1. Willkommen in der Klinik Woods

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Das Blut tropfte in das weiße Porzellan Waschbecken. Langsam drehte ich den Wasserhahn auf und als ich sah wie es in den Abfluss lief, fühlte ich mich auch diese seltsame Weise erleichtert.
Ich wollte fühlen, wie es weh tat, denn ich fühlte sonst nichts.
Verdammt, murmelte ich, als ich hörte, dass meine Mutter die Treppen hoch kam.
Verdammt, murmelte ich, als alles um mich herum schwarz wurde.

Verdammt, krächzte ich auch, als ich im Krankenhaus aufwachte, was mir kurz nach meinem Aufwachen klar wurde.
Der Monitor neben mir piepte in einem normalen Rhythmus, doch nach ungefähr drei Mal Piepen, nervte mich das Ding total.
Gerade wollte ich aufstehen, da kam meine Mutter rein.
Oh nein, dachte ich.
Ihre Augen waren rot und verheult.
"Mom...", murmelte ich leise.
"Mein Schatz, es tut mir so leid. Aber du musst verstehen, ich kann nicht anders. Du...-"
Bevor sie weiterredete, kam eine Frau in den Raum. Sie sah nicht aus wie eine Ärztin.
Die kleine Brille auf ihrer Nase rutschte leicht hinunter, als sie sich neben meine Mutter stellte.
"Du musst Allison Baker sein! Schön, dich kennenzulernen!"
Ich starrte zu meiner Mom.
"Was ist hier los?", murmelte ich.
"Allison, das ist Mrs Woods, sie wird dir helfen."
Gerade wollte ich wieder fragen, da begann die kleine Frau zu sprechen.
"Du kannst mich ruhig Anne nennen. Ich werde dir morgen dein neues Heim zeigen."
Verwirrt wandte ich mich wieder meiner Mutter zu.
"Mom, stopp. Was soll das?"
Ihre Augen waren glasig und sie legte eine Hand auf meine.
"Ally. Glaub mir, es ist besser so."

Ich war immer noch unter Schmerzmittel oder sonst irgendwas gesetzt, was mich unfassbar müde machte und konnte deshalb nichts mehr erwidern, als ich in einen tiefen Schlaf fiel.

Am nächsten Morgen lag ich in einem anderen Zimmer. Die Wände waren weiß und nicht grellgelb.
Mrs Woods stand an meinem Bett und ich schreckte hoch.
"Guten Morgen, Allison."
"Wo - Wo bin ich?", nuschelte ich und setzte mich auf.
"Willkommen in der Klinik Woods."
"Was?"
"Du wirst erst einmal hier bleiben und gesund werden."
"Aber - Aber ich will hier nicht sein!", erwiderte ich verzweifelt und versuchte aufzustehen.
Mein Kopf dröhnte und ich fiel zurück aufs Bett.
"Das wirst du aber erst einmal. Wir werden uns gut um dich kümmern. Dir wird es hier sicher gefallen. Keine Sorge."
Und dann ging sie und lies mich alleine in dem kalten, kahlen Raum, in dem ich ab jetzt leben würde.
Ich war in einer Klinik gelandet.
Na, super, dachte ich und schaute auf meinen Unterarm. Ein fetter Verband war um ihn gewickelt und ich seufzte laut auf, als ich aus dem Fenster sah.
Ein großes Gelände erstreckte sich vor mir. Mit Sportplätzen, Wiesen und Bänken.
Das war also mein neues Zuhause, dachte ich.
An meiner Tür klopfte es.
Wer war das denn jetzt?
"Ja?", krächzte ich.
Ein Kopf lugte durch den Türspalt hervor.
Kurz darauf stand ein Mädchen in einem dunklen Pulli und in dunklen Jeans vor mir.
"Hallo", piepste sie.
"Ich bin Annabella. Aber nenn mich doch einfach Bella. Du musst die Neue sein. Mrs Woods meinte, ich soll dich rumführen. Aber zieh dir erst mal was anderes an und geh duschen, du stinkst", lachte sie.
"Ehm. Okay", nuschelte ich etwas durcheinander und verschwand im Bad.
Nachdem ich geduscht hatte und ungefähr dieselben Sachen - die Mrs Woods mir dagelassen hatte - anhatte, wie Bella, ging ich zurück in das Zimmer, wo Bella auf dem Bett lag und irgendein Lied summte.
Ihre blonden Haare waren lockig und zerzaust. Ihr Gesicht war fast zu schmal und ihre Arme waren ganz dünn, das sah man, trotz des Pullis.
"Ach. Da bist du ja! Willst du mir vielleicht deinen Namen sagen?"
Nein, dachte ich.
"Allison", antwortete ich.
"Allison ist definitiv zu lang. Ich nenn dich Ally, okay?"
Ich nickte und musste schmunzeln. Aus irgendeinem verrückten Grund war sie mir sympathisch und das war echt selten. Also das mir jemand sympathisch war, deshalb ging ich mit ihr.

"Das ist die Cafeteria. Hier essen wir von 9.00 Uhr bis 10.00 Uhr Frühstück. Von 13.00 - 14.00 Uhr gibt's Mittagessen. Abendessen ist um 19.00 Uhr bis spätestens 21 Uhr. Aber du kannst eigentlich immer hier her kommen und irgendwelche Snacks ergattern. Davon gibt's genug, viele hier sind nicht so die Viel Esser."
Den letzten Satz murmelte sie daher und als sie vor mir lief, fielen mir ihre dünnen Beine auf.
Sie war wohl auch kein Viel Esser.
"Die verschiedenen Zimmer kann ich dir nicht zeigen, aber lass' uns doch rausgehen! Ich zeig' dir das Gelände!"
Nickend folgte ich ihr und mir fiel auf, dass fast alles in diesem Gebäude weiß war. Nur an den Wänden hingen Bilder von fröhlichen Kindern. Wie unpassend.
Bevor wir heraus konnten, mussten wir uns abmelden an so einer Art Rezeption. Wie im Hotel eigentlich, nur das es mir vorkam wie im Knast.
Auf dem Gelände war alles ziemlich grün und freundlich eingerichtet.
Ein paar Bäume, hier und da ein paar Blumen.
Auf dem Sportplatz spielten ein paar Jungs etwas mit einem platten Ball. Weiter hinten saßen ein paar Mädchen und redeten. Doch alle hatten sie eins gemeinsam. Ihr Blick war leer und verlassen. Ich schaute sicherlich genauso. Da fiel mir auf, dass ich lange nicht mehr in den Spiegel gesehen hatte.

Ein Mädchen aus der Gruppe war noch dünner als Bella und ich musste schlucken. Bella winkte ihr kurz zu, sie reagierte nicht, starrte nur an uns vorbei ins Nichts.
Überall waren Betreuer. Man erkannte sie an dem Lächeln, was sie trugen und an einem Aufnäher, den sie alle trugen. Ein fetter Smiley, der mir hässlich entgegen lächelte, wie Joker aus Batman.
Bella setzte sich auf den Boden ins Gras. Überrascht setzte ich mich neben sie und sie schüttelte den Kopf.
"Allison. Willkommen in der Klinik Woods", lachte sie. Doch ihr Lachen war bitter und traurig.
Bella schaute mich an. Sie hatte eisblaue Augen, die mich fast an letzten Winter erinnerten, wo es eisig kalt gewesen war und es viel mehr geschneit hatte als die Jahre zuvor.
"Das hab ich heute schon mal gehört", erwiderte ich und musste leicht grinsen. Ich lachte nicht all zu oft.
"Oh. Das wirst du noch oft hören. Ich will dir ja nichts schlecht reden oder so. Aber das hier ist die Hölle."
Ihre Stimme war auf einmal gar nicht mehr so hoch und piepsig. Sie war rau und viel tiefer.
"Das glaub ich dir direkt", murmelte ich und starrte auf das Gebäude vor uns.

Freaks [wird überarbeitet]Where stories live. Discover now