Am frühen Nachmittag kam Jimin zurück nach Hause. Laut der Geräusche, die gerade aus dem Wohnzimmer kamen, hatte Jungkook wieder Bewegungstherapie. Deshalb verräumte er erst einmal in Ruhe seine Sachen im Eingang, ehe er das Wohnzimmer anstrebte.
Die Kinder waren nach wie vor unterwegs und würden erst in wenigen Stunden von Jimin abgeholt werden, Chanhyun hatte heute Abend ebenfalls Ballettunterricht. Und danach würde Jimin ebenfalls wieder trainieren.
In letzter Zeit hatte er sich hinter allen von Jungkooks Bedürfnissen gestellt, jetzt wollte er gerne ein Stück von sich zurück bekommen.
Er wollte nicht egoistisch sein, aber er konnte auf lange Zeit nicht in dieser Wohnung bleiben. Er mochte sie nicht mehr wirklich.
Vorsichtig spähte Jimin in den gerade aufgesuchten Raum. Jungkook saß auf einem Stuhl in der Raummitte und trat gerade mit seinen Beinen in die Pedale eines Fahrrads, dabei schien er stark zu schwitzen. Und die ältere Frau neben ihm korrigierte andauernd seine Haltung, damit er seine Muskeln nicht falsch trainierte.
Seit zwei Wochen trainierte Jungkook schon fleißig, er machte in Jimins Augen in kurzer Zeit riesige Fortschritte.
Jungkook sah diese Fortschritte leider nicht so wirklich.
Er wollte sofort wieder laufen können.
Er wollte sofort wieder arbeiten können.
Er wollte sofort wieder so sein wie früher.
Und Jimin erinnerte ihn oft genug daran, dass das nicht möglich wäre. Denn er wollte Jungkook auf gar keinen Fall falsche Hoffnungen machen.
"Sehr schön Mr Jeon!" Die Trainerin gab ihr okay, dass Jungkook mit der Übung aufhören durfte. Und Jungkook hörte schwer atmend auf, ehe er aufschaute. Als er Jimin sah, begann er sofort zu lächeln. Leise schlich Jimin in den Raum, ehe er sich verbeugte. "Hallo Mrs Kim", lächelte er danach, um die Frau in seiner Wohnung zu begrüßen.
"Ah, hallo Mr Park! Sie sind schon wieder Zuhause?" "Ja, ich bin für heute fertig mit arbeiten. Und wie ich sehe, seid ihr auch fertig."
"Ja, Mr Jeon muss sich nun die nächsten Tage ausruhen. Wir haben viel erreicht in den letzten Wochen, jetzt muss er Pause machen. Und dann geht es nächste Woche weiter. Physiotherapie ist trotzdem."
Jimin nickte verstehend, ehe er Jungkook seine Wasserflasche reichte. Und zu Jimins Verwunderung nahm er diese mit der linken Hand an.
"Wait a second!"
Jimin griff sofort wieder nach der Flasche. Er wollte es erneut sehen. Aber Jungkook hielt die Flasche fest umschlossen, sodass Jimin sie nicht aus seiner Hand bekam.
"Jungkook?! Why didn't you tell me?!" Jimin starrte seinen Partner an, der stolz lächelte. "Ich- wollte dich- überraschen." "Das hast du!" Glücklich umarmte Jimin seinen festen Freund. "Du bist großartig!"
Mrs Kim lachte laut auf. "Er trainiert fleißig Zuhause. Aber die nächsten Tage wird wenig bis gar nichts trainiert. Jetzt ist wieder Pause. Mr Jeon, Sie dürfen ein Mal pro Tag ihre Arme und Beine mit dem Ergometer trainieren. Nicht allzu lange. Wir fangen nächste Woche mit etwas größerem an und dafür müssen Sie fit sein!" Jungkook nickte verstehend.
"Danke für- das Training- heute."
Jimin war erneut verwirrt. Plötzlich sprach Jungkook viel sicherer.
Er war sehr beeindruckt.
"Wir sehen uns."
Mrs Kim verließ das Wohnzimmer, bis das Schließen der Wohnungstür ihre komplette Abreise für heute angekündigt hatte.
Und sofort fiel Jimin Jungkook in die Arme.
"Warum hast du mir nicht direkt gesagt, dass du solche Fortschritte machst?!"
"Ich wollte- dich wirklich überraschen."
"Das hast du. Aber ich verstehe nicht, warum."
"Du sollst- dich nicht schämen, weil- ich- behin-dert bin." "Das würde ich niemals, Jungkook. Ich liebe dich doch." Jungkook nickte. Es sah nicht überzeugend aus.
Jimin wusste von Jungkooks mentalem Zustand. Denn anders als sein Körper schien dieser sich nicht zu erholen, sondern weiter zu verschlimmern. Das würde er definitiv alles weiter beobachten, um notfalls früh genug eingreifen zu können.
Jimin gab Jungkook einen Kuss. Und dieser umarmte seinen Partner sofort.
"Kannst- du dich- an letzte- Woche erinnern? Chan-nies erster- Zwischen-fall?" "Ja, natürlich. Der einzige ohne Pipi-Unfall." "Mhm." Jungkook strich Jimin durch die Haare. Er liebte sie. Seitdem Jimin ein anderes Shampoo verwendete, waren seine Haare so weich wie noch nie.
"Ich glau-be, ich- weiß, wie-wir helfen können. End-gültig."
Jungkooks erste Idee war gewesen, wieder mit dem Jungen gemeinsam zu schlafen. Die erste Nacht hatte es gut geklappt, ab der dritten war alles wie immer gewesen. Jungkook hatte das Gefühl, dass die Anfälle langsam schlimmer wurden. Das Gefühl hatte Jimin auch, so wie auch der Therapeut des Jungen. Sie hatten die Therapie schon deutlich erhöht, mittlerweile sogar mit Tabletten begleitet.
"Was denn, Honey?"
"Komm- mit ins Bade-zimmer. Ich muss- erst duschen." "Soll ich dir helfen?" "Mhm. Ich- muss meinen- Katheterbeu-tel wechseln." "Dabei helfe ich dir. Wann musst du den Katheter selber wechseln?" "Nächste- Woche." "Okay, mein Schatz." Jimin hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, ehe er aufstand. Und danach stellte er den Rollstuhl neben Jungkook. Vorsichtig drückte sich Jungkook in den Stand. Mittlerweile konnte er das für einen kurzen Moment. Und Jimin nahm ihm den Stuhl unter dem Hintern weg, ehe er dort den Rollstuhl hinstellte. Vorsichtig setzte sich Jungkook wieder.
Und Jimin begleitete ihn ins Badezimmer. "Möchtest du rasiert werden?" "Nur- Gesicht. Ich brauche- keine Intim-rasur." "Du magst es da doch sonst immer glatt." Jimin nahm aus dem Schrank im Badezimmer Jungkooks Rasierer. Er rasierte seinem Partner momentan immer. Jungkook fühlte sich mit einem Messer in der Nähe seines Gesichtes zu unsicher. Jimin verstand das gut. Deshalb half er ihm.
"Ich- glaube, dass- diese Wohnung- Chanhyun umbringen- wird."
Überrascht schaute Jimin zu dem Mann im Rollstuhl. Er begann gerade, selbstständig sein Tshirt auszuziehen. Jungkook konnte direkt auf seinen mittlerweile muskellosen Oberkörper schauen. Jungkook hatte zugenommen. Es stand ihm sehr gut.
"Diese Wohnung bringt Chanhyun um? Wie meinst du das?"
"Die- Küche trig- triggert ihn. Gewaltig. Wir- Jimin, ich- glaube, wir müssen- hier weg."
Jimin nickte, ehe er lächelte.
"Ich dachte an Gwacheon. Schon seitdem du wach bist. Ich muss hier auch weg. Nicht von dir, sondern aus dieser Wohnung. Chanhyuns neue Schule wäre nur einen kurzen Fußweg weg, Danbi könnte dort in den Kindergarten. Du hast keinen Job und ich würde meinen wechseln."
Jungkook schüttelte den Kopf.
"Du- hast deine Freu-de in Seoul."
"Ich würde viel lieber auf eine andere Intensivstation. Nachdem du dort vor mir gelegen hast fällt es mir schwer, dort weiter hinzugehen."
Jimin schluckte. Das hatte er noch nie jemandem verraten. Aber Jungkook schien gerade offen für so eine Art der Konversation. Immerhin hatte er sie begonnen.
"Oh. Wa-rum hast du- das nicht eher- gesagt?" Jungkook griff nach Jimins Hand. Und dieser zuckte die Schultern, ehe ihm eine Träne über die Wange lief. Sofort wischte er sich diese weg, er wollte nicht weinen. Nicht vor Jungkook.
Er hatte doch sein eigenes Paket zu tragen. Er sollte nicht auch noch Jimins tragen müssen.
Aber Jungkook ließ nicht locker. Vorsichtig zog er Jimin zu sich.
"Warum- leidest du- alleine?"
"Weil ich stark für dich bin."
Jimin fing laut zu schluchzen an, während Jungkook ihn zu sich zog. Der elektrische Rasierer fand schnell den Weg ins Waschbecken, während Jimin sich auf Jungkooks Schoß setzte. Sanft strich er dem aufgelösten Mann über die Wange.
"Tut- mir leid, dass- ich deine- Gefühle nicht- mitbekom-men habe."
"You couldn't", schniefte Jimin, während er sich in die Halsbeuge seines Partners drückte. "How could you?" "Ich- verstehe dich- nicht." "Du konntest das nicht wissen." Jimin setzte sich aufrecht hin.
"Ich hasse diese Wohnung. Seitdem du quasi tot da gelegen hast, mich nicht mehr kanntest und nach deiner Ex geschrien hast. Seitdem du mich mit riesigen Augen angeschaut hast, während du vor mir im Kopf stark geblutet hast. Während du im scheiß Koma lagst und ich nicht wusste, was ich tun muss. Ich habe immer noch keine Ahnung, was ich tun muss."
Jimins Stimme fing zu beben an. Er versuchte, tief durchzuatmen. Aber es klappte nicht wirklich. Dafür war er zu aufgerüttelt.
"Ich habe versucht, die Wohnung angenehm einzurichten. Aber ich hasse, wie eng alles ist "
"Ich auch", antwortete Jungkook ihm. "Lass- uns hier weg. Für Chan-nie. Für uns. Wir- müssen toxi-sche Um-felder ver-lassen."
"Und deine Klage gegen deine ehemalige Firma?"
"So- wie es aus-sieht, werde ich- gewinnen. Wir- werden laut- Anwalt Schadens-ersatz bekommen. Wahrscheinlich- Geld." "Reicht das, um eine neue Wohnung zu mieten?" "Bestimmt."
Jungkook strich Jimin erneut über die Wange, während seine andere Hand zitternd Jimins ergriff. Der Griff war stärker als sonst. Und das motivierte Jimin. Es sah gerade nicht gut für sie aus, sie schienen alle noch stark mitgenommen von Jungkooks Situation. Aber sie würden alles geben und versuchen, etwas an dieser Situation zu verändern.
"Lass- uns so- schnell es geht- hier weg", murmelte Jungkook. "In zwei- Wochen bekommt- Channie seine- Herbstferien. Dann- ist er danach- nicht mehr auf- der Schule. Sondern auf- der Jungen-schule. Bis- dahin können wir- versuchen, et-was zu ändern."
Ein wenig ruhiger stimmte Jimin zu. "Wir sollten trotzdem nichts überstürzen. Aber wir könnten mit Seokjin und Namjoon reden. Fragen, was sie davon halten." "Okay."
Vorsichtig küsste Jungkook Jimin. Er wollte das Gefühlschaos in dessen Kopf nicht weiter zerrütteln, indem er etwas falsches machte. Aber Jimin schien den Kuss zu erwiedern. Und danach atmete er tief durch.
"Ich habe mich übrigens dazu entschlossen, ebenfalls den Wehrdienst hier anzutreten."
Jungkook nickte verstehend. Er hatte die Vermutung gehabt, dass Jimin das machen wollte.
"Ich habe auf der Arbeit öfter Kommentare von Kollegen bekommen, dass ich das System ausgetrickst habe und so etwas. Ich will nicht, dass die Leute so etwas von mir denken. Ich habe mich angemeldet." "Okay."
Jungkook schien zu lächeln.
Jimin hatte Angst gehabt, deshalb auf Widerstand zu stoßen. Aber anscheinend stand der Mann hinter ihm. "Wann- möchtest du denn- gehen?"
"Eigentlich wollte ich zusammen mit Taehyung los, aber er geht früher als erwartet. Du bist nicht in der Verfassung, dass ich dich alleine-"
"No-vember."
"Bitte?"
Jimin schaute fragend zu Jungkook. Und dieser lächelte erneut.
"Du- bist dann- ab Novem-ber weg. Acht-zehn Monate." "Ja. Anderthalb Jahre." "Das- ist okay. Bis da-hin-"
"Ich gehe nicht im November. Auf gar keinen Fall gehe ich im November, Jungkook."
"Wenn du-"
Jimin ließ den Mann nicht ausreden. Vorher stand er auf, ehe er angefressen zu dem Mann im Rollstuhl blickte.
"Willst du mich loswerden? So wirkt das Ganze gerade."
"Nein, ich-"
"Ich brauche Ruhe. Ich möchte meine Zeit alleine."
Jimin ließ Jungkook nicht antworten. Vorher verließ er das Badezimmer, ehe er in sein Zimmer lief und sich in diesem einschloss.
Er hatte Angst, dass er mit seiner Vermutung recht behielt.
Denn er hatte die Vermutung, dass Jungkook durch den Schlaganfall seine Gefühle für ihn verloren hatte.
Momentan wirkte es nämlich sehr stark danach.
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Au Pair ^JiKook^
FanfictionJeon Jungkook ist Geschäftsmann in einem erfolgreichen Unternehmen. Er würde sich selber als Workaholic bezeichnen, wenn ihn jemand nach einer kurzen Vorstellung fragen würde. Jedoch vernachlässigt er dadurch seine zwei Kinder, wie all seine Freunde...
