Kapitel 5

67.4K 2.3K 819
                                    

Die letzten zwei Tage waren echt mein persönlicher Tiefpunkt: zu viel sprachlicher Kontakt mit anderen Individuen, die nicht Karen oder meine Eltern waren. Wie soll mein Gehirn diese ganzen unnötigen Informationen jemals verarbeiten, ohne einen Schaden zu bekommen? Ich bin nicht umsonst überzeugte Anwärterin der Unterschicht der Schulhierarchie.                              

Ich sitze gerade in Politik neben Karen und kaue auf meinem Bleistift herum; ich habe mal gelesen, dass das die Konzentrationsfähigeit steigern soll, doch so wirklich spüre ich keine Veränderung und fühle mich auch nicht aufeinmal superschlau. Schade eigentlich, vielleicht sollte ich lieber bei Dextro Energy bleiben.

Die Stunde zieht sich hin wie Kaugummi und das alles interessiert mich wirklich überhaupt nicht. Vermutlich sollte es das, da Politik nunmal wichtig ist, doch zwingen kann ich mich auch nicht. Wer nicht will, der will nicht.                                                  

Es klingelt und wir verlassen wie immer als letztes den Raum.       

»Bleibt es eigentlich bei Heute?«, fragt mich Karen.                         

»Klar, komm einfach nach der Schule zu mir«, antworte ich ihr. Da Karen heute länger Schule hat als ich, können wir nicht gemeinsam zu mir fahren.

Meine nächste und gleichzeitig die letzte Stunde ist Mathe. Und so wie fast jeder normale Mensch auf diesem Planten bin ich eine absolute Null darin.                                                                                          
»Bis nachher«, ruft sie noch, bevor sie um die nächste Ecke verschwindet. Jetzt bin ich wieder mir allein überlassen. Ist doch klasse.

Ich seufze und laufe auf meinen Spind zu, um mein Mathebuch herauszuholen. Ich öffne meinen Spind, schmeiße unnötige Zettel herein und klappe ihn wieder zu.                                                                              
»Hey, Six.« Ich zucke zusammen und erschrocken fällt mir mein Buch auf den Boden.

Neben mir höre ich ein leises Lachen. »Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass du so schreckhaft bist«, sagt Finnick und hält mir mein Buch entgegen, welches er freundlicherweise aufgehoben hat.

Dankbar nehme ich es an und verstaue es in meiner Tasche. »Na ja, wenn mir jemand von der Seite ins Ohr schreit, kann ich schon mal schreckhaft werden ... hast du nicht frei?« Ich lächele ihn an und er lächelt zurück. Ich spüre wie mein Herz einen Satz macht und ich schaue schnell woanders hin.                                                                             
»Ja, aber nur die eine Stunde. Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du Lust hättest mit mir am Freitag zum Footballspiel zu gehen«, verlegen kratzt er sich mit einer Hand am Nacken und wirkt etwas unsicher.

Finnick will mit mir ausgehen. Er will mit mir ausgehen? Also so etwas in der Art, wenn man das so nennen darf. Klar, ich bin jetzt nicht so ein Football-Fan. Ich weiß nicht einmal, wie unsere Schulmannschaft heißt. Aber wenn das bedeutet, ich kann Finnick die ganze Zeit beobachten und mich mit ihm unterhalten, dann kann ich wirklich locker darüber hinwegsehen, dass Football mich normalerweise einen Dreck interessiert.                                                                                        
»Ich würde gerne mitkommen«, sage ich und kann nichts dagegen machen, dass ich aufeinmal grinse wie ein Honigkuchenpferd. Finnick entspannt sich sichtlich.                                                                         
»Okay, cool. Dann sehen wir uns auf jeden Fall am Freitag. Ich hol dich ab.« Er lächelt noch ein letztes Mal und verabschiedet sich dann. Ich kann ein kleines Seufzen nicht unterdrücken, schaue mich aber dann schnell im Gang um, ob das zu laut gewesen war. Keiner scheint Interesse zu zeigen und so gehe ich zum Unterricht.

My Bad NeighborWo Geschichten leben. Entdecke jetzt