25. Adrenalin

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Wir liefen relativ planlos durch die Gegend.

Erst einmal wollten wir raus aus meinem Viertel, damit wir ja nicht gesehen wurden von Nachbarn oder anderen, die mich kannten.

Und wir hatten Glück.
Tatsächlich erkannte uns keiner und wir gingen zurück in die Innenstadt, die mittlerweile voller war.

Aus Angst, mich könnte doch noch jemand erkennen, senkte ich meinen Blick und hielt mir eine Hand vors Gesicht.
Viele wussten von der Sache mit meinem Vater und kannten mich daher vom Sehen. Immer hatten Sie mir diese Blicke zugeworfen, diese traurigen "Mein Beileid"-Blicke.

Will schaute mich fragend an, als ich zu ihm hochblickte.

"Ich will nicht, dass mich jemand erkennt. Schließlich hab ich hier mein Leben lang gewohnt und außerdem kennen mich viele vom Sehen, weil der Unfall in der Zeitung stand..."

"Ah", erwiderte Will nur und drückte meine Hand sanft. Ich war froh, dass er nicht weiter darauf einging.

Nick lief ganz vorne mit mir und wir lotsten den Rest zu einem kleinen Park.
Ich kannte den Park.
Hier war ich öfters gewesen, um nachzudenken.

Wir verteilten uns auf die Bänke und ich lies Wills Hand los, weil ich mich neben Bella setzte.

"Was läuft da zwischen dir und Will?", flüsterte sie mir ins Ohr und ich spürte, wie ich rot wurde.

"Nichts. Wir sind nur Freunde", antwortete ich ihr genauso leise und sie zog die Augenbrauen hoch.

Doch unser Geflüster wurde unterbrochen.

"Ist ja gut, dass wir jetzt hier sind. Aber wo wollen wir hin?"
Nicks Frage war berechtigt. Wir konnten nicht ewig ohne Ziel herumwandern.

"Wo wollt ihr denn hin?", fragte Will und schaute zu mir rüber.

Ich schluckte. Das hatte er mich schon mal gefragt in Klinik Woods. Damals hatte ich ihm gesagt, dass ich zu dem alten See wollte, wo ich immer mit meinem Vater gewesen war.

"Ich kenn mich hier kaum aus, also keine Ahnung", meinte Bella und zuckte mit den Schultern.
Lola nickte nur zustimmend und auf einmal lagen die Blicke alle auf mir, denn ich war die einzige, die sich hier einigermaßen auskannte.
Mit Nick natürlich, doch dieser hatte alle Informationen von der Karte.

"Es gibt einen See. Er ist recht weit weg von hier. Zwei Stunden mit dem Auto. Wir müssten erst mal Fahrräder irgendwoher bekommen, um das überhaupt zu schaffen", schlug ich vor.

Will lächelte. "Ich find die Idee gut."

Der Rest nickte, bis auf Lola, die sich nervös auf der Lippe herum biss.

"Was ist, Lola?", fragte Nick.

"Das ist mir irgendwie voll peinlich...Aber ich hab nie schwimmen gelernt..."

Nick antwortete: "Das ist nicht so schlimm. Wir können es dir beibringen."

Sie lächelte. "Okay. Dann brauchen wir jetzt nur noch Fahrräder."

*

Wir liefen wieder durch die Gegend, diesmal suchten wir Fahrräder. Beziehungsweise Fahrradständer.

Mittlerweile hatten wir 15 Uhr und mein Magen knurrte.

Will lief neben mir her und streifte ständig meinen Handrücken, was mich total nervös machte.

Ich traute mich nicht, zu ihm zu sehen, weil ich nicht wollte, dass er merkte, dass ich rot wurde.

"Liz", sagte er. Es war keine Frage. Eher eine Feststellung.

"Hm?", machte ich ohne Hochzugucken, was wirklich schwer war.

"Hast du Hunger? Denn ich hab wahnsinnig Hunger und naja...Vielleicht wollen wir kurz ne Pause machen und was essen."

Ich nickte und wir sagten den anderen Bescheid.

Diesmal aß Bella nichts, bis ich ihr dann doch ein Schokoladenriegel andrehen konnte.

Ich war irgendwie stolz auf sie und freute mich immer wieder aufs Neue, wenn sie etwas zu sich nahm.

Nach der kurzen Pause gingen wir weiter die Straße entlang und fanden dann gegen 17 Uhr, was mir Bellas Armbanduhr sagte, endlich einen Fahrradständer in der Nähe eines Cafés, was ich sogar kannte.

Acht Fahrräder waren dort angekettet, stellte ich fest.

Ich schaute mich um.
Ein Pärchen lief an dem Café gegenüber vorbei und auch im Café saßen einige Leute, die aber gar nicht zu uns sahen.

Nick drehte sich zu uns um.
"Okay, Freunde. Das Ganze muss schnell gehen, habt ihr gehört?
Ich werd das Aufbrechen der Schlösser übernehmen, doch sobald ich das Schloss aufgeschlossen habe, müsst ihr euren Arsch auf das Fahrrad schwingen und losfahren, ja?
Ihr fahrt einfach geradewegs raus aus der Stadt in Richtung Wald.
Hier ist doch ein Wald, Allison, oder? Ich meine, dass ich einen auf der Karte gesehen hatte."

Ich nickte. "Ja, da ist ein Wald. Nicht sonderlich groß, aber da ist einer. In diese Richtung, die Straße entlang einfach geradeaus", sagte ich und zeigte in die richtige Richtung.

"Also. Wir treffen uns am Wald. Direkt davor einfach. Keine Sorge, ich mach das Ganze hier nicht zum ersten Mal.
Also nochmal: Ihr müsst einfach losfahren. Egal, was passiert, ihr fahrt einfach geradewegs zum Waldrand. Okay?", fragte Nick und wir nickten.

Mein Herz klopfte lauter und schneller als sonst.
Es fühlte sich an als ob ich Achterbahn fahren würde.

Und die nächsten Sekunden verliefen so schnell, dass ich kaum etwas mitbekam.

Nick zückte die Brechzange und brach die Schlösser hintereinander auf. Ich sah, wie Bella als erste die Straße hoch raste und als ich dann dran war, spürte ich den Adrenalin Kick wirklich.

Es fühlte sich an als ob pure Energie durch meine Adern fließen würde und es war ein verdammt neues und irgendwie ein sehr aufregendes Gefühl.

Ich fuhr so schnell ich konnte.
Man könnte sagen, ich fuhr um mein Leben.

Ich schaute nicht zurück, nein.

Ich fuhr einfach die Straße hoch in einem Tempo, was ich noch nie erreicht hatte.

Bella fuhr vor mir her und auch sie war schnell unterwegs.

Was hinter mir passierte, konnte ich nicht sehen, denn ich richtete meinen Blick auf den Waldrand, der immer näher rückte.

Freaks [wird überarbeitet]Where stories live. Discover now