Mary konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, aber ich konnte mir den Rest denken. Etwas überrascht war ich von Marlenes Verhalten schon, aber eigentlich hatte ich von ihr nichts anderes erwartet, so gemein es sich auch anhörte. Ich war ungerechterweise im ersten Moment ziemlich erleichtert, dass Marlene nun erst Mal mit Sirius beschäftigt war und so die Finger von James lassen würde.

Warum Mary bei dem Gedanken, dass Sirius und Marlene miteinander schliefen so verzweifelt war, wusste ich noch immer nicht. Sie schloss weinend die Augen und schniefte: "Er hat mich einfach so stehen gelassen . . ."

Da traf es mich mit einem Schlag: Mary war in Sirius verliebt!

Ich konnte es nicht glauben.

Die süße, nette Mary und der heiße, coole Sirius?

Nein, das passte nicht.

Das sollte ich ihr wohl besser nicht sagen, denn jetzt fing sie schon wieder an, bitterlich zu weinen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, daher nahm ich meine Freundin tröstend in den Arm.

Sie ließ den Kopf auf meine Schulter sinken und ich streichelte ihr sanft über den Rücken. Eine Weile saßen wir so da, bis ich sie sanft von mir löste. Erleichtert stellte ich fest, dass sie sich mittlerweile beruhigt hatte. Jetzt plagte mich jedoch das schlechte Gewissen. Ich war so mit meinen eigenen Sorgen und James beschäftigt gewesen, dass ich vollkommen blind für die Probleme meiner Freundinnen gewesen war.

"Mary", sagte ich mit gequälter Stimme, "Wie lange bist du schon in ihn verliebt?"

Sie sah mich mit einem tieftraurigem Gesichtsausdruck an und antwortete mit erstickter Stimme: "Seit der dritten Klasse . . ." Ich holte tief Luft.

Merlin, wie hatte ich das so lange nicht bemerken können?

"Süße, das tut mir so Leid!", entschuldigte ich mich und fing beinahe selber an zu weinen, "Wissen Alice und Marlene davon?"

"Ja, Alice hat mich schon am Ende der dritten Klasse gefragt, ob ich Sirius mag", erzählte sie mir.

Natürlich.

Alice blieb so etwas nie lange verborgen.

"Marlene", sie kniff die Augen zusammen und konnte einen Moment nicht weiter reden, "Marlene hat seit kurzem immer öfter Anspielungen und Bemerkungen gemacht. Ich bin mir sicher, dass sie es weiß"

Ich war sprachlos.

"Und sie . . . ich meine . . . sie hat trotzdem . . . sie . . . mit Sirius . . . obwohl sie weiß?", stotterte ich und Mary nickte.

Ich unterdrückte nur mit Müh und Not den Schwall von Beleidigungen, die mir momentan für Marlene einfielen und strich stattdessen Mary über die Wange. "Das muss schrecklich für dich sein", meinte ich mitfühlend.

Mary zuckte mit den Schultern. "Ich hatte mich daran gewöhnt, dass er mich ignoriert. Aber jetzt, da er Interesse an Marlene zeigt, ist es noch schlimmer . . . Weißt du, eigentlich war mir von Anfang an klar, dass ich bei Sirius nie eine Chance haben würde", sagte Mary und klang verbittert.

Ich fasste ihr mit beiden Händen an die Schulter. "Sag so etwas doch nicht!", erwiderte ich bekümmert. "Du bist wunderbar, Mary! Weißt du denn gar nicht, wie viele Jungen dich sympathisch finden? Ehrlich, du bist zu jedem freundlich, offen, hilfsbereit, lustig, klug, mutig und sehr hübsch. Black hat dich gar nicht verdient!"

Zufrieden stellte ich fest, dass Mary nicht mehr ganz so niedergeschlagen wirkte. Sie lächelte schon fast wieder und schnaubte laut in ein Taschentuch. Die Tür des Gemeinschaftsraums öffnete sich und ein paar angetrunkene Siebtklässler kamen herein und gröhlten laut irgendeine Quidditchhymne.

Schnell stand ich auf und zog Mary mit zu unserem Mädchenschlafsaal. Hier könnten wir ungestört weiter reden.

"Danke", murmelte sie leise und ließ sich auf ihr Bett fallen, "Das ist lieb von dir, Lily. Es ist nur . . .", sie zögerte und schien nach den richtigen Worten zu suchen. "Es war so erniedrigend, als er mich einfach in der Großen Halle stehen gelassen hat. Weil . . . Bitte lach mich nicht aus, okay?"

Ich schüttelte wild den Kopf: "Natürlich nicht, was denkst du denn von mir?"

Sie sah mich noch einmal prüfend an und fing an zu erzählen: "Ich wollte Sirius heute beim Abendbrot fragen, ob er mit mir zur Halloween-Party gehen will. Ja, ich weiß, eigentlich wollte Marlene mit ihm gehen, aber vorhin - als du in der Bibliothek warst - hat sie gesagt, dass sie eigentlich viel lieber mit James hingehen würde"

Ich zucke zusammen.

Was?

Zum Glück bemerkte Mary nicht, wie ich vor Wut und Eifersucht die Augen zu Schlitzen verzog, sie redete einfach weiter: "Ich meine, ich mag ihn schon so lange und wollte es einfach probieren. Deshalb auch das Kleid und die Schminke . . . Als er endlich fertig gegessen hatte, und du kennst Sirius ja, er isst echt viel . . .", sagte sie und ein liebevolles Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, ". . . da bin ich auch aufgestanden, um ihn zu fragen.  Aber gerade als ich meinen Satz beendet hatte, war Marlene aufgesprungen und hat ihn verführerisch angeklimpert und ihn mitgezogen. Und er ist ihr nachgelaufen wie ein treu-doofer Welpe, ohne mich mit einem Blick zu beachten!"

Fassungslos unterbrach ich sie: "Stopp! Marlene hat WAS getan?"

In diesem Moment wurde die Tür des Schlafsaals aufgestoßen und eine kichernde Marlene kam herein.

Ohne Marys verletzten oder meinen zornigen Blick zu beachten, ging sie an uns vorbei und legte sich schwungvoll auf ihr Bett. "Die geilste Nacht meines Lebens!", quietschte sie vergnügt. Mary schluchzte leise in ihr Taschentuch und versuchte mühsam, es als Schluckauf zu tarnen.

Ich jedoch probierte erst gar nicht, meine Wut zu verstecken und sprang auf. "Wie kannst du nur?", fuhr ich sie an. "Erst blamierst du Mary vor allen in der Großen Halle und dann tauchst du hier einfach so gewissenslos auf!"

Ungerührt sah sie mich an. "Mach dich mal locker, Lils. Mary sollte mir eher dankbar sein, ich habe sie davor bewahrt, sich vor Sirius komplett peinlich zu machen . . ." Ich schwöre es, ich war in diesem Moment so kurz davor, auf sie mit meinem Zauberstab loszugehen!

"Du blöde, hinterhältige-", presste ich hervor, aber Marlene unterbrach mich entspannt: "Lass es lieber sein. Ich glaube nicht, dass James auf rasende Furien steht . . . Naja, nicht das du überhaupt eine Chance bei ihm hättest."

Das raubte mir für einen Moment den Atem.

Süffisant musterte sie mich, während Mary uns angstvoll beobachtete. "Was willst du damit sagen?", wollte ich wissen und beherrschte mich nur unter größter Anstrengung.

Genüsslich setzte Marlene sich auf. "Ich sehe doch ganz genau, wie du ihn anguckst. Offensichtlich findest du ihn jetzt gar nicht mehr so arrogant und blöd, hm? Aber mach dir lieber keine Hoffnung, Lily, Potter ist eine Nummer zu groß für dich!"

Einen kurzen Moment hätte ich beihnahe gehässig aufgelacht, doch ich wollte mich nicht auf ihr Niveau herablassen. Erleichterung durchströmte mich urplötzlich: Sie wusste nicht, dass James und ich uns trafen. So toll war ihre Beobachtungsgabe nun doch nicht . . .

Bevor auch nur eine von uns ein weiteres Wort sagen konnte, öffnete sich die Tür zum Schlafsaal erneut und Alice erschien. "Was ist denn hier los?", fragte sie irritiert und strich sich eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Marlene ist komplett übergeschnappt, das ist los!", antwortete ich nur.

"Von wegen!", meinte Marlene kalt, versetzte mir einen tödlichen Blick und drängelte sich an Alice vorbei.

Wahrscheinlich wollte sie zu Sirius . . . oder zu James. Den Gedanken dachte ich lieber erst gar nicht zu Ende.

Während Mary der verwirrten Alice alles erklärte, versuchte ich mich zu beruhigen.

Das durfte doch nicht wahr sein.

Wir hatten schon so viele schlimme Streitereien und Zickereien hinter uns, aber noch nie war ich so wütend gewesen. Ich hätte explodieren können! Ich kannte Marlene schon so lange und ich wusste, dass sie ein gutes Herz hatte.

Was war denn bloß los mit ihr, verdammt?

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