Kapitel 5.

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5:51 Uhr. Mein Körper fühlt sich schwer an, als ich aufwache - wenn ich mich bewege, durchzucken mich Schmerzen, doch ich kann mir nicht erklären, warum. Das schwarze Teer in meinen Gedanken schleicht sich durch meinen Körper, so fühlt es sich jedenfalls an. Am Ende begründe ich die Schmerzen damit, dass ich zu intensiv träumte, zu intensiv fühlte und den Traum zu intensiv erlebte. Ich streiche mir die Haare aus dem Gesicht, steige schwerfällig aus dem Bett und gehe ins Badezimmer. Ohne den Kopf zu heben ziehe ich meine Sachen aus, betrete langsam die Dusche und setze mich auf die kalten Fliesen. Die Kälte durchbohrt meinen Körper als ich meine Stirn gegen die Wand lehne. Langsam drehe ich das Wasser auf und spüre, wie die Hitze der einzelnen Tropfen in meinen Körper eindringen will, aber meine innerliche Kühle lässt sie abprallen. In Gedanken versunken spüre ich nur das seichte Prasseln auf meinem Rücken, atme tief durch und habe mich nach guten zehn Minuten genug gefangen, um ausgiebig zu duschen. Ein Seufzen kommt über meine Lippen und ich richte mich auf. Doch als ich mich umdrehe, um das Wasser in mein Gesicht laufen zu lassen, spüre ich ein Brennen, als sich ein seichter Wasserfaden über meinen Körper hinabzieht. Mein Blick folgt der Linie und ich sehe die aufgekratzte Haut an den Rippen. "Nicht schon wieder", murmle ich, seife mich sanft an den Stellen ein, wo keine Verletzung vorherrscht und trete kurze Zeit später in einer Wolke aus meinem Lieblingsduschgel und zu heiß geduschtem Wasserdampf aus der Dusche. Auf den Spiegel zeichne ich ein Herz, lache kurz und creme die Wunden ein, bevor ich mich in ein Handtuch hülle. Langsam setze ich mich auf mein Bett und stütze den Kopf in meine Hände - ein Sonnenstrahl erwärmt mein Bein.

Da ich heute früher wach war als ich sonst eigentlich aufstehen müsste, was ziemlich nervig ist, wenn man den längsten Tag der Schule vor sich hatte, schmierte ich Emelys Brote und stellte ihr Lieblingsmüsli in einer Schüssel und Milch bereit. Meiner Mutter und mir kochte ich einen Kaffee. Da sie sehr wählerisch frühmorgens war, konnte ich nichts für sie vorbereiten - sie wusste oftmals erst im letzen Moment, was sie eigentlich essen möchte. Die Wärme der Tasse in meiner Hand durchzog meine Hand und ich stellte mich nach draußen, zündete mir eine Zigarette an und sah dem Sonnenaufgang zu. Heute würde ein langer Tag werden und meine innerliche Stimmung verriet mir, dass es melancholisch werden würde. Ich zupfte an meinem T-Shirt rum, stellte meine nunmehr leere Tasse ab und tippte eine Nachricht an Chloé, Morgen, Schlafmütze. Ich bin in zwanzig Minuten bei Dir! Hoffe, Du bist jetzt wach - mach Dich fertig, ich bringe Frühstück mit, wir frühstücken im Auto. Theatralisch genoss ich den letzten Zug meiner Zigarette und nahm diesmal zwei Tassen mit rein, da die von gestern noch draußen stand. Ich schrieb einen Zettel für Emely und meine Mum, bevor ich leise die Haustür hinter mir zuzog und die noch kühle Sommerluft mir eine Gänsehaut verpasste.

Als ich nach endlosem Kramen endlich meinen Autoschlüssel gefunden habe, mache ich mich auf den Weg zu dem einzigen Café, dass in unserer Siedlung so früh geöffnet hat. Dafür macht der Kaffee aber auch wirklich wach. Vor mir stehen drei Leute und ich fische mein Handy aus meiner Hosentasche. Ein Wie süß von Dir! Bis gleich, Kuss von Chloé und von meiner Mutter ein Danke fürs Frühstück, Große. Kaffee ist sogar noch lauwarm :P, bis heute Abend. Bin da und mache Abendbrot bis Du da bist., ich lächle und stecke das Handy wieder weg. Wenigstens zwei gute Taten für heute schon mal abgehakt, dass macht den bescheidenen Start in den Tag besser. Ich bestelle zwei mit Schokolade glasierte Donuts, ein Tomaten-Mozarella-Brötchen für mich und dasselbe nur noch mit Hühnchen für Chloé. Einen starken Kaffee für sie und für mich einen läppischen Cappuccino. Als ich sehe, dass die Bedienung alles in extra Tüten packt, seufze ich innerlich, nehme meinen Autoschlüssel zwischen die Zähne und bugsiere mich irgendwie nach draußen. Halbwegs sicher verstaut komme ich bei Chloé an und sie steht schon aufgeregt winkend vor ihrer Haustür. Ich mache ihr die Autotür von Ihnen auf und sie schmeißt sich neben mich, drückt mir einen Kuss auf die Wange - herrlich, ich habe nun Glitzerlipgloss im Gesicht - und packt ihr Frühstück aus. Sofort fängt sie an zu plappern, macht das Radio an und krümelt mein Auto voll. Alles wie immer, denke ich lächelnd und steige in ihr Gespräch ein.

Freitag.

Der Donnerstag war nicht sonderlich spektakulär verlaufen, wir hatten lange Schule, eine Freistunde, da unser Biolehrer uns wohl vergessen hatte und waren in der Caféteria Mittag essen. Wir haben es alle drei bereut und beschlossen, morgen wieder in das anliegende Bistro zu gehen, auch wenn es teurer geworden war. Der Test in Literatur verlief gut, traf genau einen philosophischen Nerv bei mir und ich rechne mit nichts Schlechtem. Ich war nach dem Abendessen recht früh ins Bett gegangen, da heute nichts Besonderes an Tests oder Klausuren ansteht. Chloé piekst mir andauernd in die Seite, weil sie Biologie heute wohl nicht recht zu verstehen scheint und Leroy ihr auch nicht helfen. Meine Gedanken sind ganz woanders, aber ich versuche ihr, bestmöglich zu erklären, aus was eigentlich eine DNA-Helix besteht.

"Du kommst doch morgen auf die Party, oder?", fragt mich Chloé nun schon zum mindestens fünften Mal. "Ja, Chloé, ich werde da sein. Und ja, ich weiß, was ich mitbringen muss und ja, ich weiß auch, wo die Party ist und das Du und Leroy mich nicht abholen könnt." Sie grinst über beide Ohren, nimmt mich an die Hand und zerrt mich mit zu Leroy, um ihm in die Arme zu fallen. Er lächelt mich mitfühlend an, gibt ihr einen Kuss auf die Stirn und fragt, ob ich was vorhabe. "Flo trifft jetzt ihre heiße Flamme wieder, wenn sie Glück hat." sagt Chloé und streckt mir die Zunge raus, ich trete ihr sacht gegen das Schienbein und starre auf den Boden, bevor sie die ansteigende Röte in meinem Gesicht sehen können. "Ich geh nur Emely abholen!", sage ich zu meiner Verteidigung und umfasse meine Tasche etwas fester. "Ich erklär ihm das schon." sagt Chloé und guckt mich fragend an, ich nicke ihr nur zu und Leroy zieht mich in eine Umarmung, zerwuschelt mir die Haare und lässt mich wieder frei. Er hätte mich fast erdrückt, wie immer. Chloé weiche ich spielend beleidigt aus und zieh sie dann an mich um sie zu umarmen und zu verabschieden. "Bis morgen Abend!", rufe ich und gehe in die entgegensetze Richtung. "Schreib mir, Knallkopf!", schreit mir Chloé hinterher und ich verdrehe grinsend die Augen. Irgendwie hoffe ich schon, dass sie da sein wird.

Da es heute nicht ganz so warm ist wie am Mittwoch, beschließe ich, mich im Café auf die Terrasse zu setzen. Falls es zu warm werden würde, könnte ich ja immer noch reingehen. Die letzten Schritte zum Café verharren meine Augen auf dem Boden, als ich vor der Tür stehe, blicke ich mit geschlossenen Augen auf und trete ein. Mich überrollt eine Welle der Enttäuschung. Sie ist nicht da. Warum hab ich mir auch eigentlich Hoffnungen gemacht? Wie blöd bin ich eigentlich? Als ob sie genau wie ich regelmäßig hier herkommen würde! Das ist doch dämlich! Trotz allem spüre ich einen Kloß in meinem Hals. Super, Florence, Du hast Dich mal wieder wunderbar in was verrannt. Ich nicke Samantha zu, zeige auf die Terrassentür und entnehme ein "Ich komme gleich!", von ihr. Ihr herzliches Lächeln erfreut meine Seele.

Langsam betrete ich die Terrasse und lasse meinen Blick nach rechts in das angrenzende Grün schweifen. Als ich einen Tisch für mich suche, sehe ich in ihre Augen. Sie lächelt mich an. Ich weiß, dass ich viel zu lange zurückstarre und viel zu lange auf einem Fleck stehe. Mein Lächeln sieht definitiv unbeholfen aus, und ich stolpere fast, als ich mich an den Tisch schräg gegenüber von ihr setze. Bilde ich es mir ein, oder kann ich ihren Blick auf mir ruhen spüren?

Something Good. II girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt