8. Der Mond

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Ich ging nicht zum Essen am Abend und auch nicht zum Frühstück.
Ein Betreuer betrat das Zimmer, um nach mir zu sehen. Er brachte mir außerdem einen Apfel.
Wie nett, dachte ich.
Doch ich hatte keinen Hunger. Mir war einfach nicht nach Essen zumute.

"Hallo, Allison. Ich wollte mal nach dir sehen, geht's dir gut? Willst du was essen? Oder brauchst du irgendwas?"
"Nein, nein. Mir geht's prima. Ich glaub, ich hab einfach was falsches gegessen...", lächelte ich und wollte am liebsten weinen.
"Okay. Ich lass dir den Apfel hier. Wenn du beim Mittagessen nicht auftauchst, muss ich Mrs Woods Bescheid sagen, das verstehst du doch?"
Ich nickte nur und er ging.
In letzter Minute würde ich in der Cafeteria auftauchen, mir ein Sandwich schnappen und wieder abhauen, überlegte ich.

Ich hatte es verbockt mit Will.
Ich wusste nicht mal, wie er heute hieß und das machte mich unendlich traurig.
Von Nick, Bella und Lola hatte ich auch nichts gehört. Aber das war besser so. Ich durfte niemanden an mich ran lassen, ich zog alles in den Dreck, was ich anfasste.
Ich war die wohl größte Versagerin, die auf der Welt weilte.
Nein, ich war definitiv kein guter Mensch und auch kein Held oder irgendwas in der Art. Ich war ein Freak. Ein Freak, der unter den Normalen von früher verabscheut wurde. Ein Freak, der sogar unter anderen Freaks gehasst wurde.
Ja, da war sie wieder. Meine engste Freundin, meine Depression.

Ich lag den ganzen Vormittag im Bett. Die letzten 10 Minuten des Mittagessens liefen gerade ab und ich bemühte mich aus dem Bett.
Schnell fand ich die Cafeteria. Ich senkte meinen Blick, verschränkte die Arme und lies die Schultern hängen. Dann holte ich mir tatsächlich ein Sandwich.
Der Betreuer von vorhin nickte mir zu und ich aß es schnell, während ich den Raum verlies.
Ich rannte in Nick hinein, als ich gerade durch die Tür gehen wollte.
"Allison! Da bist du ja! Wo hast du gesteckt?"
Ich drückte mich an ihm vorbei und sprintete den Gang runter in mein Zimmer.
Ich warf mich aufs Bett, aß den Rest des Mini Sandwiches und brach dann in Tränen aus.
Alles wurde mir zu viel hier.
Ich sah zu meiner Kommode rüber und da lag das Taschenbuch, was ich mit dem Spitzer mitgenommen hatte.
Ich stand auf und klappte es auf.
Es waren Bilder von Blumen, die eingeklebt oder eben auch gemalt wurden.
Genervt schlug ich es wieder zu und fuhr langsam die kleinen Hügel in der Wand nach, die durch das Spritzen der Farbe entstanden waren.
Seufzend setzte ich mich in die Mitte des Raums, neben das Bett. Dann legte ich mich hin und betrachtete meinen Mond. Wieder liefen mir die Tränen über die Wangen und sie brannten wie Feuer auf meiner kalten Haut.

Der Mond war dunkel und kahl. Er wurde hin und wieder beleuchtet von der Sonne, doch der Mond war dunkel und einsam.
Niemand lebte dort. Der Mond war allein und einsam im Universum, das stand fest.
Der Mond war voller Krater. Er war bei weitem nicht perfekt.
Er war so weit weg. So weit weg von all dem, von dem wichtigen.
Vielleicht konnte ich mich deswegen so gut mit ihm identifizieren.
Vielleicht hatte ich ihn deshalb über eine Räuberleiter an meine Decke gemalt mit einem billigen Edding aus dem Supermarkt.
Ja, ich war hier. Physikalisch gesehen.
Aber ich war schon lange nicht mehr mental hier, ich war ganz ganz weit weg und doch zu sehen.
So wie der Mond.

Freaks [wird überarbeitet]Where stories live. Discover now