Kapitel 3.

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Ich muss mich wahrlich zwingen, um meine Augen auf dem Blatt zu halten. Ihre Anwesenheit macht mich nervös, obwohl ich sie nicht kenne. Mein Aufsatz nimmt langsam Form an, aber ich weiß, dass es normalerweise viel mehr sein müsste, was ich geschafft habe. Ich frage mich, worauf sie wartet, ob sie auf etwas wartet oder ob sie einfach nur lernt, wie ich. 13:51 Uhr - ich muss los, Emely abholen, aber bevor ich aufstehe, fällt mir noch ein, dass ich ihr ja gesagt hatte, dass sie zum Café kommen soll. Ich setze mich also wieder nieder und werde die restliche Viertelstunde nichts tun wartend, da meine Sachen schon wieder eingepackt sind. So unauffällig wie möglich wandert mein Blick wieder zu ihr und ich beobachte sie, wie sie elegant ihre Beine übereinander schlägt und sich mit ihrer rechten Hand eine Haarsträhne hinter das Ohr schiebt. Sie trägt zwei Ringe, einen auf dem Daumen und einen am Ringfinger.

Da ich Angst habe, dass sie mich wieder dabei ertappen könnte, wie ich sie beobachte, nehme ich mein Handy raus und tu so, als ob ich schreibe. Tatsächlich hatte mir Mom geschrieben, Lasagne oder Pizza? :*; Lasagne!, tippe ich zurück, da es Emelys Lieblingsessen ist. Als ich das Handy weglege, fange ich an, meine Hände nervös zu kneten. Was soll das, Florence!, denke ich mir nur. Du kennst sie nicht, sie sitzt einfach nur hier und Du wirst nervös wie vor Deinem ersten Date. Ich schüttle leicht meinen Kopf, stehe auf und gehe zu Samantha an die Theke. Für Emely nehme ich noch einen Keks mit, den sie auf dem Heimweg essen kann und bezahle dann, um rauszugehen und auf meine kleine Schwester zu warten.

Ich fahre mir durch die Haare und atme tief durch, was bei der stickigen Luft um mich herum, schwer zu sein scheint. Ich drehe mich nochmal schnell um, und blicke in ihre Augen. Scheiße!, fluche ich innerlich und spüre die aufsteigende Hitze in meinem Gesicht. Hat sie mir hinterher gesehen oder war das jetzt einfach nur Zufall? Plötzlich höre ich eine quietschige Stimme von links, "Ist da ein Keks für mich in der Tüte?", fragt Emely aufgeregt. Ich nehm sie hoch, drehe mich einmal mit ihr und gebe ihr einen Kuss auf die Wange, bevor ich ihr die Tüte in die Hand drücke, "Klar!", lache ich. Sie nimmt meine Hand und beginnt, von ihrem Tag zu erzählen, aber ich kann ihr nicht richtig zuhören. Obwohl ich es nicht will, ist das Mädchen aus dem Café in meinen Gedanken. Ich habe sämtliche Chancen verpasst, was ist, wenn ich sie nicht mehr wiedersehe? Morgen kann ich Emely nicht von der Schule abholen, da ich bis 17 Uhr im Unterricht sitzen werde. "Was hälst Du davon, wenn ich Dich Freitag wieder abhole, Emely?", kommt es ohne Nachzudenken über meine Lippen. "Wenn ich dann wieder einen Keks bekomme!", strahlt sie und redet weiter. Ich bemühe mich auch, ihr zuzuhören.

Als wir im Auto sitzen, kramt Emely ihre Lieblingskinder-CD aus meinem Handschuhfach und legt sie ein. Ich seufze, "Aber nur, weil Du es bist." und ihr Lächeln scheint immer größer zu werden. Die zwanzig Minuten nachhause darf ich mir also den neuesten Kinderrock anhören und es kommt mir beinahe schlimmer vor, als Autofahrten mit Chloé, wenn sie ihre Verliebtheitsphase hat. Chloé... eigentlich ist der Tag noch früh, wenn sie nicht gerade bei Leroy ist, könnten wir zumindest noch zum Strand gehen. "Emely?", frage ich und gebe ihr mein Handy rüber, "Ruf mal Chloé an und frag sie, ob wir zum Strand gehen wollen." Fast scheint es mir, als könnte ich Chloé durchs Telefon hören, wie sie sich über die Kindermusik beschwert. Das tut sie fast immer, wenn wir mit Emely Auto gefahren sind. Kurz darauf muss ich lachen. "Sie hat gesagt, sie ist in zehn Minuten bei uns zuhause!" meint Emely und spielt auf meinem Handy rum. Da ich Auto fahre, kann ich ihr das schlecht aus der Hand nehmen und lass sie gewähren, "Mach den Akku nicht alle", sage ich und trete leicht aufs Gas.

Ich sitze mit Chloé in unserem Lieblingsstrandrestaurant und nachdem ich ihr zehnmal erklärt habe, dass meine Mutter heute Abendbrot macht und ich jetzt nichts essen mag, hat sie das auch akzeptiert und wir haben uns nur was zu Trinken bestellt. Ich trinke einen Schluck und spüre, wie der kühle Orangensaft sich in mir breit macht. "Hast Du mir was zu erzählen?", fragt Chloé von rechts während sie ihren Milchshake schlürft. "Mh, was, warum?", "Ich kenne Dich, Flo, also mach mir nichts vor. Was ist heute passiert? Du bist andauernd mit den Gedanken woanders..." Chloé hat wirklich ein Gespür für sowas und manchmal kann das wirklich ungünstig sein. Und obwohl ich keine Ahnung hab, was das eigentlich ist, erzähle ich es ihr.

Sie gibt mir einen Schlag auf den Oberarm. "Warum hast Du sie nicht angesprochen! Knallkopf! Das wäre Liebe auf den ersten Blick gewesen oder sowas." Ich ziehe eine Augenbraue hoch, "Guck mich nicht so skeptisch an. Ich weiß, dass ich kitschig bin, aber manchmal hab ich ein Gespür für das Schicksal." Ich grinse, bevor mein Blick ernster wird. "Du weißt, dass ich so was nicht nochmal durchstehen würde.", sage ich leise, "und ganz damit abgeschlossen hab ich immer noch nicht.". Ich fahre unbewusst mit meinen Fingerspitzen über meinen Arm und spüre das vernarbte Gewebe.

Something Good. II girlxgirlWhere stories live. Discover now