47. Unsere Geschichte {Ende}

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[Wer Musik beim Lesen hören will, oben ist ein Lied. Beachtet die Lyrics einfach nicht, ich fand es ohne Text beziehungsweise ohne Gesang einfach schöner.
Eigentliches Lied: Never be alone - Shawn Mendes]

Die Sonnenstrahlen blendeten mich, als ich zum Himmel rauf sah und deswegen hielt ich mir eine Hand über die Augen, um in den blauen Himmel über uns schauen zu können.

Nur ein paar weiße Wolken, die Watte ähnelten, verdeckten die Sicht etwas.
Ich atmete die frische Luft tief ein und schloss die Augen.

Der Wind kroch mir unter meine Jacke und verpasste mir eine Gänsehaut.
Ich spürte, wie meine Haare meinen Nacken kitzelten und wie Will nach meiner Hand griff.
Ich wandte mich zu ihm und sah ihm in die Augen.

Sie glänzten leicht und durch die Schatten, die seine Haare auf die Augen warfen, wirkten sie noch dunkler.
Seine Mundwinkel hoben sich und kleine Fältchen bildeten sich um seine Augen, die mich musterten.

Vorsichtig drückte ich seine Hand und er verschränkte unsere Finger ineinander.
Ich senkte meinen Blick und schaute auf unsere Hände, die auf dem grünen Gras lagen, was noch leicht feucht war, weil es gestern Abend geregnet hatte.

Wir saßen alle zusammen.
Nick, der gerade seine kaputten Turnschuhe neu band.
Bella, die über die Wiese hüpfte und Lola, die ihre Kamera gezückt hatte und Fotos von uns allen machte.

Ich lächelte ihr zu, während sie auf den Auslöser drückte.

"Ich glaube, ich mach uns allen ein Fotoalbum. Mit Bildern von unserer Reise", teilte Lola mit und fotografierte Nick, der in die Ferne schaute und es gar nicht mitbekam.

"Du hast die ganze Zeit über Fotos gemacht?", fragte Will überrascht.

"Ja", lachte sie. "Immer, wenn ihr es nicht wusstest. Weil dann wart ihr ihr selbst. Ich habe Momente eingefangen. Ganz viele."
Verträumt betrachtete sie den Himmel.
"Ja, ich mache ein Album. Das ist doch eine schöne Erinnerung."

"Ich werde das, was wir erlebt haben eh nie vergessen, aber die Idee ist wirklich schön."
Nick fuhr sich durch seine braunen Locken.

Bella kam auf uns zu gerannt und ihr Locken hüpften auf und ab. Sie sah aus wie ein kleines Mädchen, dachte ich.

Als sie sich zu uns gesetzt auf die Wiese vor dem Krankenhaus gesetzt hatte, war sie total außer Atem.

"Gänseblümchen", sagte sie nur und hielt ein paar der weißen Blümchen hoch.

Ich lächelte nur leicht, während man das Zuschlagen einer Autotür und den Motor eines Autos hörte, was gerade vom Parkplatz wegfuhr.

Erleichtert atmete ich aus.
Ja, ich fühlte mich erleichtert. Warum wusste ich auch nicht so genau.

Aber ich fühlte mich wohl. Hier bei meinen Freunden.
Bei Will, bei Bella, Lola und bei Nick.
Sie gaben mir so viel Stärke und Hoffnung.

Das sagte ich dann auch: "Ihr stärkt mich so sehr. Ich bin so dankbar, dass ich euch meine Freunde nennen kann."

Lola lächelte, als ich zu ihr schaute. Mein Blick glitt über die anderen und blieb an Bella hängen, in deren Augen sich Tränen sammelten.

"Ich hab euch alle unfassbar lieb, wisst ihr?", sagte sie und wischte sich die erste Träne unter dem Auge weg.
"Oh verdammt, ich bin so froh, dass ich weinen muss."
Sie fing an zu lachen, während ihr einzelne Tränen über die Wangen liefen.

Irgendwie verwirrte mich dieses Bild ziemlich, denn es wirkte so, als wäre sie glücklich, dabei weinte sie.

"Ich bin so erleichtert. Endlich habe ich das, was ich mir immer gewünscht habe", sagte Bella, nachdem sie sich beruhigt hatte.
Ihre Schminke war etwas verschmiert und die Tränen auf ihren Wangen, die langsam trockneten, glänzten im Sonnenlicht.

"Was?", fragte Nick und sah sie besorgt an.

"Menschen wie euch. Menschen, die mich verstehen, die mich kennen und die mich so mögen, wie ich bin. Menschen, die immer für mich da sind und mich zum lächeln bringen, wenn ich nicht mal lachen will.
Wahre Freunde."

Ich spürte, wie auch mir die Tränen in die Augen stiegen. Ihre Worte rührten mich so sehr.
Will, der neben mir saß, hatte ein leichtes Lächeln im Gesicht.

"Wahre Freunde", wiederholte er ihre Worte.

Der Wind blies mir die Haare ins Gesicht und ich strich sie mir wieder hinters Ohr.

Eine Weile war es wieder still, bis Wills raue Stimme ertönte.
"Versprecht mir bitte etwas."

Fragend schauten wir ihn alle an.

"Versprecht mir, dass wir, egal wo wir sind, immer Kontakt zu einander haben werden, dass wir immer noch miteinander reden und uns nicht aus den Augen verlieren werden.
Versprecht mir, dass wir wahre Freunde bleiben."

"Versprochen", sagte ich als erstes und die anderen taten es mir gleich.

Und so saßen wir auf einer Wiese vor einem Krankenhaus, in dem eine von uns gelegen hatte.
Und so saßen wir hier.

Ich erinnerte mich an Klinik Woods und fragte mich, wer wohl in meinem ehemaligen Zimmer wohnte.
Wer sich über die bunt gesprenkelten Wände freuen konnte und über den Kreis an der Decke.
Der Gedanke brachte mich zum Schmunzeln.
Was derjenige wohl denken musste, fragte ich mich.
Ich erinnerte mich an den Saal der Engel, an die Betreuer und an den Tag, an dem Bella den Schlüssel gefunden hatte.

Ich erinnerte mich daran, wie wir durch den Gullydeckel nach oben ins Freie gestiegen waren.
Wie wir Fahrräder geklaut hatten, wie wir auf Wiesen geschlafen hatte, wie wir bei Alex gerastet hatten und ihm geholfen hatten.
Ich erinnerte mich an die Zeit, die wir am See verbracht hatten.
Wie Will und ich uns geküsst hatten, wie wir zusammengefunden hatten.
Wie Lola schwimmen gelernt hatte und wie wir den Sonnenuntergang beobachtet hatten.

Ich muss Alex noch unsere Geschichte erzählen, dachte ich auf einmal und griff nach meiner Tasche, die hinter uns lag.
Während ich in meiner Tasche nach meinem Handy kramte, schauten mich die anderen fragend an.

"Was hast du vor?", fragte Will, als ich Alex' Nummer in meinem Handy suchte und begann ihm, zu schreiben.

"Alex meinte, ich soll ihm unsere Geschichte erzählen, wenn es soweit ist. Und jetzt kann ich sie ihm erzählen, oder nicht?"

Will nickte lachend. "Ja, jetzt werden wir ja nicht mehr gesucht von denen aus Klinik Woods oder unseren Eltern."

"Du erzählst also unsere Geschichte?", fragte Bella.

Ich nickte. "Ja. Die Geschichte, wie wir aus Klinik Woods ausgebrochen sind. Wie wir mit Fahrrädern zu einem See geradelt sind und was wir alles erlebt haben.
Unsere Geschichte."

Bella lächelte leicht. "Das ist schön."

"Die Geschichte von einer Gruppe Freaks, die einfach mal abgehauen ist", fügte Nick hinzu.

"Freaks, also", murmelte Lola grinsend.

"Freaks", antwortete ich ebenfalls lächelnd und schrieb Alex unsere Geschichte.

Die Geschichte von ein paar Jugendlichen, die sich selbst als Freaks bezeichneten.

Eine Geschichte, die noch nicht zu Ende war, denn wir hatten einander und wir würden nie alleine sein, egal wo wir auch waren.
Eine Geschichte mit Hoch und Tiefs und Problemen und Lösungen.
Eine Geschichte voller Trauer und doch Hoffnung.

Unsere Geschichte.

Freaks [wird überarbeitet]Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon