6. Die Einweihung

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Am Esstisch saß heute sogar auch Will, oder Rex. Das verwirrte mich immer noch total.
Lola saß neben ihm, gegenüber saßen Nick und Bella, ich saß an der Ecke.

"Also. Was machen wir morgen so?", fragte Nick und schaute in die Runde.
Bella hatte nichts gegessen. Lola dagegen schon. Der Rest von uns war noch dabei.
Mit vollem Mund schlug Will oder Rex vor:
"Wie wärs, wenn wir Liz' Zimmer einweihen!"
"Liz?", fragte Nick.
"Das bin ich. Also mein Spitzname", sagte ich leise und hob die Hand.
Rex W., so wie ich ihn jetzt einfach nannte, grinste schief und nahm einen Bissen von seinem Brötchen, was er dann angeekelt weglegte.
Er hatte wohl eines der drei Tage alten bekommen.
"Wie Einweihung?", fragte ich nach.
"Naja. Also erstmal den Planeten, natürlich", erklärte er.
"Den hat sie schon!", rief Lola grinsend dazwischen.
"Lass mich raten, Venus?", Rex W. legte seinen Kopf schief.
"Mond."
Er legte den Kopf in den Nacken und nickte langsam.
"Also, wenn du den Planeten schon hast, dann weihen wir dein Zimmer mit einer kleinen Feier ein. Ich bring Farbe mit", grinste er.
"Ey! Ich wollte auch Farbe!", quengelte Bella.
Rex W. schaute zu ihr rüber. "Ist ja gut, Bella. Du kriegst auch noch Farbe, aber Liz kriegt sie morgen."
"Wie kommt ihr denn an Farbe?", fragte ich und Nick grinste.
"Wir fragen einfach Mrs Woods."

Am nächsten Morgen platzte Will in mein Zimmer, ohne anzuklopfen.
Irgendwie war es mir peinlich, dass ich noch so verschlafen war.
"Guten Morgen, Liz!", sagte er und warf sich neben mich aufs Bett, wobei er voll auf meinem Bein landete. Ich schrie auf und er lachte.
"Das ist nicht lustig, Will!", kicherte ich. Ja, ich kicherte wie ein kleines Mädchen. Das tat ich sonst nie, verdammt.
"Nicht Will. Heute bin ich...Lass mich nachdenken...Okay. Sag du's mir. Wie heiße ich heute?"
Ich schaute an die Decke und sah meinen Mond etwas weiter links.
"Wie wärs mit Zack?"
"Das ist gut, Liz. Sehr gut. Namen mit Z hab ich selten."
"Okay, Zack W."
"Lustig, dass du das W hinten dran hängst", grinste er und ich räusperte mich.
"Ist ja schön, dass du schon so früh da bist, aber ich würde mich gerne umziehen..."
"Dann tu's doch", lächelte er und ich rollte mit den Augen. Dann ging ich ins Bad, um mich da umzuziehen. Der dunkle Pulli von gestern und eine helle Jeans von zuhause, die meine Mom mit ein paar anderen Sachen geschickt hatte. Den Brief, der bei meinen Klamotten und CDs lag, hatte ich noch nicht gelesen.

Als ich wieder zurück ins Zimmer ging, lehnte Zack W. an der Wand und verschränkte die Arme.
"Wann kommen die anderen?", fragte ich und fühlte mich leicht eingeschüchtert von ihm.
"Müssten gleich da sein."
Und als er das sagte, klopfte es auch schon an der Tür und der Rest trudelte ein.
Die Wände waren weiß, jedenfalls noch.
Mrs Woods hatte das tatsächlich erlaubt, was mich total überraschte. Natürlich war ein Betreuer im Raum, doch er saß hinten in der Ecke und las irgendwas. Wir beachteten ihn gar nicht.
"Also, Liz. Wir haben gelb, blau und rot. Womit fangen wir an?"
Nachdenklich schaute ich die leere Wand an.
"Vergiss' das mit dem Streichen", murmelte ich und öffnete alle Farbeimer.
Zum Glück hatten wir schon alles mit Zeitungen ausgelegt, denn ein Eimer tropfte etwas und ein grüner Fleck bildete sich auf dem Gesicht irgendeines Politikers in der Zeitung.
"Wir brauchen keine Pinsel", lächelte ich und steckte meine Hände in den grünen Eimer. Dann schleuderte ich die Farbe gegen die Wand. Die anderen waren auch schon dabei, die Wand voll zu sprenkeln.
Am Ende sah die Wand fantastisch aus. Überall bunte Farbstreifen und Kleckse.
Natürlich waren wir auch voller Farbe und während wir aufräumten, beklecksten wir uns nur noch mehr. Der Betreuer verlies den Raum grinsend und kopfschüttelnd und Nick, Lola und Bella verschwanden in ihren Zimmern, um sich zu duschen.
Dasselbe wollte ich auch tun, doch Zack W. stand vor der Wand und grinste mich an.
"Das war die beste Idee seit langem!"
Ich kratzte einen roten Fleck von meiner Handfläche ab und lächelte.
"Es hat Spaß gemacht, ja."
"Liz?"
"Ja?", fragte ich und schautest ihm hoch.
"Du bist die erste, die mich noch nicht gefragt hat, warum ich hier bin."
"Okay", sagte ich und zuckte mit den Schultern.
"Jetzt tust du's auch nicht. Dafür bin ich dir dankbar."
"Du kannst zu mir kommen, wenn du darüber reden willst. Dann werd ich dich auch fragen, aber nur wenn du das möchtest. Und jetzt geh' ich duschen. Das solltest du auch!"
Mit ausdrucksloser Miene verlies er mein Zimmer und ich ging duschen.

Als ich mir frische Sachen anzog und die alten in den Wäschekorb warf, fiel mir ein roter Fleck zwischen zwei Kacheln auf. Er war klein und fast hätte ich ihn übersehen.
Doch in mir machte sich ein leeres Gefühl breit. War es Blut?
Und schon war er da wieder. Der Drang, Schmerzen zu fühlen.
Mein Kiefer spannte sich an und die Fingernägel rammten sich in meine Hand, als ich sie zu Fäusten ballte.

Doch mir gelang es, aus dem Bad rauszugehen und mich in mein Bett zu legen. Mit bösen Gedanken schlief ich ein und verpasste somit das Abendessen. Aber ich hatte eh keinen Hunger, denn sie nahm mir den Hunger, die Kraft, die Freude und das Lächeln.
Sie war meine Depression.
Sie war ein seltsamer Teil von mir geworden. Ich wurde sie nicht los, dachte ich, während ich in den Schlaf fiel, den ich immer gebrauchen konnte.

Freaks [wird überarbeitet]Where stories live. Discover now