und ich fühle mich unwohl aber gleichzeitig wohl. Sie verdreht die Augen - "Steht doch auf dem Zettel, Knallkopf. Los, mach!"

Hey.. Florence hier.. Danke, dass Du mich nachhause gebracht hast - ich hätte Dir auch gestern schon den Stift wiedergeben können. Egal.. Stift liegt oben bei mir, wenn es Dir darum geht, komm vorbei, oder sag mir ruhig, wo ich hinkommen soll? Liebe Grüße, Florence..

"Gott, bist Du unsicher, ist das niedlich!" Chloé drückt mir einen Kuss auf die Wange und ich schmeiße sie um, um sie abzukitzeln. Kurz darauf vibriert mein Handy auf dem Holztisch. "Sie hat geschrieben, sie hat geschrieben!" Chloé greift nach meinem Handy - ich hasse das, wenn sie es tut, aber sie ist halt einfach Chloé. Da sie größer ist als ich, würde ich eh nicht rankommen und setze mich schmollend auf die andere Seite. "Sie ist in einer Dreiviertelstunde hier. Los, geh Dich schick machen, hopp". Ich sehe Chloé ungläubig an, "Ich.. also" - "Ich hab das für Dich geregelt, los - ich räum auf und verzieh mich dann". Als ich nach oben gehe, kann sich mein Kopf nicht sortieren und zu allem Übel liegt mein Handy noch unten. Was soll das jetzt? Das überfordert mich. Ich weiß doch gar nichts über sie und nicht, dass ich sie nicht hier haben will, aber meine Gefühle hab ich doch so schon nicht unter Kontrolle. Das kalte Wasser in meinem Gesicht lässt meine Gedanken nicht wirklich aufklären, aber ich fühle mich frischer. Die Tür unten knallt und ich zucke zusammen. Sie will nur ihren Stift haben. Also werfe ich mir eine karierte Bluse über, ziehe eine leichte kurze Hose an und schnappe mir ihren Stift, um mich unten hinzusetzen und derweil noch eine Folge meiner Serie anschauen. Nachher muss ich ihr nur den Stift geben und dann schließen wir das Kapitel "Audrey" ab. Audrey...

Something Good. II girlxgirlWhere stories live. Discover now