Ich genoss es so richtig, in Ruhe frühstücken zu können! Bei meinen Eltern und Petunia daheim in Cokeworth hatte ich mich oft gemütlich mit einem Buch in den Garten gesetzt, gelesen und gefrühstückt, während meine ganze Familie noch geschlafen hat. Das war immer ein tolles Gefühl gewesen.

Auch jetzt löffelte ich zufrieden meinen warmen Griesbrei (den ich übrigens nicht von außen nach innen aß, sondern gegen alle Regeln von innen nach außen . . .) und las schon wieder "Emma".

Jaah, vielleicht sollte ich meinen Horizont was Literatur betraf mal erweitern, doch im Moment war ich mit Jane Austen komplett zufrieden. Nach und nach trafen auch andere verschlafene Schüler ein und setzten sich an die Haustische.

Für mich war es höchste Zeit, um zu verschwinden. Ich beschloss, mal wieder in die Bibliothek zu gehen, dieses Mal aber nicht für reine Unterhaltungslektüre, sondern für meine Recherche.

Ich wollte das Geheimnis der Rumtreiber lüften.


Mit einem Ruck stieß ich beide Türen der Bibliothek auf. Ein paar sehr strebsame Ravenclaws saßen bereits eifrig schreibend an den Tischen, aber ansonsten waren noch nicht allzu viele Schüler da.

Ich fing an, mir Bücher über Werwölfe aus den Regalen zu nehmen und verschanzte mich in den hintersten Ecken zwischen zwei riesigen Bücherregalen. Neugierig schlug ich das Buch mit dem Titel "Wie erkenne ich einen Werwolf?" auf und fing an zu lesen.

Schon nach wenigen Seiten musste ich zugeben, dass beinahe alle Merkmale auf Remus zu trafen. Wenige Werwölfe fanden Spaß daran, ihre Opfer zu töten, die meisten zogen sich zurück aus der Öffentlichkeit und schämten sich dafür. Im zweiten Kapitel schrieb der Autor Jonathan Rigby: "Werwölfe verhalten sich in ihrem menschlichen Zustand oft unsicher und schüchtern, da sie nicht selten auf Abneigung stoßen. Die meisten verlieren nach ihrem Outing ihren Beruf und einen erheblichen Teil ihres sozialen Umfeldes." 

Mein Gott, das war ja furchtbar! Und leider traf es auf Remus zu: Er hatte außer den Rumtreibern wenig Freunde, war eher zurückhaltend und James hatte mir erzählt, dass ihre Freundschaft am Anfang schwierig war, weil Remus nicht geglaubt hatte, dass die drei mit ihm befreundet sein wollten.

Mehr hatte er nicht dazu gesagt und ich hatte es zunächst auf die unbestreitbare Beliebtheit von James und Sirius geschoben.

Ich wandte meine Augen wieder auf das Buch: "Des Weiteren sehen Werwölfe häufig müde und erschöpft aus, besonders um die monatliche Vollmondzeit."

Auch das war bei Remus so.

"Werwölfe haben in ihrer menschlichen Gestalt oft Hunger auf Schokolade, da es das Selbstwertgefühl stärkt und zudem eine verstärkte Sucht auf sie ausübt. Angeblich soll Schokolade dazu beitragen, die Schmerzen während Verwandlung bei Vollmond zu lindern, doch das wurde nie bewiesen."

Ach du meine Güte! Remus Lupin war wirklich ein Werwolf!

Ungläubig klappte ich das Buch zu. Das war der endgültige Beweis, niemand den ich sonst kannte war so verrückt nach Schokolade wie Remus.

Ich schluckte schwer. Er tat mir so unglaublich Leid! Es musste wahnsinnig schlimm sein, Angst haben zu müssen, ausgegrenzt zu werden oder nicht zur Schule gehen zu dürfen. Ganz abgesehen von den Qualen bei einer Verwandlung . . .

Und trotzdem kümmerte Remus sich immer so lieb um andere, er hatte mir an Halloween geholfen und war ein wunderbarer Mensch. Er hatte wahrscheinlich ziemliches Glück, dass Dumbledore Schulleiter war und die Rumtreiber zu ihm standen.

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